Halbkörperportrait einer Person in Anzug, im Hintergrund spiegelnde Gebäudefassade
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Anwaltspflicht

Wann muss man als Unternehmer einen Rechtsanwalt beiziehen?

Lesedauer: 2 Minuten

Absolute Anwaltspflicht im Zivilverfahren 

In Verfahren vor einem Zivilgericht muss eine Prozesspartei durch einen Rechtsanwalt vertreten sein in

  • Verfahren vor den Bezirksgerichten mit einem Streitwert von mehr als 5.000 EUR, sofern keine sogenannte Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte vorliegt. Für Unternehmer bedeutsame Eigenzuständigkeiten der Bezirksgerichte (unabhängig von der Höhe des Streitwertes) sind neben Streitigkeiten aus Bestandverträgen z.B. Grenz- und Besitzstörungssachen.
  • Verfahren vor allen höheren Gerichten (Landes- und Oberlandesgerichte, Oberster Gerichtshof)

Bei absoluter Anwaltspflicht kann eine Prozesspartei ohne Rechtsanwalt keine wirksamen Prozesshandlungen setzen.

Relative Anwaltspflicht im Zivilverfahren 

besteht in Verfahren, die in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen, mit einem Streitwert von mehr 5.000 EUR, sofern am Ort des Gerichts wenigstens Zwei Rechtsanwälte ihren Sitz haben.

Bei relativer Anwaltspflicht müssen sich die Parteien zwar nicht vertreten lassen, wenn sich aber eine Partei vertreten lässt, muss sie durch einen Rechtsanwalt vertreten sein.

Wenn keine absolute und auch keine relative Anwaltspflicht besteht, können die Parteien selbst vor Gericht handeln oder sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt z.B. für Verfahren vor den Bezirksgerichten mit einem Streitwert von bis zu 5.000 EUR.

Jedenfalls keine Anwaltspflicht besteht im Zivilverfahren 

  • für Verhandlungen im Rechtshilfeweg (d.s. Verhandlungen vor Gerichten, die vom entscheidenden Gericht mit gewissen Verfahrensschritten beauftragt werden)
  • Tagsatzungen, in denen ein Klagebegehren mit einem Streitwert bis 5.000 EUR auf einen solchen über 5.000 EUR ausgedehnt wird
  • für Vergleiche vor einem Bezirksgericht, selbst wenn deren Betrag oder Geldeswert 5.000 EUR übersteigt.

Anwaltspflicht im gerichtlichen Strafverfahren

In folgenden Fällen benötigt der Beschuldigte (Angeklagte) zwingend einen Verteidiger (notwendige Verteidigung):

  • in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht;
  • mit wenigen Ausnahmen in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Tat eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist;
  • wenn und solange sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet
  • im Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts;
  • im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher;
  • in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfalltäter;
  • für einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens bis zur Entscheidung über diesen Antrag;
  • in der kontradiktorischen Vernehmung in Fällen, in denen nur in der Hauptverhandlung eine notwendige Verteidigung besteht.

Für Jugendliche bestehen weitere Fälle, die zu einer Anwaltspflicht führen.  

Außer diesen Fällen ist im gerichtlichen Strafverfahren ein Rechtsanwalt nicht zwingend erforderlich.

Vertretung im Verwaltungsverfahren

Im Verwaltungs(straf-)verfahren besteht kein Anwaltszwang. Die Beteiligten können sich aber nach eigenem Ermessen von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Behörde kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten verlangen oder dem Beteiligten in einigen Fällen auch die Bestellung eines Bevollmächtigten auftragen, der aber nicht Anwalt sein muss. Bei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof muss die Rechtsmittelschrift von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Verfahrenshilfe

Personen, die wirtschaftlich schlechter gestellt sind, kann in Zivil- und gerichtlichen Strafsachen vom Gericht über Antrag zur Gänze oder teilweise Verfahrenshilfe bewilligt werden. Diesfalls wird von der Rechtsanwaltskammer ein Rechtsanwalt zur unentgeltlichen Rechtsvertretung zur Verfügung gestellt. Voraussetzung für die Gewährung der Verfahrenshilfe ist immer, dass die Person außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

Im Zivilverfahren darf die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheinen.

Vorsicht: Die Verfahrenshilfe in Zivilrechtssachen kann auch widerrufen werden (erlöschen oder entzogen werden). Es kann auch innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens die Nachzahlung von Beträgen an Sachverständigengebühren und Rechtsanwaltshonorar etc. vorgeschrieben werden, wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse entsprechend gebessert haben.

In gerichtlichen Strafverfahren ist ein derartiger (rückwirkender) Widerruf nicht vorgesehen und wird auch von der Rechtsprechung ausdrücklich abgelehnt. Im Verwaltungsverfahren gibt es keine Verfahrenshilfe!

Stand: 18.10.2024