Inflation: Fingerspitzengefühl gefragt
Auf Einladung der Sparte Bank und Versicherung in der WKS sprach kürzlich Nationalbank-Gouverneur Univ.-Prof. Dr. Robert Holzmann vor Spitzenvertretern der Branche zur aktuellen geldpolitischen Lage in Europa.
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Nachdem die US-Notenbank Fed den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte erhöht hat, steht nun auch die Europäische Zentralbank (EZB) unter Zugzwang. Holzmann rechnet daher, dass heuer noch zwei bis drei Zinsschritte - vermutlich zu jeweils 0,25% - kommen werden. „Das oberste Ziel der EZB muss Preisstabilität sein. Mit einer rasch eingeleiteten Zinswende kann man den Menschen signalisieren, dass die Inflationssorgen ernst genommen werden“, sagte Holzmann. Zudem sei es für die Banken wichtig, in den positiven Bereich bei den Einlagezinsen zu kommen, um nicht selbst Strafzinsen zahlen zu müssen. Die grundsätzliche Herausforderung für die EZB bestehe darin, nicht zu früh zu handeln und damit den Aufschwung abzuwürgen, oder zu spät zu reagieren und dann noch stärker eingreifen zu müssen.
Laut Holzmann stehe das Eurosystem aktuell vor drei geldpolitischen Herausforderungen: der noch nicht beendeten Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Klimakrise. Corona habe die tiefste Rezession der Nachkriegsgeschichte ausgelöst. Bereits zu Jahresbeginn wurde wieder ein Aufschwung geschafft, der nun aufgrund hoher Energiepreise und Lieferengpässe auf dem Spiel stehe. „Die Energiepreise treiben 50% der Inflation. Falls kein Erdgas mehr aus Russland geliefert wird, stehen wir hierzulande bei einem Nullwachstum und einer Inflation von 9%“, warnte Holzmann. Generell könne man derzeit nur auf Sicht fahren. Denn keiner wisse, wie lange der Krieg noch dauern werde. Die aktuelle Prognose der EZB laute, bis Jahresende eine Inflation von 3% erreichen zu können.
Bei den Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung wird immer wieder auch die Abschaffung der kalten Progression genannt. Die hierzulande gepflogene Tradition, dass die Politik die Steuermehrbelastung von Zeit zu Zeit durch Steuerzuckerln abfedert, sei laut Holzmann durchaus eine politökonomische Möglichkeit. Eine Automatisierung dieses Prozesses würde dazu führen, dass die Politiker andere Zuckerln an die Wähler verteilen, um Stimmen zu gewinnen.
Die „grüne Transformation“ könne laut Holzmann nur global angegangen werden. „Der Einsatz von Photovoltaik ist in unseren Breiten im Vergleich zu den südlichen Kontinenten zu teuer. Da sind wir nicht konkurrenzfähig“, betonte Holzmann. Bei einer Blockade von russischem Erdgas durch die EU müsse einem klar sein, dass der Schaden für die EU größer sei als für Russland bzw. den russischen Machthaber Putin.