Vorsorgevollmacht und Erwachsenenvertretung
Rechtliche und formale Voraussetzungen
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Das Erwachsenenvertretungsrecht löste mit 1.7.2018 das bis dahin geltende Sachwalterschaftsrecht ab. Durch ein Vier-Säulen-Modell soll volljährigen Personen, die nicht (mehr) in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst wahrzunehmen, mehr Selbstbestimmung zukommen: Je mehr Unterstützung benötigt wird, desto formeller ist die Vertretung.
Die vier Säulen der Erwachsenenvertretung sind:
- Säule: Vorsorgevollmacht
- Säule: gewählte Erwachsenenvertretung
- Säule: gesetzliche Erwachsenenvertretung
- Säule: gerichtliche Erwachsenenvertretung
Informationen zur Geschäftsfähigkeit bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen finden Sie hier.
Ein erster Überblick
Vorsorgevollmacht: Durch die Vorsorgevollmacht haben entscheidungsfähige volljährige Personen die Möglichkeit, Vorsorge für den späteren Verlust ihrer Entscheidungsfähigkeit zu treffen. Der Vollmachtgeber kann mithilfe der Vorsorgevollmacht einen oder mehrere Vertreter bestimmen, die ihn bei Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit in den ihm/ihnen übertragenen Angelegenheiten vertreten.
gewählte Erwachsenenvertretung: Ist die Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt und hat er keinen Vertreter bestimmt, kann er keine Vorsorgevollmacht mehr errichten. Ist er aber noch fähig, die Bedeutung und die Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen, kann er eine oder mehrere ihm nahestehende Personen als Erwachsenenvertreter zur Besorgung seiner Angelegenheiten auswählen.
gesetzliche Erwachsenenvertretung: Kann oder will die beschränkt entscheidungsfähige Person keinen Vertreter wählen, besteht die Möglichkeit, dass einem oder mehreren nahen Angehörigen die Vertretung des Betroffenen übertragen wird. Der Nachteil der gesetzlichen Erwachsenenvertretung besteht für den Betroffenen darin, dass er selbst keinen Einfluss auf die Wahl des Vertreters hat.
gerichtliche Erwachsenenvertretung: Kommt eine gesetzliche Erwachsenenvertretung durch einen nahen Angehörigen des Betroffenen nicht in Betracht, hat das Gericht einen Vertreter (z.B. einen Rechtsanwalt oder Notar) für den in seiner Entscheidungsfähigkeit Beeinträchtigten zu bestellen. Auch in diesem Fall kann der Betroffene nicht beeinflussen, wer vom Bericht als Vertreter bestimmt wird.
Allgemeines
Kein automatischer Verlust der Handlungsfähigkeit
In Abkehr zur früheren Sachwalterschaft verliert die vertretene Person mit Bestellung eines Vertreters nicht automatisch ihre Handlungsfähigkeit, also die Fähigkeit durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen. Vielmehr gilt:
Der Vertretene kann selbst in jenen Bereichen, für die ein Vertreter bestellt ist, weiterhin Verträge abschließen. Voraussetzungen: Er muss hinsichtlich des konkreten Rechtsgeschäftes entscheidungsfähig, also in der Lage sein, die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten. Außerdem darf das Gericht keinen sog. Genehmigungsvorbehalt ausgesprochen haben.
Weiters: Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die die Lebensverhältnisse des Volljährigen nicht übersteigen, kann er immer abschließen, auch wenn er nicht entscheidungsfähig ist, und zwar unabhängig davon, ob für ihn ein Vertreter bestellt ist oder nicht. Solche Geschäfte werden mit Erfüllung wirksam. Gemeint sind damit typische Alltagsgeschäfte, wie z.B. Kauf von Kleidungsstücken, Auftrag zur Reparatur der Waschmaschine.
Medizinische Behandlungen
Entscheidungsfähiger Patient: In medizinische Behandlungen kann eine entscheidungsfähige volljährige Person nur selber einwilligen.
Nicht entscheidungsfähiger Patient: Ist die volljährige Person nicht selber entscheidungsfähig, bedarf die medizinische Behandlung der Zustimmung des Vertreters.
Wichtig:
Gibt ein nicht entscheidungsfähiger Patient zu erkennen, dass er eine medizinische Behandlung ablehnt, muss der Vertreter seine Zustimmung vom Gericht genehmigen lassen!
Fraglich entscheidungsfähiger Patient: Ist für den behandelnden Arzt die Entscheidungsfähigkeit eines Patienten fraglich, muss der Arzt den Patienten nachweislich bei der Entscheidungsfindung unterstützen, indem er insbesondere Vertrauenspersonen des Patienten beizieht. Erst wenn so keine Entscheidungsfähigkeit des Patienten hergestellt werden kann, darf der Vertreter über die Behandlung entscheiden.
Gefahr in Verzug: Nur bei Gefahr in Verzug, also wenn eine Verzögerung der Behandlung eine Gefährdung des Lebens, eine schwere Gesundheitsgefährdung oder starke Schmerzen drohen, muss keine Zustimmung des Vertreters vorliegen. Sobald keine Gefahr in Verzug mehr vorliegt, gilt das oben Ausgeführte.
Wer kann Vorsorgebevollmächtigter oder Erwachsenenvertreter (= Vertreter) sein?
Vertreter kann nur sein, wer volljährig und in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen.
Folgende Personen können nicht Vertreter sein (Ausschlussgründe):
- Minderjährige.
- Personen, die selbst einen Vertreter haben.
- Personen, von denen – etwa wegen strafgerichtlicher Verurteilung – nicht zu erwarten ist, dass ihr Tätigwerden dem Wohle des Vertretenen förderlich ist.
- Personen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zur vertretenen Person stehen.
- Personen, die in einer so engen Beziehung zu einer Einrichtung, in der sich der Vertretene aufhält oder von der dieser betreut wird, steht, die einem Abhängigkeitsverhältnis gleichkommt; zu denken ist hier etwa an hauptberufliche Mitarbeiter vor allem in leitender Position.
- Personen, die bereits 15 Vorsorgevollmachten oder Erwachsenenvertretungen übernommen haben (aber Ausnahme für Notare, Anwälte und Erwachsenenschutzvereine).
Österreichisches Zentrales Vertretungsverzeichnis (ÖZVV)
Vorsorgevollmachten und Erwachsenenvertretungen sind im ÖZVV einzutragen. Eintragungen können durch Notare, Rechtsanwälte, Erwachsenenschutzvereine und Gerichte erfolgen. Einsicht ins ÖZVV nehmen können die Gerichte, Notare, Rechtsanwälte, Erwachsenenschutzvereine, Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger, die vertretene Person und ihr(e) Vertreter. Dritte, die ein rechtliches Interesse glaubhaft machen, können schriftlich bei Gericht Auskunft aus dem ÖZVV begehren.
Allgemeine Pflichten des Vertreters
Der Vertreter muss sich bemühen, dass die vertretene Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann, und sie, soweit wie möglich, in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Er hat die vertretene Person von beabsichtigten, ihre Person oder ihr Vermögen betreffenden Entscheidungen rechtzeitig zu verständigen und ihr die Möglichkeit zu geben, sich dazu in angemessener Frist zu äußern. Die Äußerung der vertretenen Person ist zu berücksichtigen, sofern dadurch ihr Wohl nicht erheblich gefährdet wird.
Er ist, außer gegenüber dem Pflegschaftsgericht, grundsätzlich zur Verschwiegenheit über alle ihm in Ausübung seiner Funktion anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Gegenüber nahen Angehörigen (Ehegatte, eingetragener Partner, Lebensgefährte, Eltern und Kinder des Vertretenen) ist er aber zu seinem Wirkungsbereich, zum geistigen und körperlichen Befinden und den Wohnort des Vertretenen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, es sei denn, die Auskunft würde gegen den Willen oder das Wohl des Vertretenen erfolgen.
Erwachsenenvertreter-Verfügung
Eine Person kann jemanden bezeichnen, der für den Fall, dass die Bestellung eines Vertreters notwendig werden sollte, für sie als Erwachsenenvertreter tätig werden oder gerade nicht tätig werden soll („negative Erwachsenenvertreter-Verfügung“). Die verfügende Person muss zumindest gemindert entscheidungsfähig sein, also sich im Klaren darüber sein, was eine Erwachsenenvertretung und die Bezeichnung bzw. den Ausschluss einer Person vom Amt des Erwachsenenvertreters bedeutet. Die Verfügung muss schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein errichtet und ins ÖZVV eingetragen werden. Die verfügende Person kann die Verfügung jederzeit widerrufen. Der Widerruf ist ebenfalls im ÖZVV einzutragen.
Die einzelnen Vertretungsmodelle im Detail
1. Säule: Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine geschäftsfähige Person (Vollmachtgeber) vorsorglich eine andere Person (Bevollmächtigter, Vertreter), sie im Falle des späteren Verlustes der Entscheidungsfähigkeit zu vertreten. Eine Vorsorgevollmacht kann einzelne Angelegenheiten oder bestimmte Arten von Angelegenheiten umfassen. Sie ist zeitlich unbeschränkt, kann vom Vollmachtgeber jedoch jederzeit widerrufen werden.
Entstehen der Vorsorgevollmacht und ÖZVV
Eine Vorsorgevollmacht ist persönlich und schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder – in rechtlich einfacheren Fällen – einem Erwachsenenschutzverein zu errichten.
Um überhaupt wirksam werden zu können, muss die Vorsorgevollmacht im ÖZVV registriert werden. Wirksam wird sie aber erst, wenn der Vorsorgefall eingetreten ist und der Eintritt ebenfalls im ÖZVV eingetragen ist. Der Vorsorgefall ist dann eingetreten, wenn der Vollmachtgeber über die in der Vorsorgevollmacht genannten Angelegenheiten nicht mehr selber entscheiden kann. Der Verlust der Entscheidungsfähigkeit ist mittels ärztlichem Attest zu bescheinigen.
Wer kann Vorsorgebevollmächtigter sein?
Der Vollmachtgeber kann den Vorsorgebevollmächtigten frei wählen, sofern kein Ausschlussgrund vorliegt.
Gerichtliche Kontrolle und gerichtliche Genehmigungen
Der Vorsorgebevollmächtigte muss die Vollmachtsurkunde und sowie das ärztliche Zeugnis, mit dem die eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit bescheinigt wird, bis zur Beendigung seiner Vertretung aufbewahren und auf Verlangen dem Gericht übermitteln. Damit soll sichergestellt werden, dass das Gericht in den Besitz dieser Urkunden gelangen kann, wenn die Richtigkeit der von ihnen beurkundeten Tatsachen bestritten wird.
Abgesehen davon findet bei einer Vorsorgevollmacht – anders als bei den verschiedenen Formen der Erwachsenenvertretung – keine gerichtliche Kontrolle statt.
Eine gerichtliche Genehmigung ist notwendig bei:
- dauerhafter Wohnortveränderung ins Ausland
- medizinischen Behandlungen gegen den Willen des Vertretenen
- Sterilisation
- medizinische Forschung gegen den Willen des Vertretenen
Wie lange gilt eine Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht gilt zeitlich unbefristet. Sie endet durch:
- Tod der vertretenen Person oder des Vorsorgebevollmächtigten
- gerichtliche Entscheidung
- Eintragung des Widerrufs der Vorsorgevollmacht durch den Vertretenen im ÖZVV
- Eintragung der Kündigung der Vorsorgevollmacht durch den Vorsorgebevollmächtigten im ÖZVV
- Eintragung des Wegfalls des Vorsorgefalls im ÖZVV
Pflichten des Vorsorgebevollmächtigten
Der Vorsorgebevollmächtigte muss die Vollmachtsurkunde und sowie das ärztliche Zeugnis, mit dem die eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit bescheinigt wird, bis zur Beendigung seiner Vertretung aufbewahren und auf Verlangen dem Gericht übermitteln.
Den Vorsorgebevollmächtigten trifft – anders als einen Erwachsenenvertreter – gegenüber dem Gericht keine jährliche Berichtspflicht über die Lebenssituation der vertretenen Person und auch keine Rechnungslegungspflicht.
Aufwandersatz und Entlohnung
Eine allfällige Entlohnung und ein allfälliger Aufwandersatz richten sich nach allgemeinem Stellvertretungsrecht, d.h. ohne Vereinbarung gibt es keine Entlohnung und es sind nur notwendiger und nützlicher Aufwand zu ersetzen.
2. Säule: Gewählte Erwachsenenvertretung
Wenn
- keine Vorsorgevollmacht errichtet wurde oder eine solche wegen der fehlenden Entscheidungsfähigkeit nicht mehr errichtet werden kann, und
- die volljährige Person, die die Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen noch versteht (= geminderte Entscheidungsfähigkeit),
kann diese volljährige Person eine oder mehrere ihr nahe stehenden Personen als Erwachsenenvertreter auswählen.
Entstehen der gewählten Erwachsenenvertretung und ÖZVV
Zwischen dem zu Vertretenden und dem Vertreter ist eine schriftliche Vereinbarung persönlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein abzuschließen, in der die Vertretungsbefugnisse des Vertreters festzulegen sind. Die Erwachsenenvertretung entsteht mit Eintragung im ÖZVV. Vor der Errichtung dieser Vereinbarung sind die betroffene Person und der Vertreter über Wesen und Folgen, die Möglichkeit eines jederzeitigen Widerrufes sowie Rechte und Pflichten des Vertreters zu belehren.
Wer kann gewählter Erwachsenenvertreter sein?
Jede der vertretenen Person nahestehende Person kann gewählter Erwachsenenvertreter sein, sofern kein Ausschlussgrund vorliegt. Zur gewählten Person muss ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen, die Angehörigeneigenschaft ist jedoch nicht Voraussetzung; daher können auch Freunde oder Nachbarn gewählt werden. Eine professionelle Ausübung der gewählten Erwachsenenvertretung ist nicht vorgesehen. Es können auch mehrere Vertreter ausgewählt werden. Mehrere Vertreter können nur mit jeweils unterschiedlichem Wirkungsbereich eingesetzt werden.
Die Vertretung kann
- einzelne Angelegenheiten oder Arten von Angelegenheiten betreffen,
- auf Einsichts- und Auskunftsrechte beschränkt werden,
- vorsehen, dass der Vertreter nur im Einvernehmen mit der vertretenen Person rechtswirksam vertreten kann oder,
- dass die vertretene Person selbst nur mit Genehmigung des Vertreters rechtswirksam Erklärungen abgeben kann.
- Ist nichts anderes vereinbart, ist auch immer die Vertretung vor Gericht umfasst.
Gerichtliche Kontrolle und gerichtliche Genehmigung
Folgende Pflichten des gewählten Erwachsenenvertreters werden gerichtlich kontrolliert:
- Erstattung eines jährlichen Lebenssituationsberichtes
- Rechnungslegung: Antrittsrechnung, laufende Rechnung höchstens alle drei Jahre (davon sind nächste Angehörige und Erwachsenenschutzvereine grundsätzlich befreit) sowie Schlussrechnung
- Vermögensverwaltung – sind nächste Angehörige Vertreter, erfolgt eine Überwachung aber nur, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder das Vermögen oder die Jahreseinkünfte 15.000 EUR wesentlich übersteigt.
Eine gerichtliche Genehmigung ist notwendig bei:
- dauerhafter Wohnortveränderung
- medizinischen Behandlungen gegen den Willen des Vertretenen
- Sterilisation
- medizinische Forschung gegen den Willen des Vertretenen
- Vermögensangelegenheiten des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs
- wichtigen Angelegenheiten der Personenvorsorge, z.B. Änderung des Vor- oder Nachnamens, der Religionszugehörigkeit, Erwerb/Verlust der Staatsbürgerschaft, Angelegenheiten der Ausbildung oder Berufsausübung.
Aufwandersatz
Der gewählte Erwachsenenvertreter hat Anspruch auf Ersatz seines eigenen Aufwandes (z.B. Fahrt-, Telefon-, Porto-, Haftpflichtversicherungskosten), soweit dadurch der Unterhalt der vertretenen Person nicht gefährdet ist. Eine jährliche Entlohnung wie beim gerichtlichen Erwachsenenvertreter ist nicht vorgesehen.
Wie lange gilt eine gewählte Erwachsenenvertretung?
Die gewählte Erwachsenenvertretung gilt zeitlich unbefristet. Sie endet durch:
- Tod der vertretenen Person oder des Erwachsenenvertreters
- gerichtliche Entscheidung
- Eintragung des Widerrufs/der Kündigung im ÖZVV
3. Säule: Gesetzliche Erwachsenenvertretung
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist die Vertretungsbefugnis durch nächste Angehörige und ist an die bis zum 30.6.2018 bestehenden Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger angelehnt. Sie kommt dann zum Tragen, wenn
- eine volljährige Person nicht mehr entscheidungsfähig ist, also nicht einmal mehr einen gewählten Erwachsenenvertreter wählen kann,
- noch keinen Vertreter hat,
- der gesetzlichen Erwachsenenvertretung nicht widersprochen hat und
- ein nächster Angehöriger vorhanden ist, der bereit ist, als gesetzlicher Erwachsenenvertreter tätig zu werden.
Entstehen der gesetzlichen Erwachsenenvertretung durch Eintragung im ÖZVV
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung entsteht durch Eintragung ins ÖZVV (die bis 30.6.2018 bestehende Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger musste nicht im ÖZVV eingetragen sein, um wirksam zu sein). Davor ist die betroffene Person über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerspruchs zu belehren. Voraussetzung für die Eintragung ist die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem hervorgeht, dass die zu vertretende Person die vom Wirkungsbereich des zukünftigen Vertreters umfassten Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann.
Wer kann gesetzlicher Erwachsenenvertreter sein?
Gesetzlicher Erwachsenenvertreter kann nur ein nächster Angehöriger sein. Es darf kein Ausschlussgrund vorliegen. Nächste Angehörige sind Eltern, Großeltern, volljährige Kinder, Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen der volljährigen Person, Ehegatte oder eingetragener Partner und ihr Lebensgefährte, wenn dieser mit ihr seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie die von der volljährigen Person in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung bezeichneten Person. Andere nahestehende Personen können nicht als gesetzlicher Erwachsenenvertreter tätig werden.
Es können auch mehrere gesetzliche Erwachsenenvertreter bestellt werden.
Die Vertretung kann folgende Bereiche betreffen:
- Vertretung in Verwaltungs(gerichts)verfahren (z.B. Antragstellung auf Pflegegeld)
- Vertretung in gerichtlichen Verfahren
- Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten
- Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs
- Entscheidung über medizinische Behandlungen
- Änderung des Wohnortes und Abschluss von Heimverträgen
- Vertretung in anderen personenrechtlichen Angelegenheiten
- Abschluss anderer Rechtsgeschäfte
- Befugnis, über laufende Einkünfte und Vermögen der vertretenen Person insoweit zu verfügen, als diese zur Besorgung der Rechtsgeschäfte erforderlich ist
Gerichtliche Kontrolle und gerichtliche Genehmigung
Der gesetzliche Erwachsenenvertreter hat folgende gerichtlich kontrollierte Pflichten:
- Erstattung eines jährlichen Lebenssituationsberichtes
- Rechnungslegung: nächste Angehörige und Erwachsenenschutzvereine sind von der Rechnungslegung grundsätzlich befreit; Rechnung ist nur dann zu legen, wenn dies das Gericht aus besonderen Gründen verfügt. Sie müssen aber trotz Befreiung Belege sammeln und diese bis zur Beendigung der Vermögensverwaltung aufbewahren.
- Vermögensverwaltung – sind nächste Angehörige Vertreter, erfolgt eine Überwachung nur, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder das Vermögen oder die Jahreseinkünfte 15.000 EUR wesentlich übersteigt.
Eine gerichtliche Genehmigung ist notwendig bei:
- dauerhafter Wohnortveränderung
- medizinischen Behandlungen gegen den Willen des Vertretenen
- Sterilisation
- medizinische Forschung gegen den Willen des Vertretenen
- Vermögensangelegenheiten des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs
- wichtigen Angelegenheiten der Personenvorsorge, z.B. Änderung des Vor- oder Nachnamens, der Religionszugehörigkeit, Erwerb/Verlust der Staatsbürgerschaft, Angelegenheiten der Ausbildung oder Berufsausübung.
Aufwandersatz
Der gesetzliche Erwachsenenvertreter hat Anspruch auf Ersatz seines eigenen Aufwandes (z.B. Fahrt-, Telefon-, Porto-, Haftpflichtversicherungskosten, soweit dadurch der Unterhalt der vertretenen Person nicht gefährdet ist. Eine jährliche Entlohnung wie beim gerichtlichen Erwachsenenvertreter ist nicht vorgesehen.
Wie lange gilt eine gesetzliche Erwachsenenvertretung?
Die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist zeitlich befristet auf drei Jahre, wobei sie vor Ablauf erneuert werden kann. Wenn nicht durch Ablauf, endet die gesetzliche Erwachsenenvertretung durch:
- Tod der vertretenen Person oder des Erwachsenenvertreters
- gerichtliche Entscheidung
- Eintragung des Widerspruchs der vertretenen Person oder ihres Vertreters im ÖZVV
4. Säule: Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung kommt in Frage, wenn
- die zu vertretende Person ihre Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann,
- kein Vertreter bestellt ist und
- keine gesetzliche Erwachsenenvertretung in Betracht kommt, weil kein Angehöriger als gesetzlicher Erwachsenenvertreter tätig werden kann oder will.
- Die vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter zu besorgenden Angelegenheiten sind im Bestellungsbeschluss bestimmt zu bezeichnen.
- Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist also subsidiär zur gesetzlichen Erwachsenenvertretung und soll nur in jenen Fällen angewendet werden, in denen keine andere – weniger intensive Form – der Erwachsenenvertretung möglich ist.
Wie bei jeder Form der Erwachsenenvertretung verliert die vertretene Person auch hier nicht automatisch ihre Handlungsfähigkeit. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Gericht im Bestellungsbeschluss oder einem gesonderten Beschluss ausgesprochen hat, dass bestimmte rechtsgeschäftliche Handlungen oder Verfahrenshandlungen von der Zustimmung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters abhängig sind. Einen solchen „Genehmigungsvorbehalt“ kann das Gericht nur anordnen, soweit dies zur Abwendung einer ernstlichen oder erheblichen Gefahr für die vertretene Person erforderlich ist. Das Gericht kann einen Genehmigungsvorbehalt auch für Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens, die die Lebensverhältnisse der vertretenen Person nicht übersteigen, anordnen.
Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters und ÖZVV
Der gerichtliche Erwachsenenvertreter wird auf Antrag der betroffenen Person oder aufgrund einer Anregung einer anderen Person vom Gericht bestellt.
Die Vertretungsbefugnis entsteht mit Rechtskraft des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses. Für die Zeit dazwischen kann ein einstweiliger Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit vom Gericht bestellt werden. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist vom Gericht ins ÖZVV einzutragen, die Eintragung ist allerdings anders als bei der gewählten und gesetzlichen Erwachsenenvertretung keine Voraussetzung für die Wirksamkeit.
Wer kann gerichtlicher Erwachsenenvertreter sein?
Gerichtlicher Erwachsenenvertreter kann sein:
- Personen, die aus einer Vorsorgevollmacht, einer Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgehen
- nahestehende geeignete Personen
- Erwachsenenschutzvereine
- Notare, Rechtsanwälte oder andere geeignete Personen
Ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter darf nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten bestellt werden. Nach Erledigung der übertragenen Angelegenheit ist die Vertretung einzuschränken oder zu beenden. Darauf hat der Erwachsenenvertreter unverzüglich bei Gericht hinzuwirken.
Pflichten des gerichtlichen Erwachsenenvertreters
Der gerichtliche Erwachsenenvertreter hat folgende gerichtlich kontrollierte Pflichten:
- Erstattung eines jährlichen Lebenssituationsberichtes
- Rechnungslegung: Antrittsrechnung, laufende Rechnung höchstens alle drei Jahre (davon sind nächste Angehörige und Erwachsenenschutzvereine grundsätzlich befreit) sowie Schlussrechnung
- Vermögensverwaltung – sind nächste Angehörige Vertreter, erfolgt eine Überwachung aber nur, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder das Vermögen oder die Jahreseinkünfte 15.000 EUR wesentlich übersteigt.
Eine gerichtliche Genehmigung ist notwendig bei:
- dauerhafter Wohnortveränderung
- medizinischen Behandlungen gegen den Willen des Vertretenen
- Sterilisation
- medizinische Forschung gegen den Willen des Vertretenen
- Vermögensangelegenheiten des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs
- wichtigen Angelegenheiten der Personenvorsorge, z.B. Änderung des Vor- oder Nachnamens, der Religionszugehörigkeit, Erwerb/Verlust der Staatsbürgerschaft, Angelegenheiten der Ausbildung oder Berufsausübung.
Aufwandersatz, Entschädigung und Entgelt
Der gerichtliche Erwachsenenvertreter hat Anspruch auf Ersatz seines eigenen Aufwandes (z.B. Fahrt-, Telefon-, Porto-, Haftpflichtversicherungskosten), soweit dadurch der Unterhalt der vertretenen Person nicht gefährdet ist.
Ihm gebührt weiteres eine jährliche Entschädigung, die sich wie folgt berechnet:
- 5 % der Einkünfte der vertretenen Person; als Einkünfte gelten u. a. Pensionszahlungen (netto); nicht unter Einkünfte fällt u. a. das Pflegegeld.
- 2 % des den Betrag von 15.000 EUR übersteigenden Vermögens
- gerichtliche Minderung aber auch Erhöhung möglich
Ist ein Notar oder Rechtsanwalt zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt und sind für die Vertretung besondere Rechtskenntnisse erforderlich, gebührt dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter dafür grundsätzlich ein angemessenes Entgelt.
Wie lange gilt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung?
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist zeitlich befristet auf drei Jahre, wobei sie erneuert werden kann. Spätestens ein halbes Jahr vor dem Ablauf informiert das Gericht den Vertreter und die vertretene Person über die Möglichkeit der Erneuerung. Weitere Beendigungsgründe:
- Tod der vertretenen Person oder des Erwachsenenvertreters
- gerichtliche Entscheidung
Stand: 07.10.2024