Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Krankenstand
Entlassungsgrund - Beweispflicht - Sachverhaltsermittlung - Risikoabwägung
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Allgemeines
Immer wieder kommt es vor, dass während eines medizinisch nachgewiesenen Krankenstandes ein Fehlverhalten des Mitarbeiters vermutet oder beobachtet wird. Ob daraufhin eine fristlose Entlassung ausgesprochen werden kann, hängt von der Sach- und Beweislage im Einzelfall ab.
Entlassungsgrund
Ein Entlassungsgrund liegt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor, wenn der Arbeitnehmer im Krankenstand ein Fehlverhalten setzt, das geeignet ist, den Genesungsprozess zu verzögern.
Beweispflicht
Für das Vorliegen des Entlassungsgrundes ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Er muss im Streitfall
- das genaue Fehlverhalten des Arbeitnehmers mit Ort, Datum und Dauer darlegen und nachweisen sowie
- zusätzlich beweisen, dass dieses Fehlverhalten des Arbeitnehmers geeignet ist, den Genesungsprozess zu verzögern.
Vorsicht!
Das Verletzen der vom Arzt sowie von der österreichischen Gesundheitskasse vorgegebenen Ausgehzeiten stellt für sich allein daher keinen Entlassungsgrund dar! Erst, wenn dieses Verhalten z.B. geeignet ist, den Genesungsprozess zu verzögern, kann eine berechtigte Entlassung ausgesprochen werden.
Gelingen dem Arbeitgeber in einem möglichen Gerichtsverfahren die erforderlichen Beweise nicht, wird die Entlassung als ungerechtfertigt gewertet und sind daran teure Zahlungen wie Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und Sonderzahlungen zur Kündigungsentschädigung geknüpft.
Sachverhaltsermittlung
Vor Einleitung arbeitsrechtlicher Schritte sollte der Arbeitgeber den ihm zugetragenen Sachverhalt genau überprüfen und Beweismittel sichern lassen. Dies kann mittels einer Detektei, Zeugen oder Bildmaterial geschehen. Von Anfang an sollte auch ein Protokoll der Vorkommnisse angefertigt werden, um Monate später vor Gericht sämtliche Daten sofort verfügbar zu haben.
Tipp!
In begründeten Verdachtsmomenten kann an die örtlich zuständige Gesundheitskasse eine schriftliche Sachverhaltsdarstellung mit dem Ersuchen einer Krankenstandsüberprüfung übermittelt werden. Diese nimmt in weiterer Folge Kontakt mit dem krankschreibenden Arzt auf und überprüft auch den Krankenstand über den chefärztlichen Dienst.
Befragung des Arbeitnehmers
Setzt der Arbeitnehmer nachweislich fragwürdige Verhaltensweisen im Krankenstand, kann der Arbeitgeber von seiner Möglichkeit Gebrauch machen, ihn zum ärztlich angeratenen Genesungsverhalten zu befragen.
Beispiel:
Ein Mitarbeiter wird observiert, wie er im Krankenstand Rasen mäht und Holz schlichtet. Die konkrete Diagnose der Erkrankung ist dem Dienstgeber nicht bekannt.
Der Arbeitgeber befragt den Arbeitnehmer bei Wiederantritt des Dienstes zum Heilungsverlauf und zur vom Arzt aufgetragenen Verhaltensweise im Krankenstand. Ist die Aussage nachvollziehbar, ist eine Entlassung nicht gerechtfertigt.
Im obigen Beispiel hat der Arbeitgeber ohne Nachfragen die Entlassung ausgesprochen. Im Prozess konnte der Arbeitnehmer beweisen, dass ihm sein krankschreibender Arzt bei Kreuzschmerzen körperlich belastende Tätigkeiten ausdrücklich aufgetragen hatte. Die Entlassung wurde daher zu Unrecht ausgesprochen (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 ObA 60/06s).
Risikoabwägung
Vor Entlassung oder Kündigung eines Arbeitnehmers sollte jedenfalls eine Risikoabwägung vorgenommen werden:
- Was erwarte ich von diesem Mitarbeiter in Zukunft?
- Kann ich mit ihm noch zusammenarbeiten?
- Wie teuer kommt eine ungerechtfertigte Entlassung?
- Was kostet mich eine gerichtliche Auseinandersetzung in zeitlicher und finanzieller Hinsicht?
- Besteht ein Mitverschulden des Mitarbeiters und wie schwer wiegt es?
In den meisten Gerichtsverfahren wird der behandelnde Arzt bzw. sogar ein gerichtlich beeideter medizinischer Sachverständiger beigezogen. Diese geben Auskunft darüber, ob das vom Arbeitgeber beobachtete und dem Gericht geschilderte Verhalten des Arbeitnehmers aus medizinischen Gründen geeignet war, den Krankenstand zu verlängern. Die von vornherein nicht abschätzbare Aussage des behandelnden Arztes bzw. des Sachverständigen bedeutet ein weiteres nicht unerhebliches Risiko für das Unternehmen.
Tipp!
Aufgrund der Fülle an Rechtsprechung zu Fehlverhalten im Krankenstand empfiehlt es sich, vor Ausspruch einer Entlassung mit einem Arbeitsrechtsexperten Kontakt aufzunehmen!
Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“
Stand: 01.01.2024