Drei lächelnde Personen im Gegenlicht im Innenraum eines Glasgebäudes stehend, zwei Personen schütteln sich die Hände
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Verhandlungsverfahren im Vergaberecht 

Erlaubt die Verhandlung über den gesamten Auftragsinhalt

Lesedauer: 3 Minuten

Allgemeines

Während beim offenen und beim nicht offenen Verfahren ein striktes Verhandlungsverbot besteht, kann beim Verhandlungsverfahren über den gesamten Auftragsinhalt verhandelt werden. Gegenstand der Verhandlungen ist die zu erbringende Leistung oder der Preis.

Wichtig:

Beim Verhandlungsverfahren sind die Grenzen der zulässigen Verhandlungen zu beachten. So sind insbesondere die vom Auftraggeber festgelegten Mindestanforderungen nicht verhandelbar.

Unterschieden wird das „Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung“ und das „Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung“.

Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung

Beim Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung wird eine beschränkte Anzahl von geeigneten Unternehmern zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Danach kann über den Auftragsinhalt verhandelt werden.

Das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, z.B. bei:

  • Erfolglosigkeit eines vorangegangenen offenen oder nicht-offenen Verfahrens mit Bekanntmachung;
  • Vorliegen von technischen Gründen oder Ausschließlichkeitsrechten;
  • Einzigartigkeit einer künstlerischen Leistung;
  • dringenden zwingenden Gründen außerhalb der Sphäre des AG. Dieser Anwendungsfall kommt in der Praxis aber selten zum Tragen, z.B. bei Naturkatastrophen;
  • neuen bzw. zusätzliche Leistungen, die in der Wiederholung gleichartiger Leistungen bestehen. Auch hier ist der Tatbestand allerdings eng gefasst- z.B. muss diese Möglichkeit in der vorangegangenen Ausschreibung vorgesehen gewesen sein.

Beim Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung müssen mindestens drei Unternehmen eingeladen werden. sofern nicht nur ein Unternehmen (z.B. auf Grund von Ausschließlichkeitsrechten) in Frage kommt. 

Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung

Beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung werden, nachdem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert wurde, ausgewählte geeignete Bewerber zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Danach kann über den Auftragsinhalt verhandelt werden.

Im Unterschwellenbereich (USB) und im Sektorenbereich ist das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung frei wählbar. Im Oberschwellenbereich (OSB) wurden durch die BVergG-Novelle 2018 die Gründe für die Inanspruchnahme dieses Verfahrens nicht unwesentlich erweitert: 

  • Es bestehen spezielle Bedürfnisse des Auftraggebers, z.B. wenn der AG nicht in der Lage ist, zu beurteilen, was der Markt an Lösungen zu bieten hat.
  • Konkrete Umstände, bedingt durch den Auftrag, erfordern Verhandlungen. Es reicht, wenn die Verhandlungen notwendig sind, um das beste Preis-, Leistungsverhältnis zu erzielen.
  • Es besteht ein Bedarf an konzeptionellen oder innovativen Lösungen. Dieser Tatbestand liegt etwa vor, wenn der Leistungsgegenstand sowohl Bau- als auch Dienstleistungen beinhaltet.
  • Es besteht keine Möglichkeit einer ausreichend genauen technischen Spezifikation. Aus diesem Grunde kann kein offenes oder nicht-offenes Verfahren durchgeführt werden.
  • Ein vorangegangenes offenes oder nicht-offenes Verfahren ohne Bekanntmachung war erfolglos. Das kann vorliegen, wenn entweder alle Angebote nicht ordnungsgemäß (z.B. fehlende Unterschrift) oder unannehmbar (z.B. wegen nicht ausreichender Qualifikation des Bieters). waren.

Im Ergebnis ist es nun möglich, dass das Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung bei fast allen Leistungen (Ausnahme z.B. Standardprodukte) gewählt werden kann. 

Ablauf des Verhandlungsverfahrens mit Bekanntmachung

Zunächst müssen die Ausschreibungsunterlagen samt vollständiger Leistungsbeschreibung und Zuschlagskriterien bereits mit der Auftragsbekanntmachung verfügbar gemacht werden. Für den Auftraggeber gilt das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot. Besonders zu beachten sind die Fristen [1]  für die Abgabe der Teilnahmeanträge bzw. des Angebots. Der AG muss Mindestanforderungen für das Angebot festlegen. Diese sind nicht verhandelbar. Bei deren Nicht-Erfüllen kommt es zum Ausscheiden des Angebotes.

Es werden die Teilnahmeanträge geprüft (Eignungskriterien). Die Auswahl bei einer Beschränkung der Zahl der Bieter erfolgt auf Grund von vorher festgelegten „Auswahlkriterien“ (z.B. Referenzen). Werden Bieter auf Grund der Auswahlkriterien nicht zuzulassen, sind diese zu verständigen.[2] Neben den gesetzlichen Mindestfristen muss der AG die Frist auch so bemessen, dass ausreichend Zeit für die Angebotserstellung bleibt. . Die eingeladenen Bieter können nach Einladung dann Angebote legen.

Die Angebote werden geöffnet, wobei die Bieter kein Recht haben, daran teilzunehmen.

Ungültige Angebote (z.B. wegen fehlender Unterschrift) werden ausgeschieden. Nun kommt es zu den Verhandlungen. Seit der BVergG-Novelle 2018 besteht für den AG allerdings die Möglichkeit, durch Festlegung in den Ausschreibungsbedingungen sich den gänzlichen Entfall von Verhandlungen in der Ausschreibung vorzubehalten.

Es ist mindestens die Durchführung einer Verhandlungsrunde festzulegen. Es kann auch vorgesehen werden, dass nur eine bestimmte Zahl von Angeboten an Hand der Zuschlagskriterien zu Verhandlungen zugelassen wird („short listing“). Erstangebote und Folgeangebote sind zu verhandeln. Mindest- und Zuschlagskriterien dürfen nicht Gegenstand der Verhandlungen sein. Ungültige Angebote werden ausgeschieden.[3] Der AG muss jeden verbliebenen Bieter auf dessen Verlangen unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 15 Tagen über Verlauf und Fortschritt der Verhandlungen informieren. Nach Abschluss der Verhandlungen ist den verbliebenen Bietern eine einheitliche Frist für die Abgabe eines – nicht mehr verhandelbarem - Letztangebot („last and final offer“) zu geben. Dann wird der Bestbieter an Hand der Zuschlagskriterien ermittelt.

Im USB ist es möglich vorzusehen, dass nur mit dem Bestbieter Exklusivverhandlungen geführt werden. Nur wenn diese Gespräche erfolglos sind, wird mit den anderen Bietern verhandelt. Nach rechtskräftiger Zuschlagsentscheidung [4] und nachfolgender Zuschlagserteilung kommt das Vertragsverhältnis mit dem Bestbieter zustande.


[1] Antragsfrist 30 Tage (USB 14 Tage), Angebotsfrist 10 Tag. Für Sektorenauftraggeber und zentrale Beschaffungsstellen gemäß Art. III Anhang zum BVergG 2018 gibt es eigene Fristen.

[2] Einspruchsfrist von 10 Tagen

[3] Einspruchsfrist von 10 Tagen

[4]Einspruchsfrist von 10 Tagen

Stand: 01.01.2024

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