Drei Personen an Tisch sitzend, zwei haben Stifte in der Hand, eine der Personen unterzeichnet Dokument
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Vertrag - Ich will raus!

Möglichkeiten des Ausstiegs

Lesedauer: 7 Minuten

Grundsätzliches

Ein Vertrag kommt durch die übereinstimmenden Willenserklärungen von mindestens zwei Personen zustande. Die Parteien müssen sich über die wesentlichen Vertragsbestandteile einigen und sind zur Einhaltung der getroffenen Vereinbarung verpflichtet. Grundsätzlich kann ein Vertragspartner daher nicht ohne weiteres und ohne Einwilligung des bzw. der anderen Vertragspartner(s) aus einem laufenden Vertrag aussteigen. Eine einvernehmliche Vertragsauflösung, mit der beide bzw. alle Vertragspartner einverstanden sind, ist immer möglich. Sie sollte aus Gründen der Beweisbarkeit schriftlich und zu einem eindeutigen, unmissverständlichen Termin erfolgen.

Befristete Verträge

Verträge, die von vornherein für eine bestimmte Zeit abgeschlossen werden, enden – sofern konkret nichts anderes vereinbart wurde – automatisch durch Zeitablauf, ohne dass eine Kündigung notwendig ist. Eine Kündigung vor dem vereinbarten Endtermin ist im Allgemeinen nur dann möglich, wenn sich die Vertragspartner dies vorbehalten haben.

Unbefristete Verträge

Verträge, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, können in der Regel unter Einhaltung einer Kündigungsfrist (das ist jener Zeitraum, der zwischen dem Zugang der Kündigung an den Kündigungsgegner und dem Beendigungstermin des Vertrages jedenfalls zu verstreichen hat) und eines Kündigungstermins (das ist der Zeitpunkt, zu dem der Vertrag enden soll) gekündigt werden, sofern solche gesetzlich geregelt oder vereinbart sind. Vielfach bestehen gesetzliche Sonderregelungen, wie z.B. im Arbeits-, Miet-, Versicherungsvertrags- Insolvenz- oder Konsumentenschutzrecht. Erkundigen Sie sich diesbezüglich bereits bei Vertragserrichtung bei einem Experten.

Vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund

Dauerschuldverhältnisse (das sind Rechtsverhältnisse bei denen ein länger dauerndes Verhalten geschuldet wird und bei denen der Umfang der zu erbringenden Leistungen nicht direkt vereinbart wird, sondern von der Dauer des Schuldverhältnisses abhängt, z.B. Miete, Pacht, Leihe, Verwahrung) können aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden. Ein solcher wichtiger Grund muss die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen und darf nicht in der Interessenssphäre des Auflösungswilligen gelegen sein (z.B. schlechter Geschäftsgang ist daher kein Auflösungsgrund). Die Beweislast trifft den Vertragspartner, der den Vertrag aus wichtigem Grund auflösen will. Ob die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses zumutbar ist oder nicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Im Zusammenhang mit der Vereinbarung und Auflösung von Verträgen wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch den Vertragspartner eines insolventen Schuldners sind die Sonderregeln der Insolvenzordnung (IO) zu beachten. Demnach sind Vereinbarungen über ein Rücktrittsrecht bzw. eine Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur stark eingeschränkt zulässig. 

Irrtum

Nicht jeder im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unterlaufene Irrtum berechtigt zur Anfechtung des Vertrags!

Allgemeine Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung

Wer über die Natur des Geschäftes, seinen Inhalt (Gegenstand), eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft des Geschäftspartners, die Identität des Geschäftspartners oder einen Umstand, über den ihn der andere nach den geltenden Rechtsvorschriften aufklären hätte müssen, hat eine falsche oder mangelhafte Vorstellung von der Wirklichkeit – er irrt. Ein Irrtum über das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur Erbringung der Leistung (also insbesondere über das Bestehen einer Gewerbeberechtigung) gilt von Gesetzes wegen jedenfalls als Irrtum in der Person.

Liegt ein wesentlicher Irrtum vor, also wäre ohne Irrtum gar kein Vertrag abgeschlossen worden, kann der Irrende die Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrages begehren.

Unwesentliche Irrtümer, darunter versteht man Irrtümer, die sich auf einen Nebenpunkt des Geschäfts beziehen und ohne die das Geschäft zwar auch, aber unter anderen Bedingungen geschlossen worden wäre, führen nicht zur Aufhebung und Rückabwicklung, sondern bloß zur Anpassung des Vertrags.

Ein (wesentlicher oder unwesentlicher) Irrtum berechtigt den Irrenden allerdings nur dann zur Vertragsaufhebung bzw. -anpassung, wenn der Irrtum entweder vom anderen veranlasst wurde oder dem anderen aus den Umständen offenbar auffallen musste oder der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt wurde (also bevor der andere wirtschaftlich etwas unternommen hat).

Beispiel:
A verschreibt sich und bietet ein Auto statt um 10.000 EUR um 1.000 EUR an. B musste auffallen, dass der Preis ungewöhnlich günstig ist. A kann den geschlossenen Vertrag wegen Irrtums anfechten.

Unbeachtliche Irrtümer

Irrtümer im Zusammenhang mit dem Verkehrswert einer Sache (Wertirrtum), den Rechtsfolgen eines Geschäfts oder dem Beweggrund (Motivirrtum) für ein Geschäft sind – wenn sie vom Erklärungsempfänger nicht arglistig herbeigeführt oder ausgenützt wurden – in der Regel unbeachtlich. Auch Kalkulationsirrtümer sind grundsätzlich unbeachtlich, außer es handelt sich dabei um für Dritte nachvollziehbare Schreib- oder Rechenfehler. Außerdem berechtigen unerhebliche Irrtümer (wenn die Kenntnis der wahren Sachlage den Abschluss des Geschäfts in keiner Weise beeinflusst hätte) nicht zur Irrtumsanfechtung.

Ungelesenes unterfertigen

Bei Irrtümern über die Erklärung selbst muss unterschieden werden: Unterschreibt jemand ein Schriftstück, ohne es gelesen zu haben und hatte der Unterschreibende keine genaue Vorstellung vom Inhalt des Unterschriebenen, wird ein bewusstes Inkaufnehmen des Inhaltes angenommen und scheidet die Irrtumsanfechtung grundsätzlich aus. Hatte der Unterschreibende hingegen eine klare Vorstellung vom Inhalt des Unterschriebenen, etwa weil er aber meinte. das mündliche Vereinbarte zu unterschreiben, ist eine Irrtumsanfechtung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen möglich.

Geltendmachung des Irrtums

Der Irrende kann entscheiden, ob er den Irrtum aufgreift. Verzichtet er darauf, bleibt der Vertrag aufrecht. Will er den Irrtum geltend machen, muss er das gerichtlich (mittels Klage oder Einrede) längstens binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss tun. Bei arglistiger Irreführung beträgt die Anfechtungsfrist 30 Jahre. Die erfolgreiche Irrtumsanfechtung führt zur rückwirkenden Aufhebung oder Anpassung des Vertrags.      

Auf die Geltendmachung eines Irrtums kann ein Unternehmer z.B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verzichten. Dieser Vorausverzicht ist jedoch bei grob fahrlässiger Veranlassung unwirksam. Ein Verbraucher kann im Voraus nicht auf die Geltendmachung eines Irrtums verzichten.

Drohung

Wer von einem Vertragspartner durch „ungerechte und begründete“ Furcht zu einem Vertrag veranlasst wurde, kann innerhalb von drei Jahren nach ihrem Wegfall den Vertrag gerichtlich anfechten oder seine Anpassung fordern. Als „ungerechte Furcht“ ist jeder rechtswidrige Zwang anzusehen (nicht bloß Erpressung und Nötigung im Sinn des Strafgesetzbuchs). Ob die Furcht „begründet“ ist, wird nach Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr und der Leibes- und Gemütsbeschaffenheit des Bedrohten beurteilt.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

Häufig gehen die Parteien beim Vertragsabschluss vom Bestehen, Fortbestehen oder Eintritt bestimmter Umstände aus. Fallen solche angenommenen wesentlichen Geschäftsgrundlagen weg, kann letztes Mittel (wenn also weder vertragliche noch gesetzliche Regelungen oder die ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung kommen) analog zu den Regelungen bei Irrtum die Aufhebung oder Anpassung des Vertrags versucht werden. Wurde eine Geschäftsgrundlage nicht nachweisbar zur Bedingung des Geschäfts gemacht, ist eine Anfechtung wenig erfolgversprechend.

Verkürzung über die Hälfte (= laesio enormis)

Ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Gegenleistung nicht einmal halb so viel wert wie die Leistung, kann der verkürzte Vertragspartner die Aufhebung des Vertrags und die Wiederherstellung des vorigen Standes fordern. Der Vertrag kann durch Parteienvereinbarung oder durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden. Die gerichtliche Geltendmachung muss innerhalb von drei Jahren ab Vertragsabschluss erfolgen. Der verkürzende Vertragspartner kann die Vertragsaufhebung dadurch abwenden, dass er dem Verkürzten die Differenz auf den gemeinen Wert der Leistung des Verkürzten zahlt.

Beispiel:
Die Leistung des Verkürzten war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 100 EUR, die Gegenleistung des Verkürzenden 49 EURwert. Wenn der Verkürzende dem Verkürzten 51 EUR aufzahlt, kann der Verkürzte nicht mehr auf Vertragsaufhebung bestehen.

Auf laesio enormis kann im Vorhinein nur von einem Unternehmer verzichtet werden. Verkürzung über die Hälfte kommt aber dann nicht zur Anwendung, wenn der Erwerber erklärt hat, die Sache zum vereinbarten Entgelt aus besonderer Vorliebe zu kaufen, wenn er ihren wahren Wert kannte, wenn die Parteien eine gemischte Schenkung schließen wollten oder bei Erwerb in einer gerichtlichen Versteigerung. 

Nicht alle Arten von Verträgen können wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten werden: Die Anfechtungsmöglichkeit besteht beispielsweise bei Kauf-, Werk-, Miet-, Pacht-, Gesellschaftsverträgen, Erbteilungsübereinkommen, nicht aber bei Vergleichen oder Glücksverträgen wie Wetten. Auch ein Unternehmer kann sich bei einem Vertrag mit einem Verbraucher unter Umständen auf laesio enormis berufen.

Schuldnerverzug (Lieferverzug)

Erbringt der Schuldner die geschuldete Leistung bei Fälligkeit nicht in der richtigen Art, zur richtigen Zeit oder am richtigen Ort, kann der Gläubiger wählen, ob er auf der Einhaltung des Vertrags besteht oder unter Setzung einer angemessenen Nachfrist bei gleichzeitiger Androhung des Rücktritts für den Fall, dass auch in der Nachfrist nicht erfüllt wird, vom Vertrag zurücktritt. Insbesondere bei sogenannten Fixgeschäften (z.B. Lieferung bei sonstigem Rücktritt bis 30.6.2023; Auftrag für ein Silvesterfeuerwerk) entfällt die Nachfristsetzung und kann der Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr schuldbefreiend erfüllt werden. Bei verschuldetem Schuldnerverzug kann der Gläubiger Schadenersatzansprüche geltend machen.

Gewährleistung

Auch im Zusammenhang mit Gewährleistungsansprüchen kann die Möglichkeit bestehen, den Vertrag aufzulösen.  

Wucher

Wucherische Verträge, also Verträge bei denen jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zum Wert der Leistung in auffallendem Missverhältnis steht, sind unwirksam und können binnen 30 Jahren ab Vertragsabschluss gerichtlich angefochten werden. Auf die Einwendung des Wuchers kann im Voraus nicht verzichtet werden. Die erfolgreiche Geltendmachung von Wucher führt zur Rückabwicklung des Vertrags. Wucher ist bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine gerichtlich strafbare Handlung. 

Vertragsstorno

Die Möglichkeit einer Auflösungsvereinbarung oder der Vorbehalt eines Rücktrittsrechts kann auch an bestimmte Bedingungen wie z.B. die Zahlung eines Geldbetrages (Stornogebühr bzw. Reugeld) geknüpft werden. Solche Vereinbarungen können im Vertrag selbst, aber auch noch später getroffen werden. 



Stand: 07.10.2024