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Verwaltungs­gerichtsbarkeit: Die Be­schwerde gegen Verwaltungs­straf­bescheide

Die Beschwerde gilt als Rechts­mittel, mit dem unter bestimmten Voraus­setzungen ein Straf­bescheid angefochten werden kann

Lesedauer: 6 Minuten

Voraussetzung für die Einbringung einer Beschwerde

Eine Beschwerde richtet sich immer gegen einen nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens ergangenen Strafbescheid (Straferkenntnis). Für Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafverfügungen gilt Gesondertes.

Ein Strafbescheid ist dadurch charakterisiert, dass er von einer Verwaltungsbehörde an eine individuell – konkrete Person in Ausübung der Hoheitsverwaltung ergangen ist und aufgrund einer Übertretung einer Verwaltungsvorschrift eine Sanktion für den Bescheidadressaten vorsieht.

Damit eine Beschwerde gegen einen Verwaltungsstrafbescheid überhaupt inhaltlich geprüft wird, ist es erforderlich, dass kein Rechtsmittelverzicht abgegeben wurde und der Strafbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist (dazu siehe unten).

Wer kann eine Beschwerde erheben? 

Das Rechtsmittel der Beschwerde kann erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Dies trifft grundsätzlich auf den/die Adressaten des Strafbescheides (sog. Beschuldigte/r) zu. Es können aber auch Personen, die nach dem Verwaltungsstrafgesetz oder nach einzelnen Materiengesetzen ein Beschwerderecht haben, ein Rechtsmittel ergreifen. So bestimmt z.B. § 11 Arbeitsinspektionsgesetz (ArbIG), dass das Arbeitsinspektorat als sog. Organpartei das Recht besitzt, gegen Bescheide betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften eine Beschwerde einzubringen. Jener Verwaltungsbehörde, die den Strafbescheid erlassen hat, kommt zwar kein Beschwerderecht, jedoch Parteistellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu.

Nach dem Verwaltungsstrafgesetz haften juristische Personen (z.B. GmbH, AG), eingetragene Personengesellschaften (OG, KG), sowie Einzelunternehmer für Geldstrafen, die über die zur Vertretung nach außen berufenen Personen (z.B. handelsrechtlicher Geschäftsführer, Vorstandsmitglied, persönlich haftender Gesellschafter) oder über die bestellten verantwortlichen Beauftragten verhängt wurden, zur ungeteilten Hand. Aufgrund dieser sog Solidarhaftung kommt auch den oben genannten Gesellschaften bzw. dem Einzelunternehmer (wenn ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wurde) ein Beschwerderecht im Verwaltungsstrafverfahren zu. 

Wo muss man eine Beschwerde einbringen?

Zuständig zur Entscheidung über Beschwerden gegen Strafbescheide sind die Verwaltungsgerichte. Örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht jenes Landes, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. 

Grundsätzlich ist die Beschwerde aber bei jener Behörde einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Tipp:
Eine „Orientierung“ bietet zumeist die Rechtmittelbelehrung, in der unter anderem die Einbringungsbehörde angegeben ist.

Innerhalb welcher Frist ist die Beschwerde einzubringen?

Für die Einbringung der Beschwerde gegen Verwaltungsstrafbescheide besteht grundsätzlich eine 4-wöchige Frist (sofern nicht in den Materiengesetzen Abweichendes vorgesehen ist). Diese Frist beginnt mit der Zustellung, allenfalls mit der mündlichen Verkündung des Strafbescheides zu laufen. Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, so bewirkt dies die Rechtskraft des Bescheides. Eine verspätet eingebrachte Beschwerde ist zurückzuweisen. 

Abweichendes gilt, wenn der Beschuldigte während der oben genannten Beschwerdefrist einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers stellt. In diesem Fall wird die Beschwerdefrist unterbrochen. Der Beschuldigte hat dann einen Anspruch auf Gewährung einer Verfahrenshilfe, wenn er bei eigener Finanzierung der Verteidigungskosten nicht in der Lage wäre, den für eine einfache Lebensführung erforderlichen Unterhalt zu bestreiten und wenn die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers z.B. aufgrund der Komplexität des Falles im Interesse der Verwaltungsstrafrechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung liegt. Wird dem Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers stattgegeben, so beginnt die Beschwerdefrist mit jenem Zeitpunkt neu zu laufen, in dem dem zum Verfahrenshilfeverteidiger bestellten Rechtsanwalt der Bescheid über seine Bestellung und eine Kopie des angefochtenen Strafbescheides zugestellt wird. 

Wie wirkt sich die Beschwerde auf den angefochtenen Strafbescheid aus?

Die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies hat zur Folge, dass die in dem angefochtenen Strafbescheid auferlegte Strafe vorläufig nicht vollstreckt werden kann. 

Für Beschwerden gegen bestimmte Bescheide im Verwaltungsstrafverfahren ist die aufschiebende Wirkung jedoch gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen (z.B. bei Beschwerden gegen Bescheide, in denen eine Sicherheitsleistung auferlegt wurde, bei Beschwerden gegen die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen). 

Welchen Inhalt muss eine schriftliche Beschwerde haben?

Der wesentliche Inhalt einer Beschwerde besteht aus folgenden Teilen:

Beschwerdeerklärung 

In der Beschwerde muss der Strafbescheid, gegen den sich die Beschwerde richtet (z.B. Geschäftszahl), sowie die belangte Behörde (= Behörde, die den Strafbescheid erlassen hat), bezeichnet werden. Des Weiteren müssen Angaben zur Beurteilung der fristgerechten Beschwerdeerhebung erfolgen und ob der gesamte Bescheid oder bloß einzelne Teile davon angefochten werden.

Beschwerdebegründung 

Als Gründe für eine Beschwerde kommen in Betracht:

  • Die Unzuständigkeit der Behörde, die den angefochtenen Strafbescheid erlassen hat 

  • Eine Aktenwidrigkeit: Die im Strafbescheid vorgenommene Sachverhaltsfeststellung steht im Widerspruch zu den Verfahrensakten und diese Widersprüchlichkeit ist von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung der bescheiderlassenden Behörde 

  • Materielle Rechtswidrigkeit: Die bescheiderlassende Behörde wendet eine auf den Sachverhalt „unpassende“ Rechtsnorm an bzw. interpretiert eine Rechtsnorm über ihren Sinngehalt hinaus 

  • Mangelhafte Sachverhaltsfeststellung: Die Behörde hätte weitere Fakten zum Sachverhalt „sammeln“ müssen, damit sie sich ein genaueres Bild von der Sachlage machen hätte können; dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Strafbescheid keine Angaben zum Ort und zum Zeitpunkt der Tat beinhaltet oder keine Ausführungen zum strafbaren Verhalten enthält 

  • Mangelhafte Beweiswürdigung: Die Behörde hat die im Verfahren vorgebrachten Beweise nicht ausreichend berücksichtigt oder bestimmte Beweisanträge nicht weiter verfolgt 

  • Unzweckmäßige Ermessensausübung: Die Behörde hat eine Rechtsnorm, die ihr grundsätzlich Ermessen einräumt, im Verhältnis zum Zweck der Norm zu extensiv ausgelegt (dies kann z.B. dann angeführt werden, wenn die Tatbegehung zwar feststeht, aber die Strafhöhe im Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Tat überproportional hoch ist; nicht Berücksichtigung von Milderungsgründen) 

  • Wesentliche Verfahrensverstöße: Es wurde z.B. gegen elementare Verfahrensrechte wie das Recht auf Akteneinsicht oder das Recht auf Parteiengehör verstoßen;

Antrag (= Begehren): 

Dadurch wird ausgedrückt, was man mit der Beschwerde eigentlich erreichen möchte. Der Antrag kann entweder lauten, dass der angefochtene Strafbescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden soll oder, dass der Bescheid in eine bestimmte Richtung abgeändert werden soll (z.B. Verringerung des Strafausmaßes).

Ebenfalls erforderlich sind Angaben, welche es ermöglichen, zu beurteilen, ob die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist (z.B. Datum der Zustellung/Verkündung des Bescheides).

Beachte:
Es können im Beschwerdeverfahren auch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, die der den Strafbescheid erlassenden Behörde nicht bekannt waren (kein „Neuerungsverbot“!)

Der Begründung der Beschwerde sowie dem Antrag kommt besondere Bedeutung zu, da das Verwaltungsgericht den Strafbescheid nur im Umfang der dargelegten Beschwerdegründe sowie des Antrages prüfen kann. 

Tipp:
Ratsam ist es, vor Abgabe der Beschwerde den Rat einer rechtskundigen Person einzuholen.  

Gang des Verfahrens

Wie im Verwaltungsverfahren ist auch im Verwaltungsstrafverfahren die Behörde, die den Strafbescheid erlassen hat, befugt, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Gegen diese kann ein Vorlageantrag eingebracht werden. 

Bevor das Verwaltungsgericht über die Beschwerde eine Entscheidung trifft, hat es grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung hat nicht stattzufinden, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid aufzuheben ist. Weiters kann das Verwaltungsgericht in einigen im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz aufgezählten Fällen von einer öffentlichen Verhandlung absehen (z.B., wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat).

In dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht ein Beweisverfahren durchzuführen. Das Verwaltungsgericht ist nicht an den von der Behörde festgestellten Sachverhalt gebunden. Vielmehr hat es diesen selbst festzustellen. Das Verwaltungsgericht kann entweder das Straferkenntnis der Behörde bestätigen oder abändern, ein neues Straferkenntnis erlassen, eine Einstellung bestätigen oder nach Aufhebung des Straferkenntnisses das Verfahren einstellen. 

Das Verwaltungsgericht muss im Verwaltungsstrafverfahren - wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen ist – immer in der Sache entscheiden. Es ist im Verwaltungsstrafverfahren nicht befugt, den angefochtenen Bescheid zu kassieren und die Sache an die Unterinstanz zurückzuverweisen. 

Wird ausschließlich vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten eine Beschwerde erhoben, darf keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid (Verbot der „reformatio in peius“). Dies gilt sowohl für das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes als auch für eine allfällige Beschwerdevorentscheidung.

Zu einer Zurückweisung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht kommt es dann, wenn die Beschwerde unzulässig war (z.B., wenn gar kein Bescheid vorliegt) oder die Beschwerde verspätet eingebracht wurde (z.B. die Beschwerdefrist ist abgelaufen).

Besteht ein Anwaltszwang

Grundsätzlich bedarf es zur Einbringung einer Beschwerde gegen einen Verwaltungsstrafbescheid keines Rechtsanwaltes. Zur Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers siehe oben.

Kosten und Gebühren des Beschwerdeverfahrens

Wenn die Beschwerde des Beschuldigten zur Gänze erfolglos bleibt, indem das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis der Behörde bestätigt, dann hat der Beschuldigte einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren zu leisten. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit EUR 10 zu bemessen.

Wenn die Beschwerde des Beschuldigten auch nur teilweise erfolgreich ist (z.B. Herabsetzung der Strafe durch das Verwaltungsgericht), entfällt die Kostentragung durch den Beschuldigten.

Ist die Beschwerde zur Gänze erfolgreich (es kommt zur Aufhebung der verhängten Strafe), dann sind die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen, falls sie schon gezahlt sind, zurückzuerstatten.

Die Einbringung einer Beschwerde gegen Verwaltungsstrafbescheide ist gebührenbefreit.

Stand: 21.06.2024

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