Ein Mann in Schutzausrüstung mit Schweißgerät hebt das Visier seines Helms und lächelt direkt in die Kamera
© Christian Vorhofer | WKO

Industrieunfallrecht

Überblick

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Die EU-Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen („Seveso III-Richtlinie“) bezweckt die Verhütung von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen und die Begrenzung der Unfallfolgen für Mensch und Umwelt, um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Schwere Industrieunfälle haben oft schwerwiegende Folgen, wie insbesondere die Unfälle in Seveso, Bhopal, Schweizerhalle, Enschede, Toulouse und Buncefield zeigen.

In Österreich erfolgte die Umsetzung zentral in der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), deren Abschnitt 8a durch die so genannte „Seveso III-Novelle“, BGBl. I Nr. 81/2015, einer tiefgreifenden Novellierung unterzogen wurde, sowie ergänzend dazu durch die Neuerlassung der Industrieunfallverordnung 2015, BGBl. II Nr. 229/2015. Für Seveso-Anlagen, die dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen 2013 (EG-K 2013), dem Mineralrohstoffgesetz (MinroG) oder dem Luftfahrtgesetz unterliegen, gelten die gewerberechtlichen Bestimmungen sinngemäß. Abfallbehandlungsanlagen werden in den §§59a bis 59m Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sowie der Abfall-Industrieunfallverordnung (A-IUV) separat geregelt.

Die früher auf die GewO 1994 und das Umweltinformationsgesetz (UIG) aufgeteilten Regelungen zur Information der Öffentlichkeit werden nunmehr im UIG (Novelle BGBl. I Nr. 95/2015) und der Störfallinformationsverordnung (StIV) für alle bundesrechtlich geregelten Seveso-Anlagen einheitlich zusammengefasst. Die bisherigen Bestimmungen in der GewO 1994 und in der Industrieunfallverordnung entfielen daher.

Betroffene Anlagen

Das Industrieunfallrecht gilt für alle Betriebe, in denen bestimmte gefährliche Stoffe vorhanden sind oder bei einem Unfall entstehen können. Maßgebend ist das Überschreiten von Mengenschwellen, die im Anhang I der Seveso III-Richtlinie, in Anlage 5 der GewO 1994 bzw. Anhang 6 des AWG 2002 festgelegt sind.

Ausgangspunkt ist der Begriff „Vorhandensein gefährlicher Stoffe“. Darunter wird das tatsächliche oder das vorgesehene Vorhandensein verstanden. Ausschlaggebend ist der jeweilige Genehmigungskonsens.

In Anhang I der Richtlinie, Anlage 5 der GewO 1994 bzw. Anhang 6 des AWG 2002 findet man nunmehr im Teil 1 die entsprechend der CLP-Verordnung überarbeiteten „Gefahrenkategorien von gefährlichen Stoffen“ und im Teil 2 die „namentlich aufgeführten gefährlichen Stoffe“. Anhang 5 GewO 1994 entspricht 1:1 dem Anhang I der Seveso III-Richtlinie.

Durch die Seveso III-Richtlinie wurde der Geltungsbereich breiter definiert, sodass nun auch an Land gelegene unterirdische Gasspeicheranlagen in natürlichen Erdformationen, Aquiferen, Salzkavernen und stillgelegten Minen und chemische und thermische Aufbereitungsmaßnahmen und die mit diesen Maßnahmen in Verbindung stehende Lagerung, die gefährliche Stoffe umfassen, sowie in Betrieb befindliche Bergebeseitigungseinrichtungen, einschließlich Bergeteichen oder Absatzbecken, die gefährliche Stoffe enthalten, in den Anwendungsbereich des Seveso-Rechts fallen.

Es werden nunmehr „Betriebe der unteren Klasse“ (Schwellwerte in Anhang 5 Teil 1, Spalte 2 und Teil 2, Spalte 2) und „Betriebe der oberen Klasse“ (Schwellwerte in Anhang 5 Teil 1, Spalte 3 und Teil 2 Spalte 3) unterschieden. Betriebe der unteren Klasse haben ein Sicherheitskonzept zu erstellen und der Behörde zu übermitteln. Betriebe der oberen Klasse haben zusätzlich einen Sicherheitsbericht sowie einen internen Notfallplan zu erstellen und der Behörde zu übermitteln.

Unsicherheitsfaktor Selbsteinstufung

Da viele Stoffe nunmehr nicht in der Liste erwähnt sind, ist es im Interesse der Unternehmen, sich die Stoffliste genau anzuschauen und dann zu überprüfen, ob sie noch ein Seveso-Betrieb sind oder nicht. Auch ist zu erwarten, dass mehr Betriebe mit wassergefährdenden Stoffen in den Geltungsbereich des Seveso-Rechtes fallen werden.

Neuer / bestehender / sonstiger Betrieb

Für die Anwendung des Abschnitts 8a der GewO 1994 wird unterschieden zwischen „neuer Betrieb“, „bestehender Betrieb“ und „sonstiger Betrieb“.

„Neue Betriebe“ sind jene, die am oder nach dem 1. Juni 2015 errichtet oder in Betrieb genommen werden, aufgrund von Änderungen des Verzeichnisses gefährlicher Stoffe neu unter den Abschnitt 8a fallen, oder aufgrund von Änderungen im Verzeichnis gefährlicher Stoffe von einem Betrieb der unteren Klasse zu einem Betrieb der oberen Klasse werden oder umgekehrt.

„Bestehende Betriebe“ sind Betriebe, die nach der zum 31. Mai 2015 geltenden Rechtslage unter das Industrieunfallrecht gefallen sind und ab 1. Juni ohne Änderung der Einstufung der gefährlichen Stoffe weiterhin unter diesen Abschnitt fallen. Für diese Betriebe gab es eine Reihe von Übergangsbestimmungen, sie mussten ihre Verpflichtungen aber im Wesentlichen bereits bis 1. Juni 2016 erfüllen. 

„Sonstige Betriebe“ sind Betriebe, die ab dem 1. Juni 2015 aus anderen Gründen unter das gewerbliche Industrieunfallrecht fallen oder von einen Betrieb der unteren Klasse zu einen Betrieb der oberen Klasse werden oder umgekehrt. Sonstige Betriebe müssen Sicherheitsberichte binnen zwei Jahren und interne Notfallpläne innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt erstellen, zu dem sie in den Geltungsbereich des gewerblichen Industrieunfallrechts fallen.

Stand: 01.04.2024