Neue EU-Vorgaben zum Nachhaltigkeitsreporting

Chancen und Herausforderungen für Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU)

Lesedauer: 7 Minuten

13.09.2024


Während bisher nur bestimmte Großunternehmen zur Veröffentlichung nicht-finanzieller Berichte verpflichtet waren, scheint nun Bewegung in das Thema rund um die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu kommen. Die allgemeine Verunsicherung ist groß. Welche Unternehmen werden direkt zur Berichterstattung verpflichtet sein? Wann genau sollen die Berichtspflichten gelten? Worüber müssen die Unternehmen berichten? Welche Chancen und Risiken verbergen sich hinter den etwas sperrig anmutenden Begriffen und Vorgaben?


Seit 2017 sind an der Börse gelistete Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen sowie Unternehmen großen öffentlichen Interesses, also Banken und Versicherungen, durch die EU-Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung (im Folgenden NFRD) zur Veröffentlichung nachhaltigkeits-bezogener Unternehmensberichte verpflichtet. In Österreich wurde diese Richtlinie durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (im Folgenden NaDiVeG) in nationales Recht umgesetzt. Die NFRD wird nun überarbeitet und soll durch eine neue EU-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive, im Folgenden CSRD) abgelöst werden. Parallel laufen weitere legislative Initiativen, wie bspw. der EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen – Stichwort: Taxonomie, sowie das in DE ab 1.1.2023 anzuwendende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (im Folgenden LkSG), die sich gegenseitig maßgeblich beeinflussen werden. Viele Fragen hierzu sind noch offen. 

Direkte Betroffenheit – Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen

Die Zahl der Unternehmen, die zukünftig direkt unter die Berichterstattungspflicht fallen werden, wird stark ansteigen. Bisher sind 11.700 Unternehmen in Europa von der Berichterstattungspflicht erfasst. Diese Zahl wird sich nach Schätzungen auf etwa 49.000 erhöhen. In Österreich sind gegenwärtig etwa 125 Unternehmen durch das NaDiVeG zur nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet. Diese Zahl wird sich nach Schätzungen auf etwa 1.700 direkt betroffene Unternehmen erhöhen.  

Die neu anzuwendenden Kriterien im Überblick:

  • Alle großen Kapitalgesellschaften (Umsatz >40 Mio. €, Bilanzsumme >20 Mio. € und/oder >250 Mitarbeiter:innen) und große Kreditinstitute und Versicherungen jeder Rechtsform – bisher nur börsennotierte Großunternehmen > 500 Mitarbeiter:innen bzw. Großunternehmen öffentlichen Interesses
  • Kapitalmarktorientierte KMU ab 2026 – bisher nicht erfasst!

Indirekte Betroffenheit – Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit

Experten weisen allerdings darauf hin, dass für viele Unternehmen neben einer direkten Berichterstattungspflicht auch eine indirekte Betroffenheit durch Begleitregelwerke tragend werden kann. Eine nicht-nachhaltige Beurteilung der Geschäftstätigkeit nach der EU-Taxonomie-Verordnung kann maßgeblichen Einfluss auf Finanzströme haben und dadurch den Zugang zu Kapital erschweren. Außerdem kann die Auftragsvergabe innerhalb der Wertschöpfungskette durch das LkSG beeinflusst werden, wenn Großunternehmen gezwungen sind, auf Nachhaltigkeitsaspekte der Zulieferer zu achten.  



Tipp!

Auch indirekte Betroffenheit kann ein Engagement in Nachhaltigkeitsthemen
notwendig und sinnvoll machen, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen!  

Ebenso kann es für Unternehmen notwendig sein, sich dem Thema Nachhaltigkeit
aus anderen Wettbewerbsgründen zu widmen. Immer höhere Kundenanforderungen
in Richtung Nachhaltigkeit, der aktuelle Fachkräfte- und Mitarbeitermangel, aber auch erhöhtes Innovations- und Ressourcen-einsparungspotential können ein Engagement im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung zur Stärkung des Unternehmenserfolges und als Konkurrenzvorteil notwendig machen.



Die Anwendung der neuen Regelungen erfolgt in vier Phasen:

  • 1.1.2024 CSRD gilt für Unternehmen, die derzeit dem NFRD unterliegen (Anforderungen gelten für Geschäftsjahre, die am/nach dem 1.1.2024 beginnen, erste Reporting 2025 
  • 1.1.2025 CSRD gilt für große Unternehmen, die derzeit nicht dem NFRD unterliegen (GJ 2025, erste Berichterstattung 2026) 
  • 1.1.2026 CSRD gilt für gelistete KMU (Berichterstattung für GJ 1.1.2026, erste Berichterstattung 2027 Opt-out möglich bis 2028) 
  • 1.1.2028 CSRD gilt für Unternehmen aus Drittländern (Anforderungen gelten für GJ ab dem 1.1.2028, erste Berichterstattung im Jahr 2029)

Weitere Unternehmen könnten im Rahmen der Lieferkette und bei Bankgeschäften dazu angehalten sein, über Nachhaltigkeitskriterien zu berichten.

Der Rechtsakt wurde von Rat und dem Europäischen Parlament im November 2022 angenommen. Die CSRD wurde nach der Unterzeichnung durch die Präsidentin des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union am 14.12.2022 veröffentlicht und tritt − 20 Tage danach – mit Anfang Jänner 2023 in Kraft. Die neuen Vorschriften müssen 18 Monate später von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Die CSRD verlangt in Zukunft eine Erklärung, die alle Angaben enthält, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind. Im weiteren Sinne bedeutet dies, dass die Offenlegung der folgenden Punkte erforderlich ist:

  • Klima- und Umweltauswirkungen eines Unternehmens und seiner Lieferkette. 
  • Soziale Auswirkungen und Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. 
  • Klimabezogene Risiken und finanzielle Unsicherheitsfaktoren

Die offengelegten Informationen sollen zukunftsorientierte und rückblickende Informationen sowie qualitative und quantitative Informationen enthalten. Gegebenenfalls auch Informationen über die Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich der eigenen Geschäftstätigkeit, Produkte und Dienstleistungen, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette. Weiterhin müssen Details, die ein Unternehmen aus Gründen des Wettbewerbs nicht nennen will, nicht veröffentlicht werden, wenn das zuständige Mitgliedsland dies erlaubt hat.

Es gilt der Grundsatz der Doppelten Wesentlichkeit (Double Materiality)

Unternehmen müssen darüber berichten, wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf ihre eigene Leistung, Position und Entwicklung auswirken (Outside-in-Perspektive). Gleichzeitig müssen sie auch darüber berichten, wie sich diese Themen auf die Menschen, die Stakeholder und die Umwelt auswirken (Inside-Out-Perspektive). d.h. negative und positive Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt und Chancen und Risiken durch Umfeldveränderungen für das Unternehmen.

Sachverhalte sind als wesentlich einzustufen, wenn sie entweder für den Geschäftserfolg oder aus ökologischen bzw. sozialen Gesichtspunkten wesentlich sind.

Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die die Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) entwirft, hat vor bereits eine erste Reihe von Standards veröffentlicht. Im Juni 2023 sollen die generellen Standards für die Berichterstattung verabschiedet werden, ein Jahr später die Standards für Hochrisiko-Branchen.

Neben einer Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen – sei es direkt oder indirekt, und neben der verbindlichen Anwendung eigener Berichtsstandards, kommen weitere inhaltliche Änderungen auf die Unternehmen zu. Die wichtigsten in Kürze:

  • Nachhaltigkeit als Teil des Lageberichts – kein separater Bericht möglich
  • Verpflichtende externe Prüfung – durch unabhängige Dritte
  • Digitalisierung - Offenlegung in digitalem, maschinenlesbarem Format
  • Spezifizierung der Informationen über die berichtet werden soll
  • Berichterstattung nach verbindlichen EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Als erster Ansprechpartner der oö. Wirtschaftstreibenden bekennt sich die WKOÖ zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung – um dadurch langfristig den Wirtschaftsstandort und die hohe Lebensqualität, auch für zukünftige Generationen, gewährleisten zu können. Die angestrebten Ziele des EU-Green-Deals sind aber nur durch partnerschaftliche Lösungen gemeinsam mit der Wirtschaft erreichbar.

Durch die geplanten Neuregelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen vor allem die Zusatzbelastungen für KMU geringgehalten werden, um die gemeinsam gesteckten Ziele möglichst rasch und wirkungsvoll erreichen zu können. Zusätzliche administrative Belastungen müssen Hand in Hand mit zumindest gleichwertigen Entlastungen gehen.

Parallellaufende legislative Initiativen (v.a. EU-Taxonomie-Verordnung, LkSG), die in enger Verflechtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung stehen, sollen verstärkt aufeinander abgestimmt werden, um Unternehmen insgesamt so wenig wie möglich zu belasten und auch um Banken und Finanzdienstleistern ihre Geschäftstätigkeit so weit wie möglich zu erleichtern.

Europäische Initiativen dürfen in einem globalisierten Marktsystem nicht zu Benachteiligungen heimischer Unternehmen führen. Die angestrebten Ziele können nur im fairen Wettbewerb durch internationales Level-Playing-Field erreicht werden – ein europäischer Alleingang muss vermieden werden.
Um die Innovationskraft der Unternehmen zu erhalten, braucht es eine Aufrechterhaltung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und Technologieoffenheit.

Rechtssicherheit muss für die Betriebe gewahrt sein, um dadurch Planungssicherheit und in weiterer Folge Investitionsbereitschaft aufrechtzuerhalten. Letztere gilt es, unterstützt durch politische Zielsetzungen und Rahmenbedingungen, durch Förderungen und marktwirtschaftliche Anreize zu forcieren.

Die Forderungen der WKOÖ im Überblick:

  • Geringhaltung der Zusatzbelastungen – zumindest gleichwertige Entlastungen
  • Abstimmung legislativer Initiativen
  • Fairer Wettbewerb durch internationales Level-Playing-Field
  • Aufrechterhaltung der Entscheidungsfreiheit und Technologieoffenheit
  • Bewahrung der Rechtssicherheit – für Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft
  • Politische Rahmenbedingungen – Förderungen und marktwirtschaftliche Anreize

Vieles ist in Bewegung rund um das Thema der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Durch neue EU-Rechtsakte wird sich die Zahl direkt als auch indirekt betroffener Unternehmen in naher Zukunft stark erhöhen. 

Anzuwendende Berichtsstandards lassen noch auf sich warten, dennoch gilt eine Orientierung an den bestehenden GRI-Standards als geeignet, um später gut vorbereitet zu sein.

Zusätzlich gibt es weitere inhaltliche Änderungen in der Berichterstattung, wie bspw. die notwendige Integration in den Lagebericht, eine verpflichtende externe Prüfung sowie eine Offenlegung in einem digitalen, maschinenlesbaren Format.

Rasche und effektive Lösungen mit der Wirtschaft als Partner bedürfen geeigneter politischer Rahmenbedingungen. Daher müssen die Forderungen der WKOÖ aufgenommen und berücksichtigt werden.
 
Weiterführende Informationen:


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