Mindestbesteuerungsgesetz
Was multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gesellschaften ab 31.12.2023 beachten müssen
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Multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gesellschaften müssen für Wirtschaftsjahre ab 31.12.2023 das MinBestG beachten, das eine Besteuerung aller Unternehmenseinheiten mit mindestens 15 % sicherstellen soll.
Aufgrund einer EU-Richtlinie musste Österreich bis Ende 2023 das Mindestbesteuerungsgesetz (MinBestG) umsetzen. Diese basiert auf dem OECD-Vorschlag zu Säule 2, auf den sich im Oktober 2021 137 Staaten und Gebiete (OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)) geeinigt haben.
Ab 2024 – genauer gesagt für Geschäftsjahre ab 31.12.2023 - unterliegen daher multinationale Unternehmensgruppen und in Österreich gelegene Geschäftseinheiten, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, einer Mindeststeuer von 15 %. Voraussetzung ist, dass deren jährliche Umsatzerlöse gemäß Konzernabschluss (konsolidierter Jahresabschluss) der Muttergesellschaft in mindestens zwei von vier vorangegangenen Geschäftsjahren zumindest 750 Mio. Euro betragen haben. Betroffen sind ca. 6500 Geschäftseinheiten und ca. 120 Unternehmensgruppen mit Sitz in Österreich. Als Geschäftseinheiten werden sowohl Tochtergesellschaften als auch Betriebsstätten bezeichnet.
Ausgenommen sind staatliche Einheiten, internationale Organisationen, Non-Profit-Organisationen, Pensionsfonds sowie Investmentfonds und Immobilieninvestmentvehikel, die oberste Muttergesellschaft sind.
Pro Jurisdiktion, in der eine Geschäftseinheit ihren Sitz hat, muss zunächst die effektive Steuerbelastung festgestellt werden. Der Effektivsteuersatz wird dann mit dem Mindeststeuersatz von 15 % verglichen und sollte dieser weniger als 15 % betragen, so fällt in Höhe der Differenz die so genannte Ergänzungssteuer (Top-Up Tax) [1] an.
Das MinBestG unterscheidet zwischen folgenden Erhebungsformen der Ergänzungssteuer: Primär-, Sekundär- und Nationale Ergänzungssteuer (PES, SES, NES).
Die PES (Qualified Domestic Minimum Top-Up Tax, kurz QDMTT) ist die primäre Erhebungsform der Ergänzungssteuer und soll in jenem Staat abgeführt werden, in dem die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz hat. Sie betrifft ausschließlich grenzüberschreitende Konstellationen und kommt immer dann zur Anwendung, wenn eine inländische Muttergesellschaft an einer niedrigbesteuerten, ausländischen Geschäftseinheit beteiligt ist.
Die NES (Income Inclusion Rule) dient dazu, dass sich der Ansässigkeitsstaat einer Geschäftseinheit eine Ergänzungssteuer sichern kann, wenn diese mit einem effektiven Steuersatz von unter 15 % besteuert ist. Die NES fällt daher für österreichische Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe in jenen Fällen an, in denen der Effektivsteuersatz unter 15 % liegt.
Exkurs: Eine Reduktion des Effektivsteuersatzes ergibt sich in bestimmten Fällen, in denen der für Zwecke der Körperschaftsteuer ermittelte Gewinn niedriger ist als der Mindeststeuer-Gewinn. Das kann insbesondere bei der steuerfreien Forschungsprämie, bei der Verwertung von Auslandsverlusten im Rahmen der Gruppenbesteuerung, bei der steuerlichen Behandlung von Dividenden aus Portfoliobeteiligungen sowie bei Gewinnen und Verlusten aus nationalen Beteiligungen und optierten internationalen Schachtelbeteiligungen der Fall sein.
Die SES (Undertaxed Profit Rule) dient zur Sicherstellung, dass es zur Einhebung einer Mindeststeuer kommt, wenn in einem anderen Staat weder die PES- noch die NES-Regelung zur Anwendung kommt und die zu einer österreichischen Gruppe gehörende, im anderen Staat ansässige Geschäftseinheit niedrig besteuert ist. Diese Bestimmung ist ein Auffangmechanismus und soll (mit Ausnahmen) erst für Wirtschaftsjahre, die ab dem 31.12.2024 beginnen, zur Anwendung kommen. Außerdem gibt es eine auf fünf Jahre befristete Befreiung von der SES für multinationale Unternehmensgruppe in der Anfangsphase ihrer internationalen Tätigkeit.
Die Ermittlung des Effektivsteuersatzes und der Ergänzungssteuer:
Der Effektivsteuersatz einer Unternehmensgruppe muss für jedes Steuerhoheitsgebiet extra ermittelt werden. Dafür müssen der Mindeststeuer-Nettogewinn oder-verlust sowie der Betrag der angepassten erfassten Steuern pro Geschäftseinheit errechnet werden. Pro Jurisdiktion werden dann die Mindeststeuer-Nettogewinne oder-verluste und die Beträge der angepassten erfassten Steuern aller Geschäftseinheiten der multinationalen Gruppe in dem Staat addiert und in folgende Formel gestellt:
- Gesamtbetrag der angepassten erfassten Steuern÷Mindeststeuer Nettogewinn oder Nettoverlust=Effektivsteuersatz
Falls der Effektivsteuersatz unter 15 % liegt, ergibt sich aus der Differenz der Ergänzungssteuersatz.
- 15 %-Effektivsteuersatz=Ergänzungssteuersatz
Der Ergänzungssteuersatz ist dann mit dem so genannten Übergewinn im Steuerhoheitsgebiet zu multiplizieren, wodurch sich der Ergänzungssteuerbetrag, der in dem jeweiligen Staat zu zahlen ist, ergibt. Der Übergewinn ergibt sich aus dem Mindeststeuer-Nettogewinn einer Jurisdiktion abzüglich eines Substanzfreibetrages (siehe dazu später).
Man berechnet daher pro Jurisdiktion:
Ergänzungssteuersatz x Übergewinn | |
---|---|
+ | zusätzlicher Ergänzungssteuerbetrag |
- | NES-Beträge eines anderen Steuerhoheitsgebietes |
+ | Nicht fristgerecht entrichtete NES-Beträge eines anderen Steuerhoheitsgebietes |
= | Ergänzungssteuerbetrag einer Jurisdiktion |
Wie oben dargestellt, kürzen die in einem anderen Staat gezahlten NES-Beträge die Steuerschuld in Österreich, das ist eine Art Anrechnungssystem (NES bzw. QDMTT-Safe Harbour).
Ermittlung des Mindeststeuer Gewinns
Bei der Ermittlung des Mindeststeuer Gewinns pro Jurisdiktion (jurisdictional blending) ist der Ausgangspunkt der Jahresüberschuss oder-fehlbetrag der jeweiligen Geschäftseinheit, erhöht und vermindert um bestimmte Posten, die im MinBestG explizit aufgezählt und erläutert sind.
Die Mindeststeuer Mehr-Weniger-Rechnung sieht eine Anpassung (+/-) von Jahresüberschuss- oder -fehlbetrag um folgende Posten vor:
- Nettosteueraufwand/-ertrag,
- ausgenommene Dividenden,
- ausgenommene Verluste/Gewinne aus Eigenkapitalbeteiligungen,
- Gewinne/Verluste aus der Anwendung der Neubewertungsmethode auf Sachanlagen,
- ausgenommene Verluste/Gewinne aus der Veräußerung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten,
- asymmetrische Wechselkursgewinne/-verluste,
- nicht abzugsfähige Aufwendungen,
- Fehler aus der Vorperiode und Änderungen der Rechnungslegungsgrundsätze,
- Korrekturposten Pensionsaufwand,
- qualifizierte Sanierungsgewinne,
- Anpassungsbeträge aufgrund des Wahlrechts für aktienbasierte Vergütungen,
- Anpassungsbeträge aufgrund des Fremdvergleichsgrundsatzes,
- Anpassungsbeträge für Steuergutschriften,
- Anpassungsbeträge aufgrund des Wahlrechts zur Anwendung des Realisationsprinzips,
- Anpassungsbeträge aufgrund des Verteilungswahlrechts für unbewegliches Vermögen,
- Aufwendungen für gruppeninterne Finanzierungsvereinbarungen,
- Anpassungsbeträge aufgrund des Wahlrechts zur Anwendung von Konsolidierungsgrundsätzen,
- Anpassungsbeträge für bestimmte Erträge und Aufwendungen von Versicherungseinheiten,
- Anpassungsbeträge für zusätzliches Kernkapital,
- ausgenommene Verluste/Gewinne aus dem internationalen Seeverkehr,
- Beträge aufgrund der Zuordnung der Gewinne oder Verluste zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und
- Beträge aufgrund der Zurechnung der Gewinne oder Verluste einer transparenten Einheit.
Ermittlung der „angepassten erfassten Steuern“
Ausgangspunkt für die Ermittlung der angepassten erfassten (Ertrags-/Gewinn-) Steuern sind, die im Jahresüberschuss der Geschäftseinheit berücksichtigten laufenden sowie latenten Steuern. Zusätzlich sieht das Gesetz weitere Anpassungen vor um den laufenden und latenten Steueraufwand an die Vorgaben des MinBestG bezüglich angepasster erfasster Steuern anzugleichen. Besonders erwähnt sei hier die Kürzung um Steueraufwand, der nicht binnen drei Jahren nach Ende des Geschäftsjahres entrichtet wird.
Achtung:
Bereits bei Erstellung von Abschlüssen zum 31.12.2023 sollte man darüber nachdenken, welche Maßnahmen gesetzt werden sollten, um sicherzustellen, dass latente Steuern, die zum 31.12.2023 bestanden haben, im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung verwertet werden können. Nur so kann auch der Betrag der „angepassten erfassten Steuern“ entsprechend adaptiert werden. Eine entsprechende Dokumentation kann im Rahmen der Erstellung von Abschlüssen zum 31.12.2023 durch eine zusätzliche Anhangangabe oder durch Anpassung des Reporting Packages erfolgen. Andernfalls kann es zu erheblichen Verzerrungen des Effektivsteuersatzes und allenfalls zum Entstehen einer vermeidbaren Steuerlast aufgrund des MinBestG kommen.
Substanzfreibetrag
Der Mindeststeuer Nettogewinn eines jeden Steuerhoheitsgebietes (für alle in dem Gebiet gelegenen Geschäftseinheiten) soll um einen Freibetrag für wirtschaftlich substanzielle Tätigkeiten gekürzt werden. Der Substanzfreibetrag kann für Geschäftsjahre ab 2023 abgezogen werden und beträgt 10 % der berücksichtigungsfähigen Lohnkosten für berücksichtigungsfähige Beschäftigte und 8 % für berücksichtigungsfähige materielle Vermögenswerte. Die genannten Prozentsätze sinken jährlich bis zum Jahr 2032.
Safe-Harbour-Regelungen
Das sind Ausnahmebestimmungen, die für die Praxis sehr bedeutsam sein werden. Auf Antrag der Unternehmensgruppe wird bei Erfüllung der Voraussetzungen die Ergänzungssteuer für das Steuerhoheitsgebiet auf null reduziert, d.h. für dieses Land fällt dann keine Mindeststeuer an. Für jedes Geschäftsjahr soll pro Steuerhoheitsgebiet jeweils nur eine der Safe-Harbour-Regelungen in Anspruch genommen werden können.
Die grundsätzliche Pflicht zur Einreichung eines Mindeststeuerberichts bleibt aber trotz Gewährung eines Safe-Harbour bestehen.
Der NES-Safe-Harbour sieht – wie oben beschrieben – eine Kürzung der in Österreich zu entrichtenden NES bis auf null vor, wenn in ausländischen Jurisdiktionen bereits anerkannte Ergänzungssteuern gezahlt wurden.
Es gibt eine vereinfachte Berechnung für unwesentliche Geschäftseinheiten, die auch permanent gelten soll.
Der temporäre CbCR (Country by Country Reporting) Safe-Harbour sieht eine vereinfachte Berechnung anhand eines länderbezogenen Berichts vor. Dieser gilt nur für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2027 beginnen und vor dem 1.7.2028 enden.
Des Weiteren ist auch ein temporärer SES-Safe-Harbour vorgesehen. Für Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31.12.2025 beginnen, aber vor dem 31.12.2026 enden, wird die Ergänzungssteuer auf null reduziert, wenn der nominelle Körperschaftsteuersatz mindestens 20 % beträgt.
Damit der Ergänzungssteuerbetrag für das jeweilige Steuerhoheitsgebiet auf null reduziert wird, muss zumindest einer der drei folgenden Tests erfüllt sein.
De-minimis-Test:
- Mindetssteuer Umsatzerlöse <10 Mio.Euro und Mindeststeuer Nettogewinn <1 Mio.Euro
Effektivsteuersatz-Test:
- Effektivsteuersatz ≥Mindeststeuersatz (bzw.höherer Referenzsteuersatz bei CbCR Safe Harbour)
Bei der Effektivsteuersatzermittlung hinsichtlich unwesentlicher Geschäftseinheiten kann die vereinfachte Berechnung in Anspruch genommen werden, für sämtliche andere Geschäftseinheiten aber müssen die allgemeinen Regeln zur Anwendung kommen. Für Geschäftsjahre während des Übergangszeitraums ist die vereinfachte Berechnung für alle Geschäftseinheiten anzuwenden. In diesem Fall ist der höhere Referenzsteuersatz zu erreichen.
Routinegewinn-Test:
- Mindeststeuer Nettogewinn ≤ Substanzfreibetrag
Für unwesentliche Geschäftseinheiten kann im Zusammenhang für die Ermittlung des Mindeststeuer Nettogewinns die vereinfachte Berechnung in Anspruch genommen werden, für die Ermittlung der Mindeststeuer-Gewinne oder -Verluste anderer Geschäftseinheiten und für die Ermittlung des Substanzfreibetrages kommen aber die allgemeinen Regeln zur Anwendung. Für Geschäftsjahre während des Übergangszeitraums ist die vereinfachte Berechnung für alle Geschäftseinheiten anzuwenden.
Die Verpflichtung zur Abgabe des Mindeststeuerberichts beim Finanzamt für Großbetriebe trifft grundsätzlich jede in Österreich gelegene Geschäftseinheit.
Die Verpflichtung kann aber von allen Geschäftseinheiten gemeinsam auf eine andere in Österreich gelegenen Geschäftseinheit derselben Unternehmenseinheit mittels Vollmacht übertragen werden. Die Verpflichtung kann auch auf eine ausländische oberste Muttergesellschaft übertragen werden, wenn mit dem Sitzstaat ein Abkommen zum grenzüberschreitenden automatischen Informationsaustausch besteht. Die Frist zur Abgabe des Mindeststeuerberichts beträgt 15 Monate nach dem Ende des Geschäftsjahres (bzw. 18 Monate bei Übergangsjahren). Der erste Mindeststeuerbericht ist daher bis Ende Juni 2026 für das Geschäftsjahr 2024 beim Finanzamt für Großbetriebe einzureichen.
Die Höhe der Strafen, wenn der Mindeststeuerbericht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig an die Finanz übermittelt wird, beträgt 100.000 EUR für Vorsatz und 50.000 EUR für grobe Fahrlässigkeit. Weist die berichtspflichtige Geschäftseinheit nach, dass angemessene Maßnahmen zur Einhaltung der Berichtspflichten ergriffen wurden, kann in aller Regel nicht vom Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Angemessene Maßnahmen liegen beispielsweise vor, wenn im Konzern entsprechende Compliance-Systeme etabliert wurden.
[1] Die englischen Begriffe in Klammer beziehen sich jeweils auf die Bezeichnung, die sich aus dem Säule 2-Modell der OECD ergibt.
Stand: 01.02.2024