Die Besteuerung von Wertpapieren
Welche Bestimmungen zu beachten sind
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Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde die Besteuerung von Kapitalvermögen in Österreich ab 1.4.2012 grundlegend geändert. Durch die Ökosoziale Steuerreform 2022 erfolgte ein weiterer großer Schritt, nämlich die Einbettung der Einkünfte aus Kryptowährungen in das System der Einkünfte aus Kapitalvermögen, darauf wird auf der Infoseite zur Besteuerung von Kapitalvermögen näher eingegangen.
Gegenstand der Kapitalbesteuerung nach der Rechtslage bis 2012 waren in erster Linie Erträge aus der Überlassung von Kapital, wie etwa Zinsen oder Dividenden. Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalvermögen (zB Aktien) im Privatvermögen wurden nur dann besteuert, wenn die Veräußerung innerhalb eines Jahres nach Anschaffung erfolgte (sog. Spekulationseinkünfte) oder der Steuerpflichtige in den letzten 5 Jahren zu mindestens 1 % an einer Gesellschaft beteiligt war (Beteiligungsveräußerung).
Seit 1.4.2012 sind realisierte Wertsteigerungen generell - somit unabhängig von Behaltedauer und Beteiligungsausmaß – steuerpflichtig und unterliegen, wie auch die laufenden Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung („Vermögenszuwachsbesteuerung“).
Sofern ein inländisches Kreditinstitut involviert ist, erfolgt die Besteuerung im Wege der von der Bank einzubehaltenden Kapitalertragsteuer („KESt-Abzug“). Mit der Steuerreform 2015/2016 wurde der KESt-Satz ab 1.1.2016 von 25 % auf 27,5 % erhöht. Lediglich Geldeinlagen und nicht verbriefte Forderungen bei Kreditinstituten unterliegen auch weiterhin einem 25 %igen Steuersatz (im Wesentlichen Zinsen aus Sparbüchern und Girokonten).
Kapitalerträge, die über ein ausländisches Bankdepot bezogen werden, sind in die Steuererklärung aufzunehmen und unterliegen dem Sondersteuersatz von 27,5%.
Durch die Reform unterliegen Erträge aus Wertpapieren im Betriebsvermögen bei Zutreffen der Anwendungsvoraussetzungen auch dem besonderen Steuersatz von 27,5%, während vor der Reform die Besteuerung zum Tarif erfolgte.
Kapitalerträge von Kapitalgesellschaften insb Aktiengesellschaften und GmbHs waren von der Reform im Wesentlichen nicht betroffen. Für sie gelten die Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes weiter. Für sonstige Körperschaften (zB Vereine, Privatstiftungen) hatte die Reform sehr wohl Auswirkungen.
Nachstehender Überblick soll die Auswirkungen der Vermögenszuwachsbesteuerung bezogen auf einzelne Anlagenklassen im Überblick darstellen. Ausgeklammert bleibt die Besteuerung der laufenden Erträge die sich durch das Budgetbegleitgesetz 2011 nicht grundlegend geändert hat, ebenso wie sonstige Regelungen z.B. zu Verlustverwertung, Depotwechsel etc. (In diesem Zusammenhang dürfen wir nochmals auf die Infoseite zur Besteuerung von Kapitalvermögen verweisen.) Ebenso sind Kapitalerträge juristischer Personen nicht Gegenstand dieser Infoseite. Diesbezüglich darf auf andere Infoseiten wie z.B. zur Körperschaftsteuer oder Besteuerung von Privatstiftungen verwiesen werden.
Aufgrund der Vielfalt der angebotenen Anlageformen sind die Steuerfolgen immer im Detail anhand des konkreten Sachverhalts zu prüfen. Nachfolgend können daher nur die Grundsätze für die wesentlichen Anlageklassen zusammenfassend dargestellt werden, die eine Detailprüfung nicht ersetzen können.
Vermögenszuwachsbesteuerung
Für die Beurteilung der steuerlichen Folgen eines Wertpapierverkaufes durch die Vermögenszuwachsbesteuerung sind vorab folgende Sachverhaltselemente zu klären.
Befinden sich die Wertpapiere im Privat- oder Betriebsvermögen natürlicher Personen
Die Besteuerung ist sowohl im Betriebsvermögen als auch Privatvermögen grundsätzlich gleich hoch. Wesentliche Unterschiede bestehen, in der Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten in der Gewinnermittlung oder wie bereits erwähnt bei der Abfuhr der Steuer (KESt-Abzug versus Aufnahme in die Jahreserklärung und der Verlustverwertung).
Art des Wertpapiers aus dessen Veräußerung die Gewinne erzielt werden
Zu unterscheiden ist, ob
- Aktien, GmbH-Anteilen oder Forderungswertpapiere (Kategorie 1) oder
- sonstige Wertpapiere wie Anleihen, Zertifikaten und Derivate (Kategorie 2) veräußert werden.
Anschaffungsdatum
Zusätzlich zu klären, ob sog Alt- oder Neubestand vorliegt.
Für Anschaffungen vor bestimmten Stichtagen ist die Rechtslage vor der Reform anzuwenden (Altbestand), während für Anschaffungen nach dem jeweiligen Stichtag die neue Rechtslage zur Anwendung kommt (Neubestand).
Maßgebend für
- Aktien, GmbH-Anteile und Forderungswertpapiere (Kategorie 1) ist, ob die Anschaffung vor oder nach dem 1.1.2011,
- für alle anderen Wertpapiere (Kategorie 2), ob die Anschaffung vor oder nach dem 1.4.2012 erfolgt ist.
Bei einzelnen Anlageformen ist in einer Übergangsfrist für Anschaffungen zwischen 1.10.2011 bis 31.3.2012 bereits die Anwendung des besonderen Steuersatzes vorgesehen. Allerdings erfolgt die Abfuhr nicht durch KESt-Abzug der depotführenden Bank. Stattdessen sind Gewinne in die Steuererklärung aufzunehmen. Die Steuer aufgrund des Sondersteuersatzes wird mit Bescheid festgesetzt. siehe auch unten bei "Übergangsbestimmungen"
Aktien, GmbH-Anteile
Die Definition von Aktien und GmbH-Beteiligungen richtet sich nach dem Gesellschaftsrecht. Aktien und GmbH-Beteiligungen vermitteln Anteilsrechte an der Gesellschaft. Auch ausländische Anteilsrechte fallen in diese Kategorie, wenn die ausländische Gesellschaft mit einer inländischen Aktiengesellschaft oder GmbH vergleichbar ist.
- Altbestand: Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die vor dem 1.1.2011 angeschafft wurden sind steuerfrei.
- Übergangsbestimmung: Eine Ausnahme besteht für Beteiligungen über 1 % die zum 31.3.2012 nach der alten Rechtslage nach Ablauf der Spekulationsfrist (zum halben Steuersatz) steuerverfangen waren. Solche Wertpapiere unterliegen trotz Anschaffung vor dem 1.1.2011 dem Sondersteuersatz von 27,5 %. Gewinne sind in die Steuererklärung aufzunehmen. Die Steuer wird mit Bescheid festgesetzt.
- Neubestand: Gewinne aus Veräußerungen von Wertpapieren deren Anschaffung ab dem 1.1.2011 erfolgt ist, unterliegen dem Sondersteuersatz iHv 27,5 %.
Substanzgenussrechte
Genussrechte vermitteln aktionärstypische Vermögensrechte gegenüber der Gesellschaft. Auch wenn sie gesellschaftsrechtlich keine Gesellschaftsrechte im engeren Sinn sind, sind Genussrechte steuerlich wie Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu behandeln, vorausgesetzt sie vermitteln einen Anteil am Gewinn bzw Liquidationserlös. Hinsichtlich der Steuerfolgen für die Veräußerung solcher Genussrechte kann daher auf die Ausführungen zum Punkt Aktien, GmbH-Anteile verwiesen werden.
Anleihen
Anleihen (auch Schuldverschreibungen) sind Wertpapiere, in denen sich der Aussteller dem Inhaber gegenüber zur Verzinsung des erhaltenen Kapitals und zu dessen Rückzahlung gemäß den Anleihebedingungen verpflichtet. Neben diesen Anleihen im engeren Sinne gibt es auch Schuldverschreibungen, die von den erwähnten Merkmalen erheblich abweichen. Ausschlaggebend ist nicht die Bezeichnung, sondern die konkrete Ausgestaltung des Produkts.
- Altbestand: Gewinne aus der Veräußerung von Anleihen, die vor dem 1.10.2011 angeschafft wurden sind steuerfrei.
- Übergangsbestimmung: Gewinne aus der Veräußerung von Anleihen, die zwischen dem 1.10.2011 und 31.3.2012 angeschafft wurden sind mit dem Sondersteuersatz von 27,5 % zu erfassen. Gewinne sind in die Steuererklärung aufzunehmen. Die Steuer wird mit Bescheid festgesetzt.
- Neubestand: Gewinne für Veräußerungen von Anleihen, die ab dem 1.4.2012 angeschafft wurden unterliegen dem KESt-Abzug iHv 27,5 %, wenn sie öffentlich angeboten werden (public placement).
Zertifikate
Zertifikate sind Schuldverschreibungen deren Wertentwicklung von einem zugrundeliegenden Basiswert orientiert (z.B. Aktienindex). Der Rückzahlungsanspruch richtet sich nach der Wertentwicklung des Basiswertes. Laufende Zinszahlungen werden oft nicht vereinbart.
- Alt-Übergangsbestand: Erträge für Käufe vor dem 1.10.2011 unterliegen dem Grunde nach der KESt iHv 27,5 % KESt bzw Sonder-ESt. Es bestehen abhängig von der Ausgestaltung des Zertifikates aber zahlreiche Sonderregelungen, auf die in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann (z.B. Discountzertifikate, Hebelzertifikate).
- Neubestand: Kapitalerträge aus der Veräußerung und Einlösung von Zertifikaten deren Anschaffung ab 1.10.2011 erfolgt ist, unterliegen als Einkünfte aus Derivaten dem Kapitalertragsteuerabzug durch die inländische depotführende bzw auszahlende Stelle, wenn sie öffentlich angeboten wurden (public placement).
Investmentfonds
Die Fondsbesteuerung ist auch nach der Neuregelung unverändert komplex („weiße“ Fonds, „schwarze“ Fonds, Berücksichtigung von ausschüttungsgleiche Erträge etc) und für jeden Fonds gesondert zu prüfen.
Auf eine wesentliche Änderung sei an dieser Stelle aber hingewiesen. Diese betrifft den Verkauf von Fondsanteilen. Im Privatvermögen unterliegt diese nach dem neuen Regime immer der KESt (zuvor steuerfrei nach Ablauf der Spekulationsfrist).
Im Falle der Veräußerung von Anteilen im Betriebsvermögen natürlicher Personen ist der Veräußerungsgewinn nicht mehr nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu versteuern, sondern unterliegt dem besonderen Steuersatz iHv 27,5 %.
Ausnahmen vom Sondersteuersatz
Einkünfte aus folgenden Kapitalanlagen unterliegen nicht der Kapitalertragsteuer bzw dem besonderen Steuersatz sondern sind nach Tarif zu versteuern:
- Privatdarlehen bzw. nicht verbriefte private Forderungen (z.B. obligationenartiges Genussrecht)
- nicht öffentlich begebene Forderungswertpapiere (z.B. privat platzierte Anleihen)
- Einkünfte als stiller Gesellschafter
Zurechnung von Dividenden aus börsennotierten Aktien
Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) ist die österreichische Kapitalertragsteuer (KESt) auf Dividenden an die Person zu erstatten, die über die Aktien am Tag der Hauptversammlung verfügte. Dies gilt auch dann, wenn die Person die Dividenden aufgrund einer Veräußerung der Aktien zwischen Hauptversammlung und dem Ex-Tag (das ist der Tag, ab dem eine Aktie ohne Dividende gehandelt wird) gar nicht erhalten hat.
Da diese Zurechnungsregelung der Dividenden nicht den internationalen Börseusancen entspricht, wurde gesetzlich für börsennotierte Aktien Folgendes regelt (AbgÄG 2023):
- Eine Dividende ist derjenigen Person zuzurechnen, die wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien am Ende des Record-Tages ist. Der Record-Tag ist der Tag, an dem der Zentralverwahrer der Aktien die Dividenden-Anspruchsberechtigung feststellt. Die Person, die demnach die Aktien am Ende des Record-Tages auf ihrem Wertpapierdepot verbucht hat, kann sich die österreichische Kapitalertragsteuer (KESt) auf die Dividenden auf die Körperschaftsteuer anrechnen lassen oder eine Rückerstattung auf Basis eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie oder sonstiger Bestimmungen beantragen.
- Um Missbrauch zu vermeiden, ist eine Anrechnung oder Erstattung der KESt auf Dividenden dann nicht möglich, wenn der wirtschaftliche Eigentümer der Aktien kein angemessenes wirtschaftliches Risiko trägt, eine Mindestbehaltedauer von 45 Tagen rund um den Record-Tag nicht erfüllt ist, die Übertragung zu einem Steuervorteil führt und die Dividenden in einem Kalenderjahr EUR 20.000 übersteigen. Eine Erstattung der KESt wird also insbesondere bei einer kurzfristigen Wertpapierleihe nicht möglich sein, wenn der Entleiher – anders als der Verleiher – nicht der KESt unterliegt.
Dies gilt für Dividenden, deren Record-Tag nach dem 30. Juni 2023 liegt. Liegt der Record-Tag vor dem 1. Juli 2023, so ist hinsichtlich der Zurechnung der Dividenden – basierend auf der VwGH-Entscheidung – auf das wirtschaftliche Eigentum am Tag der Hauptversammlung (dh Verbuchung der Aktien am Wertpapierdepot am Ende des Tages vor der Hauptversammlung) abzustellen.
Stand: 01.06.2024