Pauschalierung für den Lebensmitteleinzel- und Gemischtwarenhandel
Bestimmungen auf einen Blick
Lesedauer: 6 Minuten
Lebensmitteleinzel- und Gemischtwarenhändler können wahlweise den Gewinn und/oder Teile der Vorsteuern mit einem eigenen Pauschalsatz anstatt anhand tatsächlicher Kosten ermitteln.
Bei Anwendung dieser Pauschalierung brauchen für die von der Pauschalierung abgedeckten Kosten keine Belege aufbewahrt werden. Die Einnahmen und die übrigen Vorsteuern sind immer exakt zu erfassen. Betriebsausgaben- und Vorsteuerpauschalierung können unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden.
Wer gilt als Lebensmitteleinzel- oder Gemischtwarenhändler?
Lebensmitteleinzel- oder Gemischtwarenhändler sind Gewerbetreibende, die einen Handel mit Waren des täglichen Bedarfs weitaus überwiegend in Form eines Kleinhandels ausüben. Letzteres gilt als erfüllt, wenn die Abnehmer im Durchschnitt der letzten drei Jahre oder im Jahr der Pauschalierung zu mindestens 75 % Letztverbraucher waren bzw. sind.
Waren des täglichen Bedarfs sind Verbrauchsgegenstände, die im täglichen Leben benötigt und in kürzeren Zeitabständen regelmäßig nachbeschafft werden, wie etwa Lebensmittel (Speisen und Getränke einschließlich Spirituosen), Rauchwaren, Kurzwaren, Bekleidung, Hygieneartikel, Geschirr etc. Andere Waren als solche des täglichen Bedarfs (nicht branchentypische Produkte) dürfen nur in untergeordnetem Ausmaß (bis 25 % des Umsatzes) verkauft werden.
Außerdem müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Betriebseinnahmen (einschließlich USt) aus Lebensmitteln müssen im Durchschnitt der letzten drei Jahre (Beobachtungszeitraum) mindestens 50 % der gesamten Betriebseinnahmen ausgemacht haben.
Der Anteil an Betriebseinnahmen aus be- und verarbeiteten Lebensmitteln (z.B. Wurstsemmel, belegte Brötchen) darf im Durchschnitt der letzten drei Jahre höchstens 25 % des Lebensmittelumsatzes (einschließlich USt) betragen.
Der Beobachtungszeitraum für die Berechnung, ob die Voraussetzungen im Sinne der angeführten Prozentzahlen vorliegen, sind die letzten drei Wirtschaftsjahre. Wird der Betrieb im Erbweg übertragen, sind (auch) die Verhältnisse beim Erblasser maßgeblich. In allen anderen Fällen (Übergabe durch Schenkung, Kauf, Betriebseröffnung) ist ausschließlich auf die Verhältnisse des Unternehmers selbst abzustellen.
Liegen noch keine drei Jahre vor, kann ein kürzerer Beobachtungszeitraum herangezogen werden, wobei im ersten Jahr auf die Verhältnisse des laufenden Jahres abzustellen ist.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Nur Einnahmen-Ausgaben-Rechner sind zur Pauschalierung berechtigt. Daher dürfen die Umsätze des Betriebes in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren jeweils nicht mehr als 700.000,-- EUR betragen haben.
Unternehmer, die zur doppelten Buchhaltung gesetzlich verpflichtet sind (z.B. eine GmbH) oder die freiwillig eine doppelte Buchhaltung führen, sind von der Pauschalierung ausgeschlossen. Bei freiwilliger doppelter Buchhaltung ist vor der Pauschalierung auf die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung umzusteigen.
Achtung: Wendet ein bisher buchführender Unternehmer erstmals die Pauschalierung an, ist ein Übergangsgewinn bzw. -verlust zu ermitteln.
Hinweis: Eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung kann parallel geführt werden.
Gewinnpauschalierung
Der pauschalierte Jahresgewinn errechnet sich aus einem Sockelbetrag von 3.630,-- EUR zuzüglich 2 % der Betriebseinnahmen (einschließlich USt). Von dem nach diesen Sätzen ermittelten Gewinn dürfen keine Betriebsausgaben abgezogen werden. Eine Aliquotierung des Sockelbetrages bei unterjährigem Beginn bzw. Aufgabe des Betriebes ist unzulässig.
Bruttoeinnahmen | Beträge in EUR | Netto |
---|---|---|
Erlöse Lebensmittel 10 % | 297.000,-- | 270.000,-- |
Entnahme/Eigenverbrauch Lebensmittel 10 % | 1.100,-- | 1.000,-- |
Erlöse Getränke 10 % (z.B. Milch) | 1.650,-- | 1.500,-- |
Entnahme/Eigenverbrauch Getränke 10 % | 110,-- | 100,-- |
Sonstige Erlöse 10 % (z.B. Zeitungen) | 3.300,-- | 3.000,-- |
Sonstiger Entnahme/Eigenverbrauch 10 % | 220,-- | 200,-- |
Erlöse Waren und Getränke 20 % | 120.000,-- | 100.000,-- |
Entnahme/Eigenverbrauch 20 % | 1.200,-- | 1.000,-- |
Summe Einnahmen | 424.580,-- | 376.800,-- |
Gewinnpauschalierung: | ||
Sockelbetrag | 3.630,-- | |
zuzüglich 2 % von 424.580,-- EUR | 8.491,60,-- | |
Zu versteuernder Gewinn | 12.121.60,-- EUR |
Von der Pauschalierung sind nur die laufenden Geschäftsfälle erfasst. Außergewöhnliche Vorgänge (z.B. die Veräußerung oder Entnahme von wesentlichem Betriebsvermögen wie etwa Gebäuden oder Gebäudeteilen) sind nicht von der Pauschalierung erfasst.
Vorsteuerpauschalierung
Die Vorsteuer wird mit 7 % jener Betriebseinnahmen einschließlich USt pauschaliert, die auf Umsätze mit Lebensmittel entfallen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 10 % unterliegen. Getränke sind davon ausgenommen.
Daneben dürfen Vorsteuern abgezogen werden für
- abnutzbare Anlagegüter, deren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten 1.100,-- EUR übersteigen,
- die Lieferung und den Eigenverbrauch von Grundstücken des Anlagevermögens,
- Handelswareneinkäufe, die nicht dem Vorsteuerpauschale unterliegen (z.B. Waschpulver, Zahnpaste, Papierwaren etc.),
- sämtliche Getränkeeinkäufe und
- Fremdlöhne.
Berechnung der Vorsteuern (mit den Zahlen aus obiger Gewinnberechnung): | Beträge in EUR |
---|---|
Vorsteuerpauschale (7 % von 297.000,-- + 1.100,--) | 20.867 |
+ tatsächliche VSt von Anlageninvestitionen lt. Rechnung | 4.500 |
+ tatsächliche VSt von 10 %igen Getränkeeinkäufen lt. Rechnung | 100 |
+ tatsächliche VSt von sonstigem 10 %igem Wareneinkauf lt. Rechnung | 250 |
+ tatsächliche VSt von 20 %igen Waren u. Getränken lt. Rechnung | 14.000 |
Gesamtbetrag der Vorsteuern | 39.717 |
Umsatzsteuererklärung | Beträge in EUR |
Entgelte aus Lieferungen und Leistungen | 374.500 |
Eigenverbrauch | 2.300 |
Gesamtbetrag der Entgelte | 376.800 |
davon zu versteuern 101.000,-- EUR mit 20 % | 20.200 |
davon zu versteuern 275.800,-- EUR mit 10 % | 27.580 |
Umsatzsteuer gesamt | 47.780 |
abzüglich Vorsteuern (von oben) | - 39.717 |
Zahllast | 8.063 |
Wahlmöglichkeiten
Die Pauschalierung kann wahlweise sowohl für den Gewinn als auch für die Vorsteuern oder auch nur für einen der beiden Bereiche in Anspruch genommen werden.
Bei der Gewinnpauschalierung besteht keine zeitliche Bindung, d.h. man kann jedes Jahr neu entscheiden, ob der Gewinn nach den Pauschalsätzen oder an Hand tatsächlicher Ausgaben ermittelt wird. Wird die Pauschalierung gewählt, ist in der Beilage zur Einkommensteuererklärung (letzte Seite Formular E1a) der pauschal errechnete Gewinn unter der Kennzahl 9006 und der darin enthaltener Grundfreibetrag (siehe unten Verhältnis zum Gewinnfreibetrag) unter der Kennzahl 9007 einzutragen.
Die Inanspruchnahme der Vorsteuerpauschalierung wird durch eine formfreie schriftliche Erklärung dem Finanzamt bekannt gegeben. Dies ist bis zur Rechtskraft des Umsatzsteuerjahresbescheides möglich. Die pauschal ermittelten Vorsteuern sind auch unter der Kennzahl 078 in die Umsatzsteuererklärung (Formular U1) einzutragen.
Bei der Vorsteuerpauschalierung besteht eine Bindung für zumindest zwei Jahre. Erst dann kann wieder auf die genaue Vorsteuerermittlung übergegangen werden. Der Widerruf ist dem Finanzamt schriftlich spätestens bis zur Rechtskraft des Bescheides bekannt zu geben. Ein neuerlicher Wechsel zur Vorsteuerermittlung nach Durchschnittsätzen ist erst wieder nach fünf Kalenderjahren zulässig.
Welche Aufzeichnungen sind zu führen?
Unternehmer, die von der Pauschalierung Gebrauch machen, müssen bei der Führung der Aufzeichnungen Folgendes beachten:
- Die Einnahmen müssen exakt und vollständig ermittelt werden. Sie sind nach 0 %igen, 10 %igen, 13 %igen und 20 %igen Umsätzen getrennt zu erfassen.
- Es genügt ein vereinfachtes Wareneingangsbuch: Sämtliche Wareneingangsbelege sind während des Jahres in zeitlicher Reihenfolge mit einer fortlaufenden Nummer zu versehen und abzulegen. Es reicht eine Trennung nach Warengruppen und Umsatzsteuersätzen mit branchenüblicher Sammelbezeichnung wie
- Lebensmittel
- Getränke 20 %
- Getränke 10 % (Milch, Kakao)
- sonstige Waren 20 %
- sonstige Waren 10 %
- sonstige Waren 13 %
- Rechnungen über Anlageninvestitionen, für die Vorsteuern gesondert geltend gemacht werden dürfen, müssen aufgezeichnet werden.
- Werden Dienstnehmer beschäftigt, sind auch Lohnkonten erforderlich.
Die Führung einer Anlagekartei ist zwar nicht verpflichtend, jedoch zu empfehlen, weil dadurch ein späterer Umstieg zu anderen Arten der Gewinnermittlung erleichtert wird.
Belege und Unterlagen sind nach den gesetzlichen Bestimmungen (üblicherweise 7 Jahre, für Grundstückstransaktionen 22 Jahre) aufzubewahren.
Verhältnis zum Gewinnfreibetrag
Wenn der Gewinn nach Durchschnittssätzen oder durch Teil- oder Vollpauschalierung auch nur teilweise mit Pauschalbeträgen ermittelt wird, kann zwar der Grundfreibetrag, nicht aber ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag geltend gemacht werden.
Soll zusätzlich zum Grundfreibetrag auch ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag (z.B. durch Investitionen bzw. den Kauf von begünstigten Wertpapieren) in Anspruch genommen werden, muss auf die Pauschalierung für den Lebensmitteleinzel- und Gemischtwarenhandel verzichtet werden und sind sämtliche Betriebsausgaben durch Belege nachzuweisen. Weitere Einzelheiten finden Sie auf unserer Infoseite zum Gewinnfreibetrag.
Stand: 15.03.2024