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Stiehlt die KI dem Menschen die Show?

Auf Einladung der Sparte Information & Consulting der WKS präsentierte die Philosophin und Autorin Lisz Hirn kürzlich im Kavalierhaus Klessheim neue Perspektiven auf das Menschsein.

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 17.10.2024

Sowohl im Interview mit der SW-Redaktion als auch in Ihrem Vortrag widmete sich die Philosophin der zentralen Frage „Was ist der Mensch, und wie verändert sich dieser durch die Technologien wie Smartphone, KI und ChatGPT?“ 

Hinter der Fassade der Selbstüberschätzung entdeckt sie dabei ein höchst fragiles Wesen, das sich im Spannungsfeld zwischen Natur und Technik neu bestimmen muss. „Ich bin nicht die Erste, die versucht hat, eine Definition zu finden“, begann Hirn. Doch neben der klassischen Frage, was der Mensch sei oder nicht sei – in Abgrenzung zu Tieren und Maschinen – gebe es eine weit spannendere Frage: „Was ist der Mensch noch nicht, was könnte er noch werden?“ Diese Fragestellung sei besonders relevant angesichts der technologischen Entwicklungen, vor allem der künstlichen Intelligenz (KI). Hirn hinterfragte die menschliche Selbstwahrnehmung als „Krönung der Schöpfung“ und zitierte Nietzsche: „Vielleicht sind wir nur ein Übergangswesen, das im Prozess mit der Technologie steht.“

Keine Angst vor der KI als Maschine

Dabei lenkte sie den Blick weg von der Angst vor der KI selbst und hin zu den Menschen, die sie entwickeln: „Wir müssen uns nicht vor der KI fürchten, sondern vor den Menschen dahinter. Es ist nicht das Problem, dass Maschinen besser rechnen oder Muster erkennen. Die eigentliche Gefahr liegt darin, wie Konzerne KI programmieren und welche Macht sie damit über unsere Daten erlangen.“

KI diene oft der Kosteneffizienz, und während sie administrative Aufgaben übernimmt, könnte der Mensch sich stärker auf seine sozialen Fähigkeiten konzentrieren. „Gerade das Sorgen und das Pflegen ist nämlich das urtypisch menschliche, was uns von den Maschinen oder Robotern unterscheidet, bekräftigt Hirn. „Darauf sind wir aber weder stolz noch will es jemand tun. Gerade in den interaktiven Bereichen, in der Pädagogik gewinnt der Mensch als soziale Spezies an Bedeutung.  

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Neubestimmung des Menschen

„Lebenslanges Lernen bekommt eine neue Bedeutung“, so die Philosophin. Zwar sei der Einfluss neuer Technologien auf die Menschheit historisch belegt, aber bei der KI sei noch nicht klar, wie sie unser Arbeitsumfeld langfristig verändern werde. „Ich glaube, dass da ganz neue Themen auf uns zukommen werden. Neue Berufe, wie etwa digitale Nachlassverwalter, also Berufe, die man jetzt noch nicht kennt“, erklärt Hirn. Viel wichtiger erscheint vorweg die Frage: „Schaffen wir es, eine gewisse Souveränität gegenüber diesen Künstlichen Intelligenzen zu gewinnen? Wollen wir sie in jedem Bereich einsetzen?“

Hirn sprach auch die Abhängigkeit von Daten und den Energieverbrauch der KI an: KI-Plattformen seien weder demokratisch noch offen zugänglich. Der immense Energiebedarf, den die KI erfordert, stelle uns vor neue Herausforderungen: „Müssen wir möglicherweise sogar Atomkraftwerke reaktivieren, um diese Systeme zu füttern?“ 

Ein Appell an politische Kontrolle und ethische Regeln

Besonders kritisch äußerte sich Hirn über die rechtsfreien Grauzonen, die Konzerne ausnutzen: „Es ist an der Politik, klare Regelungen zu schaffen. Zudem brauchen wir eine Art ‚Benimmregeln‘ im Umgang mit Technologien und Geräten wie Smartphones. Hier sie auch das Stichwort Sucht erwähnt. 

Abschließend regte die Philosophin eine gesellschaftliche Debatte darüber an, welche Kompetenzen und Fähigkeiten wir im digitalen Zeitalter entwickeln müssen: „Bildung und Souveränität gegenüber der Technologie sind entscheidend, besonders in Hinblick auf Themen wie E-Voting und die zukünftigen Berufsbilder, etwa den digitalen Nachlassverwalter.“ 

Dass die Angst vor der KI als Maschine unbegründet sei, unterstrich auch Spartenobmann Wolfgang Reiger bei der Eröffnung der IC-Veranstaltung. „Die KI wird den Menschen sicher nicht ersetzen, aber das Arbeitsumfeld und Aus- und Weiterbildungen verändern“, betont Reiger der sich mit Spartengeschäftsführer Martin Niklas über das rege Interesse an der Veranstaltung freute. 

Moderiert wurde der Abend von Ralf Hillebrand, Ressortleiter Wissenschaft, Gesundheit, Medien und Technologie bei den Salzburger Nachrichten. Im Anschluss an die Veranstaltung hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Hirns Buch „Der überschätzte Mensch – Anthropologie der Verletzlichkeit“ am Büchertisch der Rupertus Buchhandlung zu erwerben und weitere Diskussionen zu führen.

Lisz Hirn