Kostspielige Fehlzeiten und Krankenstände
Das österreichische Arbeitsrecht sieht eine Vielzahl an bezahlten Freistellungsansprüchen vor. Vom Krankenstand über Pflegefreistellungen. Dazu kommt eine Vielzahl an Feiertagen. Es handelt sich dabei um indirekte Lohnnebenkosten in erheblichem Ausmaß.
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Mit 38 freien Tagen liegt Österreich im internationalen Vergleich im Spitzenfeld und deutlich über dem EU-Schnitt von 33 Tagen. Österreich zählt damit bereits jetzt bei der Anzahl an bezahlten Feiertagen und Urlaub zur Weltspitze.
Jahresarbeitszeit: Alle zwei Jahre analysiert die EU-Agentur Eurofound die gesetzliche und kollektivvertragliche Arbeitszeit in den Mitgliedsstaaten. Laut der aktuellen Studie Working time 2021-2022 beträgt die jährliche Normalarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten in Österreich 1.714 Stunden. Dabei wurde eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden, ein Urlaubsanspruch von fünf Wochen angenommen. Damit wird in Österreich weniger als im EU-Durchschnitt gearbeitet.
Anwesenheit: Die durchschnittliche Anwesenheitszeit beträgt in Österreich 40,6 Wochen pro Jahr: 52,2 Wochen abzüglich fünf Wochen Urlaub, bezahlter Feiertage und zusätzlich arbeitsfreier Tage, Krankenstandszeiten und sonstiger Verhinderungszeiten wie Arzt, Behördenwege und Pflegefreistellung.
Im Zuge der Diskussion um einen zusätzlichen Feiertag am Karfreitag hat das WIFO 2019 die Auswirkung auf das BIP errechnet, die vom Wirtschaftswachstum im jeweiligen Jahr abhängig ist. 2019 hätte ein zusätzlicher Feiertag rund 1,2% des BIP betragen. Das entspräche einem Wert von 400 bis 600 Mill. €. „Die Gewerkschaft ist vor nicht allzu langer Zeit mit der Idee vorgeprescht, dass Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, später nachgeholt werden sollen. Solche Ideen sind schädlich für den Standort, weil Österreich bei den Feiertagen und den freien Tagen insgesamt nicht nur Europa- sondern sogar Weltspitze ist“, gibt WKS-Präsident Peter Buchmüller zu bedenken.
Hohe Ansprüche auf Entgeltfortzahlungen
Abhängig von der Dauer des Dienstverhältnisses besteht in Österreich ein Anspruch auf mindestens sechs und bis zu zwölf Wochen volle und vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung pro Arbeitsjahr. Das ist im internationalen Vergleich ein Spitzenwert:
- In Deutschland besteht der Anspruch für maximal sechs Wochen
- In der Schweiz besteht der Anspruch für drei Wochen im ersten Anstellungsjahr
- In Schweden erhalten erkrankte Arbeitnehmer erst nach einem Karenztag Krankengeld. Dies reduziert Kurzkrankenstände erheblich.
Im Rahmen der Angleichung Arbeiter/Angestellte wurde im Jahr 2018 der Anspruch von sechs auf acht Wochen volle Entgeltfortzahlung schon nach dem ersten Jahr Betriebszugehörigkeit angehoben. Gleichzeitig wurde das Kontingent in zeitlicher Hinsicht für Lehrlinge de facto verdoppelt.
Die weit verbreitete Annahme, nach Ende des Entgeltanspruches entstehen für Dienstgeber keine weiteren Kosten, trifft nicht zu:
- Bei durchgehendem Krankenstand entstehen (Ausnahme: Arbeitsunfall) mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres ein neuer Entgeltanspruch,
- Kollektivverträge sehen zum Teil vor, dass Sonderzahlungen auch beim langen Krankenstand ungekürzt weiterlaufen. Beispiel: Handelsangestellte, Metallarbeiter.
- Entgeltfortzahlungsfreie Zeiten zählen als vollwertige Zeiten bei allen dienstzeitabhängigen Ansprüchen (Beispiel: Abfertigung alt; in der Abfertigung neu gilt als fiktive Bemessungsgrundlage die Hälfte des Entgeltes vor Beginn des Krankenstandes).
- Auch führen lange Krankenstände zu keiner Kürzung des Urlaubsanspruches.
Zum Teil besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch über das arbeitsrechtliche Ende des Dienstverhältnisses hinaus, so zum Beispiel bei einer Dienstgeber-kündigung im Krankenstand.
„Salzburg ist traditionell eines der Bundesländer mit einer geringen Kranken-standsquote. 2023 betrug die Krankenstandsquote (die Relation der Krankenstandstage zum Arbeitsvolumen) in Salzburg 3,5%. Dies war im Bundesländervergleich der niedrigste Wert, der Bundesdurchschnitt betrug 4,2%“, erklärt Lorenz Huber, Leiter des WKS-Bereichs Sozial- und Arbeitsrecht der WKS.
Krankenstände verursachen hohe Kosten
Nach dem jüngsten Fehlzeitenreport im Dezember 2022 beliefen sich die direkten Kosten (Entgeltfortzahlung, usw.) von Krankheiten und Unfällen unselbständig Beschäftigter im Jahr 2021 auf 3.242 Mrd. €. Die durchschnittliche Zahl an Krankenstandstagen betrug österreichweit im Jahr 2022 14,9 Tage. Während die Österreicher vor Covid 20 Jahre lang 12 bis 13 Tage krank waren, steigen die Zahlen nunmehr wieder.
Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind mit hohen betrieblichen Kosten verbunden. In der WKS schätzt man, dass ein Tag Krankenstand die Unternehmen rund 250 € kostet. Einerseits geht die Arbeitsleistung und damit Wertschöpfung verloren. Anderer-seits haben die Betriebe Mehrkosten, weil sie zum Beispiel zusätzlich zum Lohn die Überstunden von Kollegen zahlen müssen. „Das Thema Krankenstand ist in der täglichen Rechtsberatung in der Wirtschaftskammer ständig präsent. Dabei geht es jedoch zum Teil auch um zweifelhafte Krankenstände und deren Rechtsfolgen“, betont Huber.
Wer krank ist, müsse die Möglichkeit haben, sich im Krankenstand auszukurieren. Die Betriebe bräuchten gesunde und fitte Mitarbeiter. Dabei sollen die Mitarbeiter auch keine Einkommensausfälle erleiden müssen, stellt der WKS-Präsident klar: „Ich möchte auch betonen, dass der Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer völlig korrekt mit dem Thema Krankenstand umgeht, deshalb verwehren wir uns in der WKS vehement gegen Pauschalurteile. Es gibt aber schwarze Schafe, die diesen bezahlten Freistellungsansprüche ausnützen.“
Verbesserungsvorschläge der WKS
Die WKS stellt die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht in Frage und bekennt sich zu der sozialpolitisch motivierten Regelung: Arbeitnehmer, die auf Grund von Umständen erkranken, die gemeinhin als Schicksal bezeichnet werden können, wie beispielsweise bei einer Erkältungskrankheit, Zahnproblemen, Herz- und Kreislauferkrankungen, sollen nicht noch zusätzlich einen Einkommensausfall erleiden.
Jedoch braucht es in einigen Bereichen eine Nachschärfung, um die Betriebe zu entlasten und um Missbrauch zu verhindern:
- Nach dem Urlaubsgesetz (§ 2 Abs. 2 letztes Satz) wird der Urlaubsanspruch durch entgeltfreie Zeiten nicht gekürzt, sofern nicht gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird. Diese Regelung ist bei langen Krankenständen unsachlich, diese müssen davon ausgenommen sein. Sie führt bei mehrjährigen Phasen der Arbeitsunfähigkeit zu einem de facto unbeschränkten Anhäufen von Urlaubsansprüchen.
- Im betrieblichen Alltag besteht für Arbeitgeber oft das Risiko, eine Verwaltungsübertretung zu begehen. Dabei handelt es sich zum Teil um reine Formaldelikte (z. B. mangelhafte Arbeitszeitaufzeichnungen bzw. aktuell die unvollständige Ausstellung eines Dienstzettels), Fahrlässigkeit ist in der Regel für eine Bestrafung ausreichend. Der nachweisliche vorsätzliche Missbrauch beim Krankenstand ist kein Kavaliersdelikt, jedoch abseits des Entgeltverlustes nicht sanktionierbar. Die Einführung eines auf Vorsatz beschränkten Verwaltungsstraftatbestandes könnte in Fällen bewussten Missbrauches Abhilfe schaffen.
- Die Einführung von einem Tag unbezahlter Karenz bei allen Krankenständen mit Ausnahme von Arbeitsunfällen wäre ein Ansatz, Missbrauch beim Krankenstand vorzubeugen. Dies würde sozial vertretbar dazu beitragen, Kurzkrankenstände erheblich zu reduzieren und allfälligen Missbrauch einzustellen. Bei einer durchschnittlichen Dauer eines Falles von 9,3 Tagen würde somit ein Tag auf Kosten des erkrankten Mitarbeiters gehen, über acht Tage hätte der Arbeitgeber zutragen. Eine Lastenverteilung von eins zu acht erscheint mehr als zumutbar.