Eine Serie zur Arbeitszeit
Praxisinfos: Vorschriften, Arbeitszeitgrenzen, Vergütung Arbeitszeitmodelle
Lesedauer: 9 Minuten
Das Arbeitszeitrecht sieht zahlreiche Beschränkungen in zeitlicher Hinsicht vor. Der Zweck der Arbeitszeitvorschriften besteht neben dem Schutz der Arbeitnehmer, auch in der Förderung des Beschäftigungsniveaus durch Arbeitszeitflexibilisierung.
Dieser Artikel behandelt die diversen Problemfelder Rund um die Arbeitszeit, u.a. wie Arbeitszeitgrenzen, Vergütung der Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle. Weiters wird auf Arbeitszeitprobleme in der Praxis eingegangen.
Teil 1 | Arbeitszeitprobleme: Worum geht's?
Auch wenn es in der Arbeitszeit meist um die unteren drei Problemfelder geht, ist das Thema hochkomplex. Denn Arbeitszeit ist auf vielen Ebenen geregelt – durch Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung (falls ein Betriebsrat besteht) und Einzelvereinbarung. Bei Fragen sind oft alle Ebenen zu prüfen.
Problemfeld | Arbeitszeitgrenzen | Vergütung der Arbeitszeit | Wer bestimmt die Arbeitszeit? Welches Arbeitszeit-Modell wofür? |
Worum geht's? |
| Der vereinbarte Monatslohn bzw. der im KV vorgesehene Mindestlohn gebührt für eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder weniger, sofern der KV diese verkürzt hat. Bei Teilzeit gebührt der aliquote Teil, d.h. bei 20 Stunden die Hälfte. Zuschläge/Zulagen zum normalen Stundenlohn können aus verschiedenen Gründen entstehen. Bei der Vergütung zu klären sind Höhe und Art (einzeln, pauschal, Geld, Zeitausgleich).AN | Arbeitszeit ist grundsätzlich zu vereinbaren. Bei fixer Arbeitszeit reicht eine Vereinbarung zu Beginn. Schwankt aber der Bedarf, kommt es rasch zur (Streit)Frage, wer Lage und Dauer der Arbeitszeit bestimmt. Das hängt wesentlich vom Arbeitszeitmodell ab: Bei Gleitzeit hat der AN Spielräume, bei Schichtarbeit kaum. |
Wen betriff's? | AN, Arbeitsinspektion | AN, Gebietskrankenkasse | AN |
Rechts-folgen bei Verstößen/ Konflikten | Ermahnung, Anzeige, Verwaltungsstrafe | Klage vor Gericht; Nachforderung von SV-Beiträgen; Anzeige, Verwaltungsstrafe wegen Lohndumping | Klage vor Gericht; |
Tipp!
Oft geht es nicht um Einzelprobleme wie Überstunden und ihre Vergütung, sondern um strategische Fragen: Wie decke ich Spitzenzeiten ab? Wie reduziere ich Überstunden? Wie stelle ich sicher, dass (nur) dann gearbeitet wird, wenn der Bedarf da ist? Welches Arbeitszeitmodell passt für meinen Betrieb?
Einzelprobleme sind auch anhand der Informationen auf www.wko.at/arbeitszeit zu lösen. Strategische Fragen sind mit Spezialisten zu klären. Die Experten der WKO stehen dafür zur Verfügung.
Teil 2 | Problemfeld: Arbeitszeitgrenzen
Es gibt zwei Arten von Grenzen:
- Die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit (10 bzw. 50 Stunden), die Ruhepausen und Ruhezeiten sollen den AN vor Überlastung schützen. Sie werden von der Arbeitsinspektion kontrolliert. Überschreitungen führen zu einer Ermahnung, schwer wiegende oder wiederholte Verstöße zu einer Anzeige sowie zu einer Verwaltungsstrafe durch die Bezirksverwaltungsbehörde.
- Davon zu unterscheiden sind die täglichen und wöchentlichen Grenzen der Normalarbeitszeit. Sie dürfen überschritten werden, dann kommt es aber zu Überstunden oder Mehrarbeit, für die eine höhere Vergütung gebührt als für Normalarbeitszeit (siehe nächster Teil der Serie).
Tagesarbeitszeit*
Mehr als 10 Stunden
Fast immer Überstunden, nur in wenigen Fällen zulässig
10 Stunden
meist Höchstarbeitszeit, 10. Stunde meist Überstunde
9. Stunde
meist Normalarbeitszeit
8 Stunden
Normalarbeitszeit
Wochenarbeitszeit*
60 Stunden
Unter bestimmten Voraussetzungen Höchstarbeitszeit
50 Stunden
meist zulässige Höchstarbeitszeit inkl. Überstunden
48 Stunden
Höchstarbeitszeit im 17 Wochen-Schnitt
40 Stunden
Gesetzliche Normalarbeitszeit, Arbeit darüber meist Überstunden
38,5 Stunden*
Normalarbeitszeit in vielen KVs, Arbeit darüber Mehrarbeit oder Überstunden
*Alle Grenzen gelten auch für Teilzeit. Ausnahme: Sind z.B. 20 Stunden Wochenarbeitszeit vereinbart, ist schon die 21. Stunde prinzipiell Mehrarbeit.
Ruhepausen, Ruhezeiten
- Nach max. 6 Stunden Arbeit mindestens 1/2 Stunde Pause (Mittagspause)
- Nach der Tagesarbeitszeit mindestens 11 Stunden Ruhezeit (Nachtruhe)
- In jeder Kalenderwoche mindestens 36 Stunden Ruhezeit inkl. Sonntag (Wochenendruhe)
Ausnahmen
Es gibt zahlreiche Ausnahmen von den obigen Grenzen und Vorgaben. Die meisten setzen entweder ein bestimmtes Arbeitszeitmodell, einen entsprechenden KV, eine Betriebsvereinbarung, eine Einzelvereinbarung, eine Genehmigung durch den Arbeitsinspektor, eine arbeitsmedizinische Unbedenklichkeitsbescheinigung oder mehrere dieser Schritte voraus. Viele Ausnahmen und Sonderregeln gibt es auch für bestimmte Branchen und Berufe.
Die wichtigsten Grenzen – 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche - dürfen generell überschritten werden:
- bei Schichtarbeit
- bei Arbeitsbereitschaft
- im Rahmen einer Viertagewoche
- bei Vor- und Abschlussarbeiten
- durch Reisezeiten (aktiv und passiv)
- bei erhöhtem Arbeitsbedarf
Praxistipp:
Haben Sie Probleme mit Arbeitszeitgrenzen, prüfen Sie mit einem Experten passende Ausnahmen. Z.B. kann bei erhöhtem vorübergehendem Arbeitsbedarf die Arbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche ausgedehnt werden. Das setzt unter anderem voraus:
- in Betrieben mit BR eine Betriebsvereinbarung;
- in Betrieben ohne BR eine schriftliche Einzelvereinbarung UND die Feststellung der arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeit durch einen Arbeitsmediziner;
- Näheres zu Arbeitszeitgrenzen unter wko.at/arbeitszeit Buttons Überstunden, Ruhepausen und Ruhezeit
Teil 3 Problemfeld: Vergütung von Arbeitszeit
Arbeitszeit und Vergütung hängen eng zusammen. Der vereinbarte Monatslohn bzw. der im KV vorgesehene Mindestlohn gebührt für eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder weniger, sofern der KV diese verkürzt hat. Bei Teilzeit gebührt der aliquote Teil, d.h. bei 20 Stunden die Hälfte.
Beispiel:
Kassierin Bruttogehalt 2.229 Euro laut KV für Handelsangestellte
Dieses Gehalt gebührt für die Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden, das sind 167 Stunden pro Monat. Sind z.B. nur 20 Stunden Normalarbeitszeit pro Woche vereinbart, gebührt zumindest der aliquote Anteil von 1.158 Euro. Daraus ergibt sich ein normaler Stundenlohn von 13,35 Euro.
Die korrekte Vergütung ist ganz wesentlich. Auf Basis der geleisteten Arbeitszeit kann der AN seine Ansprüche einklagen und die Gebietskrankenkassen prüfen, ob
- das zustehende Mindestentgelt und
- die darauf entfallenden SV-Beiträge und Lohnnebenkosten bezahlt wurden.
Bei geringfügiger oder leicht fahrlässiger Unterentlohnung droht eine Nachzahlung, bei sonstiger Unterentlohnung Anzeige und Verwaltungsstrafe.
Zuschläge/Zulagen zum normalen Stundenlohn
Zum normalen Stunden/Monatslohn kommen unter verschiedensten Voraussetzungen Zuschläge/Zulagen hinzu:
Überstunden | Mehrarbeit | Sonstige Zuschläge | SEG-Zulagen | |
Wann? | An einem Tag werden mehr als 8 oder 9 Stunden, in einer Woche mehr als 40 Stunden gearbeitet. | Es wird mehr gearbeitet als vereinbart, aber es liegen noch keine Überstunden vor. | Es wird zu besonderen Zeiten gearbeitet, z.B. in der Nacht, an Sonn- und Feiertagen, zu erweiterten Öffnungszeiten im Einzelhandel, bei Schichtarbeit. | Es wird unter erschwerten, gefährlichen oder verschmutz- enden Bedingungen gearbeitet. |
Wo steht´s? | Arbeitszeitgesetz, KV | Arbeitszeitgesetz, vereinzelt KV | KV | KV |
Wie hoch? | 50%, je nach KV höhere Zuschläge für qualifizierte Überstunden | 25% bei Teilzeit-AN, bei Vollzeit-AN abhängig vom KV | Abhängig vom KV | Abhängig vom KV |
Ausnah- men |
|
| Abhängig vom KV | Abhängig vom KV |
Ist die Höhe der Vergütung für Arbeitszeit geklärt, ist noch die Form der Vergütung zu prüfen.
Formen der Vergütung von Arbeitszeit
Form der Vergütung | Geld mit Einzelverrechnung | Geld mit Pauschalvereinbarung (Überstundenpauschale, All-In-Vereinbarung) | Zeitausgleich |
Vorteil | + Entgelt entspricht der jeweiligen Leistung o Anreiz für AN, Überstunden zu leisten | + Geringerer Berechnungsaufwand + Stabiles Entgelt o kein Anreiz für AN, Überstunden zu leisten | + geringere Kosten |
Nachteil |
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|
|
Praxistipp:
Um die Kosten im Griff zu behalten, sollten
- zunächst unproduktive Arbeitszeiten vermieden,
- (unnötige) Überstunden vermieden,
- mögliche Ausnahmen sowie die Form der Vergütung geprüft werden.
- Wesentlich sind auch Vertragsgestaltung und die Wahl des richtigen Arbeitszeitmodells (siehe nächster Teil der Serie).
Die Experten der WKO stehen für eine Beratung zur Verfügung.
- Näheres zu Überstunden, Mehrarbeit und Teilzeit unter wko.at/arbeitszeit Buttons Überstunden, Teilzeit
Teil 4 | Problemfeld: Wer bestimmt die Arbeitszeit? Welches Arbeitszeitmodell wofür?
Arbeitszeit ist grundsätzlich zu vereinbaren. Bei fixer Arbeitszeit reicht eine Vereinbarung zu Beginn. Schwankt aber der Bedarf, kommt es rasch zur (Streit)Frage, wer Lage und Dauer der Arbeitszeit bestimmt.
Bei erhöhtem Arbeitsbedarf kann der AG unter bestimmten Voraussetzungen Überstunden anordnen. Häufige Schwankungen erfordern ein flexibles Arbeitszeitmodell: Die möglichen Modelle unterscheiden sich massiv in punkto Flexibilität, Komplexität, Kosten und der Frage, wer die Arbeitszeit bestimmt. Kein Vorteil ohne Nachteil: Bei Gleitzeit hat der AN viel Spielraum, bei durchrechenbarer Arbeitszeit nur wenig, bei Schichtarbeit fast keinen Spielraum mehr.
Arbeitszeitmodelle
Worum | Wo ge- | Vorteile | Nachteile | Typische |
Fixe Arbeitszeiten | ||||
Arbeitszeit ist fix, | BV, EV | Handhabung | Unflexibel | Fixe, eher |
Schichtarbeit | ||||
Ein Arbeitsplatz wird an einem Arbeitstag von mehreren einander abwechselnden AN bzw. AN-Gruppen eingenommen. | KV, BV, EV | - Abdeckung langer Be- - Auslastung von Maschinen - Zeitdruck | - Handhabung komplex - Belastende | Fixe, lange |
Teilzeit mit Mehrarbeit | ||||
Teilzeit-AN | AZG, EV | Flexiblerer Einsatz als Vollzeit-AN | 25% Zuschlag für | Kurze bis mittlere Betriebs- und Öffnungszeiten; |
Viertagewoche | ||||
Die wöchentliche Arbeitszeit wird | AZG, BV, EV | - Ersparnis - Lange Wochenenden | Ganze Woche | Prinzipiell überall |
Durchrechenbare Arbeitszeit | ||||
Die Normal-arbeitszeit wird in einzelnen Wochen auf mehr als 40 Stunden ausgeweitet, | KV, BV, EV | - Flexibel - Vom AG bestimmt - Ersparnis von Zuschlägen | Handhabung komplex | Schwankender |
Teamarbeitszeit | ||||
Der AG gibt einem | KV, BV, EV | Verbindet AG-Vorgaben mit AN-Selbst-bestimmung | - Konzeption u. Hand- habung komplex - Team muss „funktionieren“ | Büro, Spitals-wesen, |
Gleitzeit | ||||
AN können Beginn | AZG, BV, EV | - Flexibel - Erhebliche Ersparnis von Zuschlägen | - Auch vom AN bestimmt - Anhäufung von Zeitguthaben | Keine fixen, |
Vertrauensarbeitszeit | ||||
AN gestaltet seine | EV | Extrem | Widerspricht dem AZG | nur für leitende |
AZG Arbeitszeitgesetz, KV Kollektivvertrag, BV Betriebsvereinbarung, EV Einzelvereinbarung
Praxistipp:
Oft liegt das passende Arbeitszeitmodell auf der Hand, oft erfordert die richtige Wahl Experten. Nach der Wahl sind entsprechende Einzel- bzw. Betriebsvereinbarungen zu gestalten. Die Wirtschaftskammer hat viele Mustervereinbarungen, ihre Experten beraten Sie gern.
- Näheres zu Arbeitszeitmodellen unter wko.at/arbeitszeit Buttons Verteilung der Normalarbeitszeit, Teilzeit
Teil 5 | Arbeitszeit: Probleme der Praxis, Spezialfälle
Das passende Arbeitszeitmodell ist gefunden, die Vereinbarungen fixiert, die Vergütung geklärt. Nun muss sich die Praxis einspielen. Früher oder später treten im Betriebsalltag Überraschungen und Spezialfälle auf.
Zunächst muss der AG die geleistete Arbeitszeit aller AN aufzeichnen. Festzuhalten sind Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der täglichen Ruhepause (z.B. 8 bis 12 Uhr, 13 bis 17 Uhr). Der AG kann auch dem AN die Aufzeichnung übertragen, immer bleibt aber der AG gegenüber der Arbeitsinspektion für die korrekte Aufzeichnung verantwortlich.
Vereinfachte Arbeitszeitaufzeichnungen sind möglich:
- bei AN, die die Lage ihrer Arbeitszeit und ihren Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen können (z.B. Außendienst) oder ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben (z.B. Telearbeit) sowie
- bei fixer, schriftlicher Arbeitszeiteinteilung.
- In bestimmten Fällen kann auch die Aufzeichnung von Ruhepausen entfallen.
Besondere Zeiten: Nicht immer ist klar, ob Arbeitszeit vorliegt, etwa bei Schulungen oder wenn ausnahmsweise zuhause gearbeitet wird. Wegzeiten, d.h. die Fahrt vom Wohnort zum Arbeitsort und retour sind grundsätzlich nicht Arbeitszeit. Nimmt der AG (unproduktive) Überstunden entgegen, gelten sie als geleistet. Will der AG das verhindern, muss er solche Arbeitsleistungen dem AN untersagen. Für manche Arbeitszeiten gilt Abweichendes, etwa bei Arbeitsbereitschaft oder bei Reisezeiten, also während Dienstreisen.
Abweichendes gilt auch für bestimmte Personengruppen: Leitende Angestellte unterliegen nicht dem Arbeitszeitgesetz, für sie gelten aber oft die KV! Für Jugendliche gelten niedrigere Arbeitszeitgrenzen, Schwangere dürfen keine Überstunden leisten.
Für Teilzeit gilt grundsätzlich dasselbe wie für Vollzeit. Allerdings gebührt für die Mehrarbeit von Teilzeit-AN ein Zuschlag von 25% (es gibt Ausnahmen). Mehrarbeit ist über das vereinbarte Ausmaß hinausgehende Arbeitszeit, die noch nicht Überstunde ist.
Es gibt speziell geregelte Teilzeitmodelle für bestimmte Situationen: Eltern in Betrieben mit mehr als 20 AN haben Anspruch auf Elternteilzeit. Aus öffentlichen Mitteln gefördert werden die Modelle Altersteilzeit, Bildungsteilzeit und Kurzarbeit.
Praxistipps:
Ebenso korrekt wie die Vereinbarungen sollten auch die Arbeitszeitaufzeichnungen sein.
- Ein gutes Betriebsklima erleichtert Anpassungen. AN und BR sollten in Änderungen eingebunden werden.
- Näheres auf wko.at/arbeitszeit (Besonderheiten und Arbeitszeitaufzeichnungen, Teilzeit)
Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“
Stand: 01.03.2016