Streik in Verkehrsbetrieben und Entgeltfortzahlung
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert nicht
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Durch Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Verkehr werden sehr viele Arbeitswillige daran gehindert, ihre Arbeitsplätze mit öffentlichen Verkehrsmitteln (zumindest rechtzeitig) zu erreichen. Daraus resultiert die Frage, ob Betriebe ihren Mitarbeitern, die an einem solchen Tag nicht zur Arbeit kommen können, das Entgelt trotz unterbliebener Arbeitsleistung fortzahlen müssen.
Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert nicht. Die Rechtsprechung macht die Lösung dieser Frage davon abhängig, ob die Dienstverhinderung
- der Sphäre des Arbeitgebers,
- der Sphäre des Arbeitnehmers,
- oder der neutralen Sphäre
zuzuordnen ist.
Sphäre des Arbeitgebers
Liegt ein Dienstverhinderungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers, besteht bei Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers Anspruch auf Entgeltfortzahlung. In diese Kategorie fallen beispielsweise Arbeitsmängel durch Auftragsrückgänge oder auch Schäden am Betriebsgebäude. Auch die streikbedingte Einstellung eines mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Abholdienstes fällt darunter.
Sphäre des Arbeitnehmers
Dienstverhinderungsgründe, die der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen sind, lösen dann einen Entgeltfortzahlungsanspruch aus, wenn sie wichtige persönliche Gründe darstellen, die vom Arbeitnehmer nicht verschuldet und zeitlich begrenzt sind. Darunter fallen beispielsweise familiäre Beistandspflichten und öffentliche Pflichten, wie Vorladung vor Behörden, Tätigkeit als Schöffe oder Musterung.
Neutrale Sphäre
In die neutrale Sphäre fallen in erster Linie Elementarereignisse, welche die Allgemeinheit treffen. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer durch „höhere Gewalt“ daran gehindert, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Dies hat zur Folge, dass kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.
Nach der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes sind beispielsweise Seuchen, Krieg, Revolution und Terror (der sich nicht nur gegen das Unternehmen richtet) der neutralen Sphäre zuordenbar. Diese Ereignisse treten zwar auf der Seite des Arbeitnehmers ein, treffen aber in ihren Auswirkungen über die Arbeitgebersphäre hinaus die Allgemeinheit.
„Elementarer“ Verkehrsstreik
Ist ein Arbeitnehmer durch streikbedingte Verkehrsstörungen am rechtzeitigen Arbeitsantritt gehindert, so ist zunächst zu prüfen, ob die Verkehrsstörungen die Allgemeinheit treffen und daher in die neutrale Sphäre fallen.
Dies ist der Fall, wenn
- eine große Zahl von Arbeitnehmern
- von einem umfassenden (also nicht lokal begrenzten) Verkehrsstreik
betroffen ist.
Bei einem solchen „elementaren“ Verkehrsstreik entfällt jedenfalls die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers. Kollektivverträge können abweichende Regelungen enthalten.
Beispiel:
Betrifft ein Verkehrsstreik alle oder den überwiegenden Teil der öffentlichen Verkehrsmittel eines Bundeslandes, so sind die dadurch bedingten Dienstverhinderungen in der Regel der neutralen Sphäre zugehörig. Der Arbeitnehmer erhält für die durch den Verkehrsstreik ausgefallene Arbeitszeit kein Entgelt.
„Regionaler“ Verkehrsstreik
Ist nicht die Allgemeinheit, sondern nur eine beschränkte Anzahl
- von Arbeitnehmern und
- von Linien öffentlicher Verkehrsmittel
durch den Verkehrsstreik betroffen, fällt dieses Ereignis in die Sphäre des Arbeitnehmers.
In einem solchen Fall ist zu überprüfen, ob wichtige persönliche Gründe ein Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz rechtfertigen. Solche Gründe sind bei Angestellten nach dem Angestelltengesetz, bei Arbeitern und Lehrlingen nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Auch der Kollektivvertrag kann diesbezügliche Bestimmungen enthalten.
Der Arbeitgeber ist aber selbst im Fall einer begründeten Dienstverhinderung, die der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen ist, nur dann zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wenn kein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegt.
Das Verschulden bei einer streikbedingten Verkehrsstörung ist anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Es besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn
- der Streik vorhersehbar ist und
- der Arbeitsplatz ohne Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel erreicht werden kann.
Beispiele:
Wird ein „regionaler“ Verkehrsstreik durch die Massenmedien wiederholt angekündigt, so ist er als voraussehbar anzusehen. Der Arbeitnehmer ist daher verpflichtet, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen, soweit dies im Einzelfall möglich ist.
Ist es dem Arbeitnehmer bei einem „regionalen“ Verkehrsstreik möglich und zumutbar, den Weg zur Arbeit zu Fuß oder mit einem privaten Fahrzeug zurückzulegen bzw. eine Mitfahrgelegenheit zu nützen, dann ist ein dennoch verspäteter Antritt der Arbeit durch eine streikbedingte Verkehrsstörung verschuldet. Der Arbeitnehmer erhält für die ausgefallene Arbeitszeit kein Entgelt.
Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“
Stand: 31.01.2024