Braune kleine Glasfläschchen mit schwarzen Verschlüssen und Etiketten mit schwarzem X, Flammen und Totenkopf, Fokus auf Letzterem vor weißem Hintergrund
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Handlungsempfehlung bei Umstufung zu Giften

Wie Unternehmen vorgehen können

Lesedauer: 7 Minuten

Handlungsempfehlung für Unternehmen im Falle einer neuen Einstufung von Stoffen gemäß CLP Verordnung, die wesentliche Änderungen in anderen Rechtsmaterien – EU oder national – mit sich ziehen

1. Hintergrund

Die CLP-Verordnung [1] kennt grundsätzlich drei Methoden der Einstufung von Stoffen. Das sind die die harmonisierte Einstufung, die harmonisierte Mindesteinstufung und die Selbsteinstufung.

Die harmonisierte Einstufung eines Stoffes ist im Anhang VI der CLP-Verordnung enthalten und verpflichtend anzuwenden. Ebenfalls in Anhang VI der CLP-V finden sich die mit (*) markierten Mindesteinstufungen. Für Stoffe ohne harmonisierte Einstufung bzw. mit harmonisierter Mindesteinstufung nur für bestimmte Gefahren erfolgt eine Einstufung nach dem Prinzip der Selbsteinstufung. Diese liegt in der Verantwortung des Unternehmens, welches die Einstufung vornimmt und unterliegt den Regelungen der CLP-Verordnung. 

Besonders durch die REACH-Registrierung [2] werden systematisch Daten zu Stoffen gesammelt. Dadurch werden unter Umständen bisher nicht berücksichtigte Eigenschaften entdeckt. Auf dieser Basis müssen Lieferanten ihre Stoffe gegebenenfalls in eine höhere Gefahrenkategorie neu einstufen. Registranten sind alle Hersteller und Importeure, die einen Stoff ab 1 Tonne pro Kalenderjahr in der EU herstellen bzw. in diese einführen. Dadurch sind Einstufungen, die auf Basis solcher Daten durchgeführt wurden, in der Regel besonders zuverlässig und können auf der ECHA-Webseite abgerufen werden.

Manchmal kommt es vor, dass „alt bekannte“ Stoffe auch in solche Eigenschaften eingestuft werden, die wesentliche Änderungen in anderen Rechtsmaterien mit sich ziehen Dies können EU oder nationale Materien sein, zB im Bereich Chemikalienrecht (REACH, ChemG), Konsumentenschutz, ArbeitnehmerInnenschutz, Transport, Biozide und Pflanzenschutzmittel, Kosmetika, SEVESO, Explosivstoffe und Abfall). Das ist zB der Fall bei der neuen Einstufung von Salpetersäure [3] als akut toxisch (inhalativ), Kategorie 3. Daraus ergeben sich nun einige wesentliche Konsequenzen und Handlungsempfehlungen.

Grundsätzlich müssen registrierte Stoffe nicht neu eingestuft werden, wenn es Gründe gibt, die für die Beibehaltung der Einstufung in die „leichtere“ Kategorie sprechen. 

2. Giftrecht – III. Abschnitt des Chemikaliengesetz 1996

(dieses Kapitel wurde in Absprache mit dem BMLFUW verfasst)

Salpetersäure wird in bestimmten höheren Konzentrationen aufgrund ihrer akuten Toxizität in die Kategorie 3 eingestuft und fällt daher unter den Giftbegriff gemäß § 35 Chemikaliengesetz 1996. Als Konsequenz daraus, darf die Abgabe nur durch Unternehmen erfolgen, die dazu berechtigt sind (siehe weiter unten bzw. § 41ff). Auch der Erwerb und die Verwendung eines Giftes darf nur durch Berechtigte erfolgen. Betriebe benötigen für den Bezug von Giften eine Bescheinigung gem. § 41a, die bei Vorliegen der Voraussetzungen (zB Sachkunde gem. § 41b) von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde ausgestellt wird. Weiters sind die Regelungen des Abschnitt III des Chemikaliengesetzes, insbesondere die §§ 41ff sowie die Giftverordnung zu beachten und anzuwenden.  

Wurden Sie als Unternehmen von einer Einstufung in eine höhere Gefahrenkategorie überrascht, wodurch der Stoff nunmehr unter den Giftbegriff gem. § 35 fällt, dann ist Abschnitt III des Giftrechts [4] (§§ 41ff ChemG) anzuwenden und Sie müssen zur Abgabe bzw. zum Erwerb dieses Stoffes nunmehr berechtigt sein.  

Wir raten Ihnen insbesondere folgendes zu tun:

  1. Prüfen Sie, ob Sie gem. § 41 zur Abgabe oder zum Erwerb von Giften berechtigt sind (berechtigte Gewerbetreibende oder Apotheken).
  2. Wenn Sie Gifte gemäß § 35 abgeben wollen benötigen Sie eine Gewerbeberechtigung gem. §§ 104 oder 116 GewO.
  3. Wenn Sie Gifte gem. § 35 erwerben wollen, prüfen Sie, ob Sie gem. § 41 (3) ChemG berechtigt sind. Falls nicht, suchen Sie unverzüglich bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde um eine Giftbezugsbescheinigung gem. § 41a ChemG an, und das unabhängig davon, ob Sie die Voraussetzungen bereits erfüllen (zB einen Sachkundekurs absolviert haben).
  4. Prüfen Sie, ob Sie oder eine geeignete Person in Ihrem Unternehmen die Voraussetzungen für eine Giftbezugsbescheinigung gem. § 41a ChemG iVm § 4 GiftV erfüllen zB durch Nachweis einer fachlich entsprechenden Berufsausbildung für den Umgang mit dem verwendeten Gift oder durch den Nachweis der erforderlichen Kenntnisse durch Abschluss einer geeigneten schulischen, universitären oder qualifiziert berufsspezifischen Ausbildung [5] und absolvieren Sie bei Bedarf einen Sachkundekurs/Erste-Hilfe-Kurs.
  5. Reichen Sie fehlende Unterlagen für die Giftbezugsbescheinigung nach.
  6. Beginnen Sie unverzüglich Aufzeichnungen gem. § 43 ChemG zu führen.
  7. Melden Sie einen Verlust oder die irrtümliche Abgabe solcher Gifte unverzüglich gem. § 48 ChemG.

Stoffe und Gemische, die in eine der in§ 35 ChemG aufgelisteten Kategorien eingestuft sind, dürfen nur noch an Berechtigte abgegeben werden.

Das BMLFUW wird diese grundsätzliche Problematik neuer Einstufungen, die die Anwendung von Abschnitt III ChemG nach sich ziehen, in der nächsten Tagung mit den ChemikalieninspektorInnen der Länder thematisieren.

Bei Unklarheiten und/oder Fragen zu einem konkreten Einzelfall kontaktieren Sie am besten Ihre zuständige Fachorganisation der WKO.

3. ArbeitnehmerInnenschutz

Grundsätzlich sollte sich an den bereits vorhandenen Risikomanagementmaßnahmen nichts ändern, da neue Einstufungen in der Regel nicht völlig aus dem Nichts heraus geschehen. Trotzdem empfiehlt sich in einem solchen Zusammenhang auch im Bereich ArbeitnehmerInnenschutz-Regelungen eine Überprüfung bestehender unternehmensinterner Umsetzungen, wie zB der Arbeitsstättenkennzeichnung, der Gefahrstoffevaluierung oder von Betriebsanweisungen.

4. Berufsrecht

(dieses Kapitel wurde in Absprache mit dem BMWFW verfasst)

Die Abgabe von Giften ist gemäß § 94 Z 14 (Drogisten, umfasst Kleinhandel mit Giften ) und Z 32 ( Großhandel mit Giften) GewO ein reglementiertes Gewerbe [6] und erfordert eine eigene Gewerbeberechtigung. Der Großhandel mit Arzneimitteln und Giften gemäß § 94 Z 32 unterliegt zudem einer Zuverlässigkeitsüberprüfung [7] durch die Behörde. Erst nach erfolgtem rechtskräftigem positivem Bescheid darf das Gewerbe ausgeübt werden. Die Artikel § 104 und 116 GewO sind zu beachten.

5. Betriebsanlagenrecht

(dieses Kapitel wurde in Absprache mit dem BMWFW verfasst; redaktionelle Einarbeitung der GewO-Nov BGBl. I Nr. 96/2017)

5.1. Allgemeines

Gewerbliche Betriebsanlagen, die nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) genehmigungspflichtig sind, dürfen nur mit Genehmigung der Behörde (Betriebsanlagengenehmigung) errichtet und betrieben werden. Dies betrifft alle Anlagen, die wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, bestimmte im § 74 Abs 2 GewO 1994 näher umschriebene Schutzinteressen (z.B. Gesundheits-, Kunden- und Nachbarschutz) zu beeinträchtigen. Die Genehmigungspflicht betrifft sowohl die Errichtung (Neubau) einer gewerblichen Betriebsanlage als auch Änderungen bereits bestehender Betriebsanlagen.

5.2. Bauliche Maßnahmen

Wenn in einem gewerblichen Betrieb z.B. die oben angeführte und nun neu eingestufte Salpetersäure gelagert wird und dadurch bauliche Maßnahmen wie der Zu- oder Umbau eines Lagerraumes notwendig wird, kann je nach landesrechtlicher Bestimmung eine baurechtliche Genehmigung oder Anzeige erforderlich sein. Bitte erkundigen Sie sich bei Ihrem WK Betreuer vor Ort oder im Baureferat Ihrer Gemeinde, in der ihr Betriebsstandort sich befindet.

5.3. Änderungsgenehmigung oder Anzeigepflicht

Sind aufgrund der Änderung der Einstufung  bauliche Maßnahmen erforderlich, benötigen Sie zumeist auch eine Änderungsgenehmigung nach § 81 Abs 1 GewO 1994. Gegebenenfalls kann auch eine „nachbarneutrale Änderung“ im Sinne des § 81 Abs 2 Z 7 GewO 1994 vorliegen, die vor ihrer Umsetzung der für Sie zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde/Magistrat nur anzuzeigen ist. Bitte klären Sie dies zeitgerecht mit der Behörde ab.

Sind keine baulichen Maßnahmen an der Anlage erforderlich, handelt es sich bei Änderungen der chemikalienrechtlichen Einstufung lediglich um eine „emissionsneutrale (da gefährdungsneutrale) Änderung“ Ihrer Betriebsanlage. Diese Änderungen sind seit der Novelle der Gewerbeordnung, BGBl. I Nr.  96/2017, nicht mehr anzeigepflichtig.

5.4. Änderung der Einstufung hinsichtlich Seveso-Auflagen

Wenn sie bereits ein Sevesobetrieb gemäß §§ 84a ff GewO[8] sind, kann es durch die Neueinstufung zu einer Verschiebung/Erhöhung der in Anlage 5 genannten Mengen kommen und der Betrieb von einem Betrieb der unteren Klasse zu einem der oberen Klasse werden. Ändern sich die Mengen der im Betrieb gelagerten gefährlichen Stoffe, ist der Behörde davon Mitteilung zu erstatten. Bei einer Änderung der Einstufung sind die neuen Anforderungen zu beachten, insbesondere ist ein Sicherheitsbericht gemäß § 84f GewO [9] zu erstellen.

Grundsätzlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Unternehmen durch eine Änderung einer Einstufung erstmalig zum Sevesobetrieb wird. Hier empfehlen wir dringend, dass Sie Ihre Wirtschaftskammer vor Ort oder die zuständige Behörde zwecks weiterer Vorgehensweise kontaktieren. Der Seveso-Status kann – wenn möglich – auch durch den Einsatz eines Ersatzstoffes vermieden werden.


[1] EU-Verordnung EG Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of substances and mixtures); Mehr dazu im CLP-Leitfaden

[2] EU-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe; Mehr dazu im REACH-Leitfaden

[3] Registrierungsdossier (öffentliche Teile): https://echa.europa.eu/registration-dossier/-/registered-dossier/15881

[4] Eine Übersicht zu den Verpflichtungen im Giftrecht finden Sie im Merkblatt: Vorschriften zum Umgang mit Giften.

[5] Siehe § 4 GiftV2000

[6] Die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) kennt Tätigkeiten, für die die Unternehmerin/der Unternehmer einen Befähigungsnachweis erbringen muss und solche Tätigkeiten, für deren Ausübung kein Befähigungsnachweis erforderlich ist. Befähigungsnachweispflichtige Gewerbe werden reglementierte Gewerbe genannt. 

[7] Bei bestimmten Gewerben ist die Zuverlässigkeit der Antragstellerin/des Antragstellers zu prüfen. Diese Gewerbe dürfen erst mit Rechtskraft des Feststellungsbescheids ausgeübt werden. Bei der Anmeldung wird geprüft, ob die Anmelderin/der Anmelder die zur Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, d.h. es dürfen keine schwerwiegenden Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen (insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes) vorliegen.
§ 95 Gewerbeordnung 1994 listet die sogenannten § 95-Gewerbe (Zuverlässigkeitsgewerbe) vollständig auf.

[8] Die Seveso-III-Richtlinie enthält Vorschriften für Anlagen, in denen größere Mengen gefährlicher Chemikalien oder Abfälle mit besonders gefährlichen Eigenschaften vorhanden sein können. Das kann zB Anlagen zur Herstellung, Verarbeitung oder Lagerung chemischer Produkte oder zur Abfallbehandlung betreffen.

[9] http://www.rechteinfach.at/gesetze/GewO/84f.html

Stand: 12.06.2019

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