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Europäischer Emissionshandel

ETS I, ETS in Österreich und ETS II im Überblick

Lesedauer: 4 Minuten

Das EU Emissions Trading System (ETS) ist seit 2005 das zentrale marktwirtschaftliche Instrument zur Senkung von klimaschädlichen Treibhausgasen in der Europäischen Union. Dem „Cap-and-Trade“-Prinzip folgend wird eine jährlich sinkende Obergrenze für die Gesamtmenge von ausgestoßenen Treibhausgasen festgelegt und gleichzeitig können Emissionszertifikate gehandelt werden.

ETS I – Energiewirtschaft und energieintensive Industrie

Mit der Richtlinie 2003/87/EG, die am 25. Oktober 2003 in Kraft getreten ist, wurde in Europa erstmals ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten geschaffen. Ausschlaggebend für die Implementierung dieses Instruments war das Kyoto Protokoll 1997 und die darin enthaltenen Reduktionsverpflichtungen (siehe Kapitel Globale Klimapolitik). Durch die Richtlinie soll die Verpflichtung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten effektiv und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden, indem ein europäischer Markt für Treibhausgasemissionszertifikate eingerichtet wird.

Das europäische Emissionshandelssystem I (ETS I) umfasst ca. 10.000 Anlagen aus dem Bereich der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie, die für etwa 40 % der gesamten Treibhausgasemissionen, die innerhalb der Europäischen Union emittiert werden, verantwortlich sind. Im Jahr 2012 ist zudem der innereuropäische Luftverkehr in den europäischen Emissionshandel aufgenommen worden. Teilnehmerstaaten am EU-EHS sind neben den 27 EU-Mitgliedsstaaten auch Norwegen, Island und Liechtenstein.

Systematisch beruht der europäische Emissionshandel auf dem sogenannten „Cap & Trade“ Prinzip. Dabei wird für die teilnehmenden Staaten festgelegt, wie viele CO2-Äquivalente (CO2e) von den am Emissionshandel partizipierenden Unternehmen insgesamt emittiert werden dürfen. Es wird also eine Obergrenze, ein sogenanntes „Cap“, eingezogen. Die teilnehmenden Staaten geben dann eine begrenzte Menge an Emissionszertifikaten an die Unternehmen aus.

Einen Teil dieser Zertifikate erhalten die Unternehmen einerseits kostenlos, andererseits im Rahmen von Versteigerungen. Für jede emittierte Tonne CO2e muss das am Handel teilnehmende Unternehmen ein Emissionszertifikat abgeben. Die im Umlauf befindlichen Zertifikate können auch frei am Markt gehandelt werden, woraus sich der Begriff „Trade“ ableitet. Befindet sich ein Unternehmen in der Situation über mehr Emissionszertifikate zu verfügen als es benötigt, so kann es diese frei am Markt verkaufen. Unternehmen, deren Emissionen nicht vollständig von den zugeteilten Zertifikaten gedeckt sind, können diese zukaufen. Durch diesen Handel von Emissionszertifikaten am freien Markt bildet sich der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2-Äquivalente. Je nach aktueller Höhe des Zertifikatpreises kann es für Unternehmen aus finanzieller Sicht durchaus attraktiv sein, möglichst wenig Treibhausgase zu emittieren.

ETS I in Österreich

In Österreich sind ungefähr 200 energieintensive Industrieanlagen verpflichtet, am Emissionshandel teilzunehmen. Nationale Rechtsgrundlage dafür ist das Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG 2011), welches die Europäische Richtline in nationales Recht umsetzt. Betroffene Branchen sind Energieversorgungsunternehmen, Eisen- und Stahlindustrie, Zementwerke, Mineralstoffindustrie, Papierindustrie, sowie weitere Anlagen etwa aus Branchen wie der chemischen Industrie. Seit 1. Jänner 2024 sind zudem Verbrennungsanlagen von Siedlungsabfällen dazu verpflichtet ihre Emissionen zu berichten.

Zuständige Behörde in Österreich ist das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), welche jedes Jahr bis zum 30. Juni die zugeteilten Zertifikate erhält. Die Anzahl der so zugeteilten Zertifikate richtet sich nach der nationalen Zuteilungstabelle. Die Emissionen der jeweiligen Anlagen werden nach Ende eines Kalenderjahres ermittelt und von einer unabhängigen Prüfeinrichtung geprüft. Für die geprüften Emissionen müssen bis zum darauf folgenden 30. September die Zertifikate eingelöst werden. Liegen die tatsächlichen Emissionen über dem Wert, für den Zertifikate vergeben wurden, kann das betroffene Unternehmen über den Emissionshandel weitere Zertifikate zukaufen.

Gehandelt werden kann innerhalb der Europäischen Union und mit Ländern, die sich dem Europäischen Emissionshandelssystem angeschlossen haben (z.B. Norwegen) oder mit ihm verknüpft sind (z.B. Schweiz). Der Handel findet OTC (over the counter) oder an einer Börse statt. Für die Eröffnung eines Anlagenbetreiberkontos im österreichischen Teil des Unionsregisters muss das Unternehmen über eine Genehmigung der Anlage nach dem Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG 2011) verfügen und eine unabhängige Prüfeinrichtung benennen.

ETS II − Straßenverkehr, Gebäude, Industrie- und Energieanlagen

Mit 1. Jänner 2027 wird der Europäische Emissionshandel um den ETS II erweitert. Der ETS II umfasst die Emissionen des Energieverbrauchs in den Sektoren Straßenverkehr, Gebäude, Industrie- und Energieanlagen die nicht unter ETS I fallen und die Landwirtschaft. Der ETS II ist vom ETS I getrennt, auch wenn sich die gesetzliche Grundlage ebenfalls in der RL 2003/87/EG findet und die nationale Umsetzung über das Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG 2011) geregelt wird. Im Gegensatz zu ETS I gibt es im ETS II jedoch keine Gratis Zuteilungen, sodass sämtliche Zertifikate am Markt erworben werden müssen. Die ausgegebenen Zertifikate werden jährlich reduziert.

Die Bepreisung erfolgt vergleichbar zum nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz (siehe Österreichische Klimapolitik) über einen Upstream-Ansatz, was bedeutet, dass die Inverkehrbringer von Brennstoffen für die in den Brennstoffen enthaltenen Emissionen Zertifikate abzugeben haben, welche auf unionsweiten Versteigerungen erworben werden müssen. Die daraus entstehenden Mehrkosten werden über die Inverkehrbringer bis an die Endverbraucher weitergegeben und dadurch sollen Anreize für ein emissionsärmeres Verhalten gesetzt werden.

Wo sich der Preis für ein Zertifikat im Rahmen des ETS II einpendeln wird, ist völlig offen. Gesetzlich wurde festgehalten, dass bei Überschreiten eines Zertifikatpreises von 45 € ein Preisstabilitätsmechanismus greift, der zusätzliche Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve in den Markt überführt. Die Einnahmen aus dem ETS II werden für Klimaschutz- und Dekarbonisierungsmaßnahmen sowie für den Klimasozialfonds verwendet.

Zwar startet der ETS II erst mit 1. Jänner 2027 (unter besonderen Umständen ist eine Verschiebung auf 2028 möglich), jedoch werden bereits mit 2024 erste Berichtspflichten für Brennstoff inverkehrbringende Unternehmen schlagend.

Für Brennstoffe, die im Rahmen von ETS I bereits einer Bepreisung unterliegen, wird es Ausnahmen geben, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.

Stand: 08.07.2024

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