Salzburger Industrie steht vor herausfordernden Zeiten
„Die Lage in der heimischen Industrie ist angespannt. Wir erwarten für das zweite Halbjahr eine Rezession und eine Trendumkehr ist nicht absehbar. Die Industrie darf jetzt nicht zusätzlich belastet werden“, warnte Dr. Peter Unterkofler, Obmann der Sparte Industrie in der WKS und IV-Präsident Salzburgs beim heutigen Industrietag.
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Im ersten Halbjahr 2023 hat sich Salzburgs Industrie noch gegen den konjunkturellen Gegenwind gestemmt, sowohl die Geschäftslage als auch die Ertragssituation wurden laut jüngstem IV-Konjunkturbarometer im zweiten Quartal durchaus noch als gut bzw. als zufriedenstellend beurteilt. Doch der erhoffte Aufschwung ist ausgeblieben, mittlerweile haben sich die Konjunkturaussichten stark eingetrübt, weil auch die globale Nachfrage stark rückläufig ist. Für das Gesamtjahr 2023 rechnen die Ökonomen mit einem markanten Rückgang der Industrieproduktion. „Die Lage ist sehr angespannt. Sämtliche Vorindikatoren der Industrie - wie etwa ein drastischer Rückgang der Auftragseingänge - deuten darauf hin, dass sich die Industrie im Winterhalbjahr auf eine Rezession einstellen muss“, skizzierte Peter Unterkofler die aktuelle Situation beim traditionellen „Industrietag“ der WKS-Sparte Industrie, bei dem sich heute Spitzenvertreter:innen der Salzburger Industrie in der Salzburg AG trafen. Die vielen Anmeldungen zeigen, wie wichtig der Austausch gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist.
Fingerspitzengefühl bei wichtigen Weichenstellungen angesagt
Die Ursachen für die aktuelle Situation sind vielfältig. Das beginnt bei der im europäischen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich hohen Inflation, die sich für die heimischen Industriebetriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, als Klotz am Bein erweist. In Österreich lag die Inflation im August bei 7,5%, in Deutschland bei 6,4%, in Frankreich bei 5,7%, in Spanien, Belgien und Dänemark bei rund 2,3% und in der Schweiz bei 1,9%. „Das sind alles Länder, mit denen wir in unmittelbarem Wettbewerb stehen“, betont Unterkofler. Mit einer hohen Inflation war die Industrie auch schon während der Finanzkrise 2007 und 2008 konfrontiert, allerdings lag das Wirtschaftswachstum damals auf einem ähnlichen Niveau wie die Teuerung.
„Heute haben wir es mit einer hartnäckigen Stagflation, mit sehr hoher Inflation, hoher Zinslast und kaum Wachstum zu tun. Wir befinden uns in einer Negativspirale, in der man extrem aufpassen muss, welche Weichen jetzt gestellt werden. Dabei müssen wir jene Faktoren ins Visier nehmen, die die Inflation weiter befeuern könnten. Da gehört etwa auch eine drohende Lohn-Preis-Spirale dazu“, warnt Unterkofler. Er hofft deshalb, dass die Sozialpartner bei der heurigen Herbstlohnrunde mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Denn gerade hohe Arbeitskosten zählen laut dem Spartenobmann zu den größten Gefahren für die im internationalen Wettbewerb stehende heimische Industrie, besonders, wenn die Lohnstückkosten in anderen Ländern deutlich niedriger sind als bei uns. Die Gefahr, dass durch zu hohe Lohnabschlüsse gut bezahlte Jobs in der Industrie wegfallen, sei durchaus real. Die Branche sei ein solider und sehr guter Arbeitgeber. Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass die Kaufkraft hierzulande ohnedies durch die Abschaffung der kalten Progression und Einmalzahlungen deutlich gestärkt wurde und über dem Niveau anderer Länder liege.
Problemfelder Außenhandel, Energie und Arbeitskräfte
Der Sinnspruch vom hustenden Nachbarn Deutschland, der die heimische Wirtschaft ansteckt, dürfte sich auch diesmal wieder bewahrheiten, zu eng sind die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den beiden Staaten. Schließlich ist Deutschland das wichtigste Abnehmerland für Österreich, rund 30% des heimischen Exports gehen in den Nachbarstaat. Die deutsche Industrie befindet sich allerdings bereits mitten in einer Rezession, die nun auch auf Österreich übergreift. „Viele Indikatoren deuten darauf hin, dass eine Rezession der österreichischen Wirtschaft unvermeidbar scheint. Dies setzt einerseits die Lohnverhandlungen und andererseits die Budgetpolitik stark unter Druck“, erklärte Keynote-Speaker Klaus Neusser, ehemaliger Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS).
In beiden Ländern tragen die hohen Energiepreise einen maßgeblichen Anteil zur schwierigen Situation bei. In Deutschland wurde ja bereits über einen Industriestrompreis diskutiert. In Österreich ist Energie dreimal so teuer wie etwa in den USA oder in Asien, auch das ist ein klarer Nachteil im internationalen Wettbewerb. Dazu kommt der chronische Mangel an Arbeitskräften, der nach wie vor ein großes Problem für die Industrie darstellt. „Hohe Lohn- und Energiekosten lassen sich aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit nur schwer auf die Preise umwälzen und die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der grünen Transformation der Industrie dämpfen die Investitionstätigkeit massiv“, gibt Unterkofler zu Bedenken. Eine schwierige Gemengelage, in der laut Neusser keine einfachen und schnellen Antworten in Sicht seien. „Umso wichtiger ist es, die anstehenden strukturellen Reformen anzupacken, um die österreichische Wirtschaft langfristig wieder auf einen erfolgreichen Wachstumspfad zu führen und die Resilienz für kommende schwierige Situationen zu stärken“, empfiehlt der Ökonom.
Österreich ist in den vergangenen Jahren im Wettbewerbsranking World Competitiveness Ranking der IMD Business School von Platz 11 auf Platz 24 zurückgefallen, damit gehört der Standort nicht mehr zum obersten Drittel der attraktivsten Standorte weltweit. „Das sollte ein Weckruf sein! Deshalb braucht es jetzt gute Rahmenbedingungen und entsprechende Signale für die heimische Industrie - beispielsweise im Zusammenhang mit der grünen Transformation - die den Betrieben Planungssicherheit geben. Weitere Belastungen könnten in der aktuell schwierigen Situation langfristig eine Schrumpfung des Industriesektors bzw. eine schleichende Deindustrialisierung zur Folge haben“, warnt Unterkofler. Die Auswirkungen dürften nicht unterschätzet werden, denn im servoindustriellen Bereich in Salzburg, der auch kleinere Zulieferunternehmen aus der Region umfasst, sind fast 60.000 Menschen beschäftigt.
In größerem Rahmen sei die EU gefordert, die europäische Industrie nicht mit überbordender Bürokratie weiter zu fesseln. „Wir versinken in Europa in Überregulierungen ich erinnere nur an die mehr als 40 Gesetze, Verordnungen und Richtlinien rund um den Green Deal oder das geplante Lieferkettengesetz, das zwar gut gemeint sein mag, aber die europäische Industrie vor große Herausforderungen stellen wird. Denn die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette ist schlicht realitätsfremd und nicht praktikabel. Sie wird ein weiterer Hemmschuh für die europäische Industrie im internationalen Wettbewerb“, prophezeit Unterkofler. Das Gesetz wird derzeit im Trilog zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament beraten und soll noch vor der EU-Wahl im Frühjahr in Kraft treten.
Schluss mit standortschädlichen Ideen
Es sei wichtig, dass eine regionale Volkswirtschaft nicht nur auf einem Bein stehe. Salzburg sei zwar ein Tourismusland, verfüge aber auch über einen - im Vergleich zu anderen Bundesländern – zwar etwas kleineren, aber sehr leistungsfähigen Industriesektor, von dem auch viele KMU in der Region abhängig sind, stellte WKS-Präsident KommR Peter Buchmüller fest. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die ohnedies schon stark unter Druck geratene Industrie weiter belastet wird. Standortschädliche Ideen wie eine flächendeckende 32-Stunden-Woche sowie Vermögens- und Erbschaftssteuern würden sich auch auf den Industriestandort toxisch auswirken“, prognostiziert Buchmüller. Die Einführung einer generellen 32-Stunden-Woche würde den Mangel an Arbeitskräften nur weiter verschärfen, Vermögens- und Erbschaftssteuern zu Kapitalflucht führen und die Innovations- und Investitionsfähigkeit der Industrie hemmen.
Industrie als Wirtschaftsmotor und Taktgeber für die Transformation der Wirtschaft
Das Land Salzburg zähle mit Qualität, Fortschritt, hoher Produktivität sowie fleißigen und engagierten Unternehmer:innen zurecht zu den 20 besten Wirtschaftsregionen Europas, betonte Landeshauptmann Wilfried Haslauer und ergänzte: „Die Industrie hält einen großen Anteil an dieser Leistung: Die industriell produzierenden Unternehmen sorgen für viele Arbeitsplätze und steuern so einen wichtigen Anteil zur heimischen Wertschöpfung bei. Die Industrie ist somit ein klarer Wirtschafts- und Jobmotor in Salzburg. Als Innovationsgarant beteiligt sich die Industrie zudem an zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Hochschulbereich und erhöht somit die F&E-Quote Salzburgs.
Viel Innovationskraft steckt die Industrie in grüne Technologien und Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz und ist daher ein wichtiger Taktgeber für die Transformation der Wirtschaft. Die Salzburg AG - wo der heurige Industrietag stattgefunden hat – unterstützt die Energiewende zur Stärkung des Industriestandortes. „Gerade die vergangenen Monate haben uns allen gezeigt, wie abhängig wir in Österreich und Europa von weltpolitischen Entwicklungen sind. Das Energiesystem in Richtung Erneuerbare umzubauen und gleichzeitig auch die notwendige Netzinfrastruktur zu schaffen, hat jetzt Priorität. Die Salzburg AG investiert auch in den kommenden Jahren mehrere 100 Mill. € für ein grünes Morgen. Die Salzburger Industrie leistet hier einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Wende“, stellt Michael Baminger, CEO und Vorstandssprecher der Salzburg AG, fest.
Damit die grüne Transformation gelingt, dürfe es keine (Denk)-Verbote geben, dabei spielen auch unternehmerische Innovationen und eine technologieoffene Herangehensweise eine bedeutsame Rolle, ist Elisabeth Zehetner von oecolution austria überzeugt, die am Industrietag einen Lightning Talk zum Thema „Kluger Klimaschutz braucht Unternehmergeist“ hielt. "Es macht keinen Sinn, Klimaschutz entkoppelt zu betrachten. Um das Klima wirksam zu schützen, müssen wir wettbewerbsfähig bleiben. Denn nur eine starke Wirtschaft kann die notwendigen Innovationen und Technologien hervorbringen, die für einen nachhaltigen Wandel erforderlich sind. Ziel muss daher sein, den Wirtschaftsstandort abzusichern, um Beschäftigung und Wohlstand für alle zu erhalten“, gab Zehetner zu bedenken.
Die Salzburger Industrie in Zahlen:
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Bildunterschrift: v.l.: WKS-Präsident Peter Buchmüller, CEO und Vorstandssprecher Michael Baminger, Spartengeschäftsführerin Anita Wautischer, Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Ökonom Klaus Neusser, Elisabeth Zehetner (oecolution austria), Spartenobmann & IV-Präsident Peter Unterkofler, Herwig Struber (Vorstand Salzburg AG).