Montage eines Kalenderblattes eines Monats und Anschnitt einer analogen Ziffernblattes
© Stillfx | stock.adobe.com

Im Arbeitsvertrag vereinbarte Verfallsfristen sind auch für kollektivvertraglich garantierte Ansprüche wirksam

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26.2.2014, 9 ObA 1/14h, festgehalten, dass eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Verfallsfrist von 3 Monaten rechtswirksam ist, obwohl die vom Arbeitnehmer geltend gemachten Ansprüche aufgrund des Kollektivvertrags zwingend zustanden.

Lesedauer: 2 Minuten

Sachverhalt 

Die Klägerin begehrte eine vom Arbeitsvertrag abweichende Einstufung in den Kollektivvertrag und folglich die Nachzahlung der sich daraus ergebenden Entgeltdifferenzen. Im Arbeitsvertrag war jedoch vereinbart, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bei sonstigem Verfall spätestens am Ende des dritten Monats ab Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Eine schriftliche Geltendmachung von seitens der Klägerin erfolgte jedoch nicht. 

Verjährung

Verjährung bedeutet, dass mit Ablauf einer bestimmten Frist das Klagerecht erlischt. Ein verjährter Anspruch kann gerichtlich nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. Der Anspruch bleibt aber als so genannte "Naturalobligation“ bestehen. 


Vorsicht! 
Verjährte Forderungen sind zwar nicht klagbar, aber zahlbar. Ein trotz Verjährung gezahlter und geschuldeter Betrag kann nicht rückgefordert werden.



Grundsätzlich verjähren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach 3 Jahren ab deren Fälligkeit. 

Verfall 

Verfall bedeutet, dass das Recht als solches untergeht. Der verfallene Anspruch erlischt vollständig. Verfallsfristen finden sich in Gesetzen und Kollektivverträgen und sind zumeist kürzer als die Verjährungsfrist. 



Vorsicht!
Verfallsregelungen erfordern eine rasche, oftmals schriftliche Geltendmachung der Ansprüche!



Gesetzliche und kollektivvertragliche Verfallsklauseln 

Das Gesetz sieht eine sechsmonatige Verfallsfrist bei 

  • Ersatzansprüchen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers aus einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (unberechtigter vorzeitiger Austritt, fristwidrige Kündigung und ungerechtfertigte Entlassung) und
  • Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, die auf leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers (Unachtsamkeit) beruhen,

vor. 



Vorsicht! 
Diese gesetzlichen Verfallsfristen können nicht durch Kollektivvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung verkürzt werden!



Kollektivverträge können die Fristen für die Geltendmachung aller oder einzeln aufgezählter Ansprüche verkürzen, ausgenommen jener, für die das Gesetz Verfallsfristen vorsieht. Diese Fristen betragen häufig zwischen 3 bis 6 Monate.  

Begründung des Obersten Gerichtshofes 

Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass grundsätzlich zwischen

  • einem den Arbeitnehmer begünstigenden zwingenden Anspruch und
  • der Frist für die Geltendmachung dieses Anspruches

zu unterscheiden ist. 

Kollektivvertraglich oder gesetzlich zwingende Ansprüche, wie beispielsweise die korrekte Einstufung nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen oder der aufgrund des Urlaubsgesetzes zustehende Urlaubsanspruch, können vertraglich nicht beseitigt oder zum Nachteil des Arbeitnehmers abgeändert werden.  

Die Vertragsparteien können hingegen eine kürzere als die allgemeine dreijährige gesetzliche Verjährungsfrist als Frist zur Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche vereinbaren. 

Wird nun eine arbeitsvertragliche Verfallsklausel rechtswirksam vereinbart, so ist diese im weiteren Schritt einer Sittenwidrigkeitsprüfung zu unterziehen. Sie wird dann als sittenwidrig befunden, wenn dadurch die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert wird.  

Der Oberste Gerichtshof hat im vorliegenden Fall die Vereinbarung einer dreimonatigen Frist zur außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nicht als unsachlich und sittenwidrig angesehen, weswegen die arbeitsvertragliche Verfallsklausel zulässig und die Ansprüche der Klägerin verfallen waren.  

Exkurs 

Der Oberste Gerichtshof hat jedoch die Frage offen gelassen, ob eine Verfallsklausel auch dann wirksam vereinbart werden kann, wenn der Kollektivvertrag zwar den Verfall einiger bestimmter Ansprüche (etwa von Überstunden) regelt, aber keine generelle Verfallsregelung enthalten ist.  

Je nach Formulierung der Verfallsbestimmung im Kollektivvertrag könnte man davon ausgehen, dass sich die kollektivvertragliche Verfallsregelung nur auf den jeweils genannten Anspruchsgrund bezieht. Eine (zusätzliche) Verfallsfrist im Arbeitsvertrag hinsichtlich aller anderen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis wäre nach dieser Auslegung zulässig. 

Andererseits könnte argumentiert werden, dass aus der Nicht-Einbeziehung in eine kollektivvertragliche Verfallsklausel geschlossen werden kann, dass ein Verfall für die nicht einbezogenen Ansprüche auch nicht stattfinden kann. 

Hier bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten.


Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“

Stand: 01.07.2014