Umqualifizierung des Arbeitsmediziners zum echten Dienstnehmer
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 20.1.2015 festgestellt, dass ein auf Basis eines Werkvertrages tätiger Arzt in Ausübung seiner Funktion als Arbeitsmediziner als echter Dienstnehmer zu qualifizieren ist.
Lesedauer: 3 Minuten
Abgrenzung Dienstvertrag – Werkvertrag
Dienstnehmer ist, wer in persönlicher Abhängigkeit seine Arbeitskraft gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Wesentliche Merkmale dabei sind die persönliche Arbeitspflicht, die Bindung hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsablauf sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers.
Werkvertragsnehmer ist, wer sich in persönlicher Unabhängigkeit und persönlicher Ungebundenheit zur Erbringung einer Leistung oder zur Herstellung eines Werkes verpflichtet. Dabei arbeitet er nach eigenem Plan mit eigenen Betriebsmitteln und auf eigenes wirtschaftliches Risiko.
Arbeitsmediziner
Arbeitgeber sind unter anderem verpflichtet, für eine arbeitsmedizinische Betreuung ihrer Arbeitnehmer zu sorgen.
Die arbeitsmedizinische Betreuung kann erfolgen durch
- Anstellung eines Arbeitsmediziners im Betrieb,
- externe Betreuung durch einen Arbeitsmediziner mit Werkvertrag oder
- Betreuung durch ein arbeitsmedizinisches Zentrum.
In Arbeitsstätten mit mehr als 50 Arbeitnehmern muss pro Jahr eine bestimmte Mindestzeit an arbeitsmedizinischer Betreuung erbracht werden. Im Ausmaß der für die Arbeitsstätte ermittelten Präventionszeit hat eine Betreuung des Betriebes durch Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner und (gegebenenfalls) sonstige geeignete Fachleute nach einem bestimmten Zeitschlüssel zu erfolgen. Auf die Arbeitsmediziner haben pro Kalenderjahr mindestens 35% der errechneten Präventionszeit zu entfallen.
Die Präventionszeit ist unter Berücksichtigung betrieblicher Verhältnisse auf das Kalenderjahr aufzuteilen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall verpflichtete sich der Allgemeinmediziner gegenüber eines Unternehmens zur Übernahme sämtlicher Aufgaben der arbeitsmedizinischen Betreuung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) und nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG).
Im Zuge eines Werkvertrages wurde die Einsatzzeit von 184 Stunden pro Kalenderjahr und einem Jahreshonorar vereinbart, das in zwölf gleich hohen Teilbeträgen am Ende jeden Kalendermonats ausbezahlt wurde. Die Einteilung der Präventionszeit wurde zwischen dem Arbeitsmediziner und dem Unternehmen gemeinsam für jeweils Dienstag von 12.00-16.00 Uhr festgelegt. Der Arbeitsmediziner erhielt eine elektronische Betriebszugangskarte, wodurch seine An- und Abwesenheit erfasst wurde und kontrollierbar war.
Dem Arbeitsmediziner stand für die Ausübung seiner Tätigkeit ein Erstversorgungsraum, ausgestattet mit einem Schreibtisch, Stühlen, einer Ordinationsliege, einem Defibrillator, Verbandsstoffe, einem Arzneischrank und Medikamenten zur Verfügung. Zugang zu diesem Zimmer sowie zum Arzneischrank hatten lediglich der Arbeitsmediziner und der Ersthelfer des Betriebes. Der Arbeitsmediziner nahm seine Arzttasche jedes Mal selbst mit.
Er war in Ausübung seiner Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden.
Der Arbeitsmediziner war nicht verpflichtet seine vertraglich geschuldete Leistung selbst zu erbringen. Im Laufe der Werkvertragsbeziehung machte der Arbeitsmediziner von seinem Vertretungsrecht jedoch bloß zweimal Gebrauch. Aus organisatorischen Gründen wurden die Vertretungen rechtzeitig bekannt gegeben. Die Vertretung wurde vom Arbeitsmediziner selbst bezahlt.
Zudem war im Werkvertrag vereinbart, dass das Unternehmen dem Arbeitsmediziner bei dessen beruflicher Fort- und Weiterbildung unterstützt sowie die im Zuge einer Dienstreise angefallenen Reise- und Aufenthaltskosten ersetzt.
Der Arbeitsmediziner ist ein echter Dienstnehmer - Begründung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung der Gebietskrankenkasse, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Arbeitsmediziner um ein echtes Dienstverhältnis handelt, bestätigt und begründet wie folgt:
Der Arbeitsmediziner war dauerhaft und unbefristet zur Übernahme der Aufgaben der arbeitsmedizinischen Betreuung verpflichtet und an einen fixen Arbeitsort und bestimmte Arbeitszeiten entsprechend der ordentlichen Betriebszeit gebunden.
Es bestand kein eigenes wirtschaftliches Risiko, da ein indexgesichertes Jahreshonorar, welches monatlich in gleich hohen Teilbeträgen ausbezahlt wurde, vereinbart war.
Durch die elektronische Registrierung mittels Betriebszugangskarte bestand eine Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der vereinbarten Arbeitszeiten des Arbeitsmediziners.
Es bestand ein vertraglich eingeräumtes Vertretungsrecht, welches allerdings überwiegend nicht in Anspruch genommen wurde. Weiters wurde durch die Verpflichtung zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen eine umfassende Vertretungsbefugnis ausgeschlossen.
Vertraglich wurde die finanzielle Unterstützung bei Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen des Arbeitsmediziners sowie der Ersatz von Reise- und Aufenthaltskosten bei durch die Betriebsleistung zu genehmigenden Dienstreisen vereinbart.
Konsequenzen
Das Bundesverwaltungsgericht verweist in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die „einzelfallbezogene Gesamtschau“. Das bedeutet, dass nicht automatisch jeder im Betrieb tätige Arbeitsmediziner ein echter Dienstnehmer ist. Liegen jedoch die oben angeführten Merkmale in dieser oder ähnlicher Form vor, so ist von einer Beschäftigung auf unselbständiger Basis auszugehen.
Vorsicht!
Der Umstand, dass der Arbeitsmediziner eine eigene Arztpraxis und/oder diverse weitere Beschäftigungen in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen hat, schließt nicht aus, dass die Tätigkeit als Arbeitsmediziner auf Basis eines echten Dienstvertrages erfolgt.
Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“
Stand: 01.03.2015