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Tradition im neuen Gewand 

Vor elf Jahren übernahm die gebürtige Donauschwäbin Marlene Stocker die Trachtenwerkstätte Beurle, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert. Wie es dazu kam, schildert sie im Interview.

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Aktualisiert am 20.06.2024

Schon als Schülerin der Trachtenklasse des Annahofs in Salzburg kam Marlene Stocker mit der Trachtenwerkstätte Beurle in Kontakt: „Damals schickten uns die Lehrer zum Stoffeinkauf hierher oder ins Heimatwerk.“ Nachdem Stocker ihre Meisterprüfung im WIFI Salzburg abgelegt hatte, entschloss sie sich 1997 dazu, sich selbstständig zu machen. Ihre erste eigene Werkstatt eröffnete sie in Schönau am Königssee in Bayern, wo sie ihre Liebe zur Tracht entdeckte und ihr Wissen kontinuierlich erweiterte. „Ich wollte einfach die Geschichten rund um die verschiedenen Trachten kennenlernen. Am Königssee führte ich viele Gespräche mit Volkskundlerinnen, die mir ihre Kenntnisse weitergaben, von denen ich heute noch profitiere“, erzählt Stocker.

Die Tracht als Ausdrucksmittel

Für die charmante Schneidermeisterin gibt es kein anderes Kleidungsstück, das so viel von der Persönlichkeit widerspiegelt wie die Tracht. „Man kann damit so viel ausdrücken. Früher erkannte man an der Tracht, welchem Stand man angehörte, welchen Beruf man ausübte oder ob man ledig oder verheiratet war“, berichtet Stocker. „So waren Hirschknöpfe ausschließlich Jägern vorbehalten. Die waren ihre Trophäe.“ Auch der Ausdruck „unter der Haube sein“ stammt daher, dass früher nur verheiratete Frauen Hüte tragen durften.

Von der Begegnung zur Übernahme

Mit dem Sohn von Marianne Traugott-Beurle, Georg Florens Traugott, kam es vor der Übernahme zu mehreren Begegnungen. Unter anderem veranstalteten sie gemeinsam mit dem Heimatwerk eine Modenschau im Rahmen der Volkskultur-Messe. „Herr Traugott kannte mich auch von anderen Veranstaltungen im Berchtesgadener Kurhaus her“, erzählt Stocker. „Offensichtlich gefielen ihm meine Art und meine Arbeiten, denn eines Tages fragte er mich, ob ich mir vorstellen könnte, die Manufaktur zu übernehmen, da es innerhalb der Familie keinen Nachfolger gab.“

© Wildbild/Freund Die meisten ihrer Stoffe bezieht Marlene Stocker aus Österreich

Frischekick in alten Gemäuern

Gleich nach der Übernahme 2013 nahm Marlene Stocker einige Änderungen am Interieur vor: „Der alte Adneter Steinboden und der Ofen blieben, aber die Holzmöbel wurden erneuert und leicht weiß gebeizt. Spiegel lassen den Verkaufsraum größer erscheinen“, berichtet Stocker. Auch die einzelnen Kollektionen wurden aufgefrischt, mit moderneren Stoffen und Schnitten, um die Tracht in die Neuzeit zu holen. Ihre Stofflieferanten, die auch Dolce & Gabbana oder Valentino beliefern, stellen Stoffe mit exklusiven Motiven für sie her. Die meisten Stoffe bezieht Stocker aber aus Österreich, vereinzelt auch Seiden aus Italien.

„Es erfordert ein enormes Wissen und Können, Schnitte oder einzelne Elemente der Trachten so abzuändern, dass sie in der heutigen Zeit tragbar sind“, schildert Stocker, die zwei Mitarbeiterinnen beschäftigt und einen Lehrling ausbildet. Solch ein typisches Stilelement ist das Steppmieder, normalerweise in Schwarz, Blau oder Braun gehalten. Stocker fertigte eines in Magenta mit dazugehörigem Plisseerock an.

Alles wird nach Maß und teilweise von Hand gefertigt. Bevor es dazu kommt, nimmt sich Stocker Zeit, um im Gespräch mit den Kundinnen herauszufinden, welche Tracht der Kundin steht. „Die Kundinnen müssen sich wohlfühlen und sich mit dem Kleidungsstück identifizieren“, betont Stocker. Für ein „Dirndl“ braucht es – je nach Machart – etwa 25 Arbeitsstunden. Die Wartezeit beträgt im Schnitt drei bis vier Wochen. Ab 530 € erhält man ein maßgefertigtes einfaches „Dirndl-Gewand“ mit Schürze.