Wie entsteht ein neuer Lehrberuf?
Ablauf und Varianten
Lesedauer: 4 Minuten
Vorschlagsrecht
Vorschläge für neue Lehrberufen können von der Wirtschaftskammer (allen Organisationseinheiten), dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW), dem Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw), der Arbeitnehmer-Seite (AK/ÖGB) sowie dem Bundes-Berufsausbildungsbeirat (BBAB) erarbeitet werden.
Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW)
Das Bundesministerium ist unter anderem für die Ausbildungsordnungen der Lehrberufe zuständig.
BBAB − Bundes-Berufsausbildungsbeirat
Der Bundes-Berufsausbildungsbeirat ist ein sozialpartnerschaftlich besetztes Gremium und dient als Beratungsorgan des Bundesministeriums. Der BBAB ist nach dem Berufsausbildungsgesetz (BAG) unter anderem für die Entwicklung und Begutachtung von neuen Lehrberufen und für die Überarbeitung der bestehenden Lehrberufe zuständig.
Die Wirtschaftskammer Österreich und die Arbeitnehmer-Seite entsenden jeweils Experten in dieses sozialpartnerschaftliche Gremium. Die Verhandlungen der Inhalte der Ausbildungsverordnungen erfolgen immer unter Beiziehung der Experten aus den Fachorganisationen sowie der Arbeitnehmer-Seite.
Der ÖGB und die AK werden hier mit allen ihren Organisationseinheiten als AN-Seite (Arbeitnehmer-Seite) bezeichnet.
ibw – Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft
Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft ist eine der Wirtschaftskammerorganisation nahestehende Forschungseinrichtung, die unter anderem vom BMAW Aufträge für Vorschläge für neue Lehrberufe erhält.
Allgemeines Begutachtungsverfahren
Das BMAW schickt den Entwurf an alle Sozialpartner, Bundesministerien, Bundesländer, Schulen, Universitäten usw., die in einer Frist von ca. zwei Monaten zu dem Entwurf Stellung nehmen können.
Danach wird der ausgeschickte Entwurf anhand der Stellungnahmen überarbeitet. Eventuell erfolgt dann nochmals ein Gespräch mit den Teilnehmern des Begutachtungsverfahrens, die hauptsächlich von diesem Entwurf betroffen sind.
Nach Genehmigung des Entwurfes durch den Bundesminister wird der Entwurf der österreichischen Staatsdruckerei übermittelt und im Bundesgesetzblatt kundgemacht.
Neuer Lehrberuf – Variante 1
Vorschläge können von einer Organisationseinheit der WKÖ (z.B. Bundesinnung) oder einer Organisationseinheit einer Landeskammer erarbeitet werden. Dieser Vorschlag wird zuerst kammerintern zwischen den betroffenen Organisationseinheiten (z.B. BSG und BSI) koordiniert. Ergibt sich eine koordinierte Fassung, so wird der Vorschlag weitergeleitet.
Nach einstimmiger Entscheidung in der Kammerorganisation wird der Vorschlag weitergeleitet an das BMAW, das ibw, den BBAB und die AN-Seite. Dort erfolgt dann eine weitere Behandlung des Vorschlags.
Das BMAW | Das ibw | Der BBAB | Die AN-Seite |
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entscheidet, ob es den Vorschlag
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überarbeitet den Entwurf in der Regel nach legistischen Grundsätzen und leitet den Entwurf entweder zurück an die WK oder an das BMAW. |
entscheidet, ob der Entwurf weiterbehandelt wird, was in der Regel der Fall ist. Dafür wird ein Unterausschuss eingesetzt, in dem die Experten der WK- und der AN-Seite den Inhalt des Lehrberufes behandeln und eine sozialpartnerschaftliche Fassung festlegen, die dann dem BMAW übermittelt wird. |
nimmt zu dem Entwurf Stellung. |
Das BMAW hat den Entwurf weitergeleitet. |
an das ibw: Das ibw überarbeitet die Fassung entweder inhaltlich unter Zuziehung von Experten oder nur nach legistischen Grundsätzen und leitet den Entwurf zurück an das BMAW. |
an den BBAB: Der BBAB entscheidet, ob der Entwurf weiter behandelt wird. Es wird ein Unterausschuss eingesetzt, bei dem die Experten der WK und der AN-Seite den Inhalt des Lehrberufes behandeln und eine sozialpartnerschaftliche Fassung festlegen, die dem BMAW übermittelt wird. |
an die AN-Seite: Die AN-Vertreter nehmen zu dem Entwurf Stellung. |
Der von ibw überarbeitete Entwurf wird durchgesehen und in der Regel an den BBAB weitergeleitet. |
an den BBAB: Der BBAB entscheidet, ob der Entwurf weiter behandelt wird, was in der Regel der Fall ist. Dafür wird ein Unterausschuss eingesetzt, und ein Termin vereinbart, an dem die Experten der WK und der AN-Seite den Inhalt des Lehrberufes behandeln und eine sozialpartnerschaftliche Fassung festlegen, die dann dem BMAW übermittelt wird. |
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Ausnahmsweise wird sofort das allgemeine Begutachtungs-verfahren eingeleitet. |
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Die vom BBAB vorgeschlagene Fassung wird verändert oder unverändert in die allgemeine Begutachtung geschickt. |
Neuer Lehrberuf – Variante 2
Das BMAW hat selbst oder über das ibw einen Entwurf ausgearbeitet. Dieser Entwurf wird
- entweder an den BBAB geschickt: Der BBAB entscheidet, ob der Entwurf weiter behandelt wird, was in der Regel der Fall ist. Dafür wird ein Unterausschuss eingesetzt, und ein Termin vereinbart, an dem die Experten der WK und der AN-Seite den Inhalt des Lehrberufes behandeln und eine sozialpartnerschaftliche Fassung festlegen, die dann dem BMAW als Gutachten des BBAB übermittelt wird. Danach wird der begutachtete Entwurf in das allgemeine Begutachtungsverfahren gegeben.
- oder in das allgemeines Begutachtungsverfahren gegeben.
Bereits während dieses Arbeitsprozesses wird auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung immer einbezogen, da auch die Rahmenlehrpläne den neuen Lehrberufen entsprechend ausgearbeitet werden müssen. Auch die Rahmenlehrpläne werden in das allgemeine Begutachtungsverfahren gegeben.
Danach werden die Ausbildungsverordnung und der Rahmenlehrplan in den Bundesgesetzblättern kundgemacht.
Neuer Lehrberuf – Variante 3
Der BBAB erarbeitet sozialpartnerschaftlich unter Zuziehung von Experten der WKÖ (Funktionäre) und der AN-Seite (z.B. Betriebsräte) den Vorschlag für eine Ausbildungsordnung. Diese wird dem BMAW übermittelt.
Das BMAW kann den Entwurf zu einer weiteren Überarbeitung an das ibw schicken oder es schickt den Entwurf in das allgemeine Begutachtungsverfahren.
Danach wird das Ergebnis des allgemeinen Begutachtungsverfahrens ausgewertet, es findet allenfalls noch ein Gespräch mit den betroffenen Gruppen der Sozialpartner statt.
Weitere Varianten
Die bisher beschriebenen Varianten sind die, die am häufigsten vorkommen. Allerdings sind noch viele weitere Varianten und Variationen innerhalb der Varianten möglich.
Für jeden der Schritte ist entsprechend Zeit für die Durchsicht des Inhaltes des Entwurfs, für Rückfragen bei Experten (Unternehmer, Techniker, Juristen, Politiker usw.) einzuplanen. Jene Lehrberufe, die in der Bevölkerung, also sowohl bei den Ausbildungsbetrieben als auch bei den zukünftigen Lehrlingen und deren Eltern, eine breite Akzeptanz finden sollen, können diesen Erfolg nur durch die Mitarbeit aller erlangen.
Stand: 09.03.2020