Kündigungsanfechtung: Verfahren
Verständigung des Betriebsrates – Motivkündigung – sozialwidrige Kündigung – Frist zur Kündigungsanfechtung
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Grundsatz
Wird ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gekündigt, kann der Arbeitnehmer unter gewissen Voraussetzungen die Kündigung durch Klage beim Arbeits- und Sozialgericht anfechten.
Verliert der Arbeitgeber das Kündigungsanfechtungsverfahren, muss er das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortsetzen! Die bereits erfolgte Endabrechnung ist aufzurollen und die Entgeltansprüche für die Zwischenzeit sind nachzuzahlen.
Verständigung des Betriebsrats
In Betrieben mit Betriebsrat muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers von der Kündigungsabsicht verständigen (Vorverfahren). Je nach Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrates (Zustimmung, Widerspruch, Stillschweigen) bestehen unterschiedliche Anfechtungsmöglichkeiten der Kündigung.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch vom erfolgten Ausspruch der Kündigung zu verständigen.
Eine vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam, es sei denn, der Betriebsrat hat bereits eine Stellungnahme abgegeben.
Eine Stellungnahme ist auch darin zu erblicken, dass der Betriebsrat erklärt, „keine Stellungnahme abzugeben“.
Tipp!
Näheres zur Berechnung der Wochenfrist und zum Vorverfahren erfahren Sie in unserer Info „Mitwirkung es Betriebsrates bei der Auflösung von Arbeitsverhältnissen“.
Motivkündigung
Die Kündigung kann angefochten werden, wenn sie wegen eines verpönten Motivs ausgesprochen wurde.
Bei der Kündigungsanfechtung wegen eines verpönten Motivs kommt es auf eine bestimmte Stellungnahme des Betriebsrats nicht an. Die Anfechtung ist daher auch dann möglich, wenn der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich zugestimmt hat.
Sozialwidrige Kündigung
Eine Kündigung kann wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden, wenn der Arbeitnehmer mindestens sechs Monate beschäftigt war und der Betriebsrat der Kündigung nicht ausdrücklich zugestimmt hat.
Eine Kündigung ist dann sozial ungerechtfertigt (sozialwidrig), wenn durch sie wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind. Das Gericht überprüft dabei die gesamte soziale Situation des Arbeitnehmers, wie etwa Chancen des beruflichen Wiedereinstiegs am Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Verdiensteinbußen von über 20 %, die Familiensituation und ein allfälliges sonstiges Einkommen.
Bei der Kündigung von Arbeitnehmern, die bereits bei Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet hatten und nach dem 30.6.2017 eingestellt werden, werden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt, wegen des höheren Lebensalters, nicht besonders berücksichtigt.
Für Dienstverhältnisse vor dem 30.6.2017 gilt weiterhin die alte Rechtslage, wonach nur in den ersten beiden Jahren der Beschäftigung das höhere Lebensalter des Arbeitnehmers nicht berücksichtigt wird.
Wird eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung des Arbeitnehmers festgestellt, so muss der Arbeitgeber den Nachweis erbringen, dass entweder
- persönliche Gründe (z.B. Pflichtverletzungen, erhebliche Minderleistung, sehr lange Krankenstände, fehlende Kooperationsbereitschaft) oder
- betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen (z.B. Rationalisierung, Reorganisation, Auftragsrückgang)
vorliegen.
Liegen persönliche und/oder betriebliche Kündigungsgründe vor, so hat das Gericht eine Interessenabwägung zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen vorzunehmen.
Bei betrieblichen Kündigungsgründen hat der Arbeitgeber alle Möglichkeiten, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (z.B. durch Umschulung, Versetzung) auszuschöpfen.
Hat der Betriebsrat einer Kündigung aus betrieblichen Gründen ausdrücklich widersprochen, so hat ein „Sozialvergleich“ zu erfolgen.
Beim Sozialvergleich wird geprüft, ob ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte für den gekündigten Arbeitnehmer eine größere soziale Härte darstellen würde als für andere Arbeitnehmer des gleichen Betriebes und der gleichen Tätigkeitssparte. Ist das der Fall, ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt.
Frist zur Kündigungsanfechtung
Hat der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich widersprochen, so kann er diese auf Verlangen des gekündigten Arbeitnehmers binnen einer Woche nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung bei Gericht anfechten.
Kommt der Betriebsrat dem Verlangen des Arbeitnehmers nicht nach, so kann der Arbeitnehmer selbst innerhalb von weiteren zwei Wochen die Kündigung selbst bei Gericht anfechten.
In allen anderen Fällen kann der Arbeitnehmer binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung diese bei Gericht selbst anfechten.
Hinweis:
„Bei diesem Inhalt handelt es sich um eine rechtliche Information aufgrund der geltenden Rechtslage bzw. Rechtsprechung. Es wird dadurch weder eine Meinung der Wirtschaftskammer, noch eine Anleitung zu einem bestimmten Verhalten wiedergegeben.“
Stand: 10.07.2024