Reverse Charge im Sekundärrohstoffbereich
Informationen zu den umsatzsteuerlichen Bestimmungen
Lesedauer: 6 Minuten
Ein Umsatz liegt vor, wenn ein Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen (Dienstleistungen) im Inland gegen Entgelt erbringt. Im Allgemeinen schuldet dafür der Unternehmer, der Waren oder Dienstleistungen verkauft, die Umsatzsteuer. In manchen Fällen geht jedoch die Steuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger (Abnehmer) über. Man nennt dies Übergang der Steuerschuld bzw. Reverse Charge System (RCS).
Ursprünglich war das RCS nur für bestimmte innergemeinschaftliche Dienstleistungen vorgesehen. Im Laufe der Jahre wurde der Anwendungsbereich jedoch nach und nach ausgeweitet. Seit 1. Juli 2007 gilt das RCS auch in gewissem Umfang im Sekundärrohstoffbereich. Die Anwendungsvoraussetzungen und der Geltungsumfang sind in der Umsatzsteuer-Schrottverordnung geregelt.
Hinweis:
Zum Übergang der Steuerschuld kann es nur bei solchen Umsätzen kommen, bei denen der leistende Unternehmer ohne RCS Umsatzsteuer zahlen müsste. Entsteht keine Steuerschuld, kann auch keine Steuerschuld übergehen.
Dies gilt beispielsweise für
- Umsätze im Ausland
- Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen
- Steuerfreie Ausfuhrlieferungen
- Steuerfreie Umsätze von Kleinunternehmern
Das RCS gilt auch nicht für Lieferungen und Leistungen von pauschalierten Land- und Forstwirten.
Für welche Gegenstände gilt die Umsatzsteuer-Schrottverordnung?
Die vom RCS erfassten Gegenstände werden auf dieser Seite als „Sekundärrohstoffe“ bezeichnet.
Die vom RCS erfassten Gegenstände sind in der Anlage zur Umsatzsteuer-Schrottverordnung enthalten. Zwecks weitgehender Vermeidung von Abgrenzungs- und Vollziehungsschwierigkeiten werden die Sekundärrohstoffe nach den Zolltarifpositionen der Kombinierten Nomenklatur definiert. Die Liste der Sekundärrohstoffe, für die das Reverse Charge System möglich ist, finden Sie im Anhang.
Seit 1.10.2012 gilt das RCS auch für Bruchgold und andere Edelmetalle, die offensichtlich nicht mehr dem ursprünglichen Zweck entsprechend wiederverwendet werden sollen, sowie aus solchen Stoffen hergestellte Barren oder Granulate. Unter Bruchgold ist jeglicher Goldschmuck, sowie sonstige Objekte aus Gold, die zerbrochen, zerstört oder beschädigt sind und somit nicht mehr für den ursprünglichen Zweck verwendet werden können, zu verstehen. Darunter fallen beispielsweise alte Ketten, Ringe und andere nicht mehr getragene Schmuckgegenstände, Besteck, Münzen, goldene Federspitzen, defekte Goldbarren, aber auch Zahngoldabfälle (auch Dentallegierungen) und sonstige Edelmetallreste in jeder Form.
Für welche Umsätze gilt das Reverse Charge System?
Lieferung von Sekundärrohstoffen
Der Verkauf von Sekundärrohstoffen an Unternehmer unterliegt jedenfalls dem RCS.
Sonderfall: Lieferung von Verbundstoffen
Verbundstoffe sind nicht mehr gebrauchsfähige einheitliche Gegenstände, die teilweise aus Sekundärrohstoffen und teilweise aus anderen Stoffen bestehen. Die Anwendbarkeit des RCS ist nach dem Überwiegensgrundsatz zu beurteilen. Wird das Entgelt überwiegend für die im Verbundstoff enthaltenen Sekundärrohstoffe gezahlt, kommt es zur Gänze zum Übergang der Steuerschuld. Im umgekehrten Fall ist die Lieferung zur Gänze steuerpflichtig.
Nach Ansicht des Finanzministeriums darf bei nicht mehr gebrauchsfähigen Maschinen, Elektro- und Elektronikgeräten, Heizkessel und bei Autowracks davon ausgegangen werden, dass es sich um Verbundstoffe handelt, die von der Umsatzsteuer-Schrottverordnung erfasst sind.
Dienstleistungen an Sekundärrohstoffen
Auch bestimmte Dienstleistungen, die sich auf Sekundärrohstoffe beziehen, fallen in das RCS. Es geht dabei um die Leistungen des Sortierens, Zerschneidens, Zerteilens einschließlich Demontage und Pressen von Sekundärrohstoffen. Die Aufzählung der Dienstleistungen ist taxativ. Für andere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sekundärrohstoffen gilt das RCS nicht. Von der Umsatzsteuer-Schrottverordnung nicht erfasst sind daher beispielsweise folgende Leistungen:
- Containervermietung
- (bloßes) Sammeln von Sekundärrohstoffen
- (bloße) Beförderung von Sekundärrohstoffen
- Entgegennahme (Entsorgung) von Sekundärrohstoffen
Beziehen sich die in der Schrottverordnung aufgezählten Dienstleistungen sowohl auf Sekundärrohstoffe als auch auf andere Altstoffe, kommt es dann insgesamt zum Übergang der Steuerschuld, wenn sich die Dienstleistungen überwiegend auf die Sekundärrohstoffe beziehen.
Beispiel:
Sortieren von überwiegend von der Schrottverordnung erfasster Verpackungsabfälle.
Werden verschiedene Dienstleistungen erbracht, die nur teilweise unter die USt-Schrottverordnung fallen und wird dafür ein einheitliches Entgelt verrechnet, kann nach Ansicht des Finanzministeriums von einer einheitlichen Leistung ausgegangen werden. Zum Übergang der Steuerschuld kommt es in diesen Fällen dann, wenn die in der Schrottverordnung genannten Dienstleistungen wertmäßig überwiegen.
Bei Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit der Lieferung von Sekundärrohstoffen bzw. im Zusammenhang mit Dienstleistungen an Sekundärrohstoffen handelt es sich in der Regel um unselbständige Nebenleistungen. In diesem Fall gilt auch für die Beförderungsleistung das RCS, wenn für die Hauptleistung (Lieferung, Dienstleistung) das RCS gilt.
Beispiel:
Ein Unternehmer U verkauft an einen anderen Unternehmer W Altpapier und verrechnet für das Altpapier 2.000 EUR sowie für den Transport 250 EUR. Es kommt sowohl für die Lieferung des Altpapiers (Sekundärrohstoff Zolltarifnummer 4707) als auch für die Beförderungsleistung (unselbständige Nebenleistung) zum Übergang der Steuerschuld.
Beispiel:
Der Unternehmer U übernimmt vom Unternehmer W den Auftrag Altpapier zu zerschneiden und zu pressen. Zu diesem Zweck holt er vom Auftraggeber das Altpapier ab und retourniert nach Erbringung der Leistung das gepresste Papier an den Auftraggeber. Er verrechnet für das Zerkleinern und Pressen 3.000 EUR und für die Beförderung 400 EUR. In diesem Fall ist die Beförderungsleistung eine unselbständige Nebenleistung zum Zerkleinern und Sortieren. Da es sich bei diesen Dienstleistungen um solche nach der Umsatzsteuer-Schrottverordnung handelt, kommt es sowohl für die Leistung des Zerkleinerns und Pressens als auch für die unselbständige Beförderungsleistung zum Übergang der Steuerschuld.
Leistungsempfänger muss Unternehmer sein
Schließlich kommt es zum Steuerschuldübergang nur dann, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist.
Beachte: Zum Übergang der Steuerschuld kommt es auch dann, wenn der Leistungsempfänger ein ausländischer Unternehmer ist.
Rechnungslegung und Umsatzsteuervoranmeldung (UVA)
Bei Umsätzen, für die das RCS gilt, darf der leistende Unternehmer keine Umsatzsteuer verrechnen. Auf der Rechnung müssen folgende Zusatzangaben gemacht werden:
- UID-Nr. des Leistungsempfängers (unabhängig von der Höhe des Rechnungsbetrages)
und
- Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (z.B. „Der Rechnungsbetrag enthält keine Umsatzsteuer - die Steuer wird gemäß § 19 Abs. 1d UStG in Verbindung mit der USt-Schrottverordnung vom Leistungsempfänger geschuldet“).
Wenn Sie leistender Unternehmer sind, müssen Sie die „Reverse Charge Ausgangsumsätze“ in der UVA bei der Kennzahl 000 eintragen und bei der Kennzahl 021 wieder abziehen.
Wenn Sie Leistungsempfänger sind, müssen Sie die Umsatzsteuer von den „Reverse Charge Eingangsumsätzen“ selbst berechnen (in der Regel 20 %). Sie müssen die selbstberechnete Umsatzsteuer in der UVA bei der Kennzahl 032 eintragen und dürfen sie - falls Sie vorsteuerabzugsberechtigt sind- gleichzeitig bei der Kennzahl 089 als Vorsteuer wieder abziehen.
Sekundärrohstoffe - Anlage (zu § 2 Z 1)
Nr. und Bezeichnung der Gegenstände | Position der Kombinierten Nomenklatur |
---|---|
1. Granulierte Schlacke (Schlackensand) aus der Eisen- und Stahlherstellung | 2618 00 00 |
2. Schlacken (ausgenommen granulierte Schlacke), Zunder und andere Abfälle der Eisen- und Stahlherstellung | 2619 00 |
3. Schlacken, Aschen und Rückstände (ausgenommen solche der Eisen- und Stahlherstellung), die Metalle, Arsen oder deren Verbindungen enthalten | 2620 |
4. Abfälle, Schnitzel und Bruch von Kunststoffen | 3915 |
5. Abfälle, Bruch und Schnitzel von Weichkautschuk, auch zu Pulver oder Granulat zerkleinert | 4004 00 00 |
6. Papier oder Pappe (Abfälle und Ausschuss) zur Wiedergewinnung | 4707 |
7. Lumpen, aus Spinnstoffen; Bindfäden, Seile, Taue und Waren daraus, aus Spinnstoffen, in Form von Abfällen oder unbrauchbar gewordenen Waren | 6310 |
8. Bruchglas und andere Abfälle und Scherben von Glas | 7001 00 10 |
9. Abfälle und Schrott von Edelmetallen oder Edelmetallplattierungen; andere Abfälle und Schrott, Edelmetalle oder Edelmetallverbindungen enthaltend, von der hauptsächlich zur Wiedergewinnung von Edelmetallen verwendeten Art | 7112 |
10. Abfälle und Schrott aus Eisen oder Stahl; Abfallblöcke aus Eisen oder Stahl | 7204 |
11. Abfälle und Schrott aus Kupfer | 7404 00 |
12. Abfälle und Schrott aus Nickel | 7503 00 |
13. Abfälle und Schrott aus Aluminium | 7602 00 |
14. Abfälle und Schrott aus Blei | 7802 00 00 |
15. Abfälle und Schrott aus Zink | 7902 00 00 |
16. Abfälle und Schrott aus Zinn | 8002 00 00 |
17. Abfälle und Schrott aus Wolfram | 8101 97 00 |
18. Abfälle und Schrott aus Molybdän | 8102 97 00 |
19. Abfälle und Schrott aus Tantal | 8103 30 00 |
20. Abfälle und Schrott aus Magnesium | 8104 20 00 |
21. Abfälle und Schrott aus Kobalt | 8105 30 00 |
22. Abfälle und Schrott aus Bismut | ex 8106 00 10 |
23. Abfälle und Schrott aus Cadmium | 8107 30 00 |
24. Abfälle und Schrott aus Titan | 8108 30 00 |
25. Abfälle und Schrott aus Zirconium | 8109 30 00 |
26. Abfälle und Schrott aus Antimon | 8110 20 00 |
27. Abfälle und Schrott aus Mangan | 8111 00 19 |
28. Abfälle und Schrott aus Beryllium | 8112 13 00 |
29. Abfälle und Schrott aus Chrom | 8112 22 00 |
30. Abfälle und Schrott aus Thallium | 8112 52 00 |
31. Abfälle und Schrott aus Niob (Columbium), Rhenium, Gallium, Indium, Vanadium und Germanium | 8112 92 21 |
32. Abfälle und Schrott aus Cermets | 8113 00 40 |
33. Abfälle und Schrott von elektrischen Primärelementen, Primärbatterien und Akkumulatoren; ausgebrachte elektrische Primärelemente, Primärbatterien und Akkumulatoren | 8548 10 |
Stand: 01.03.2023