Leistungs- und Annahmeverzug
Unter Verzug versteht man das gänzliche Unterbleiben der Leistung oder ein nicht vertragsgemäßes Leistungsanbot
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Leistungsverzug (Schuldnerverzug)
Wann liegt Leistungsverzug (Schuldnerverzug) vor?
Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er den Vertrag nicht am gehörigen Ort, nicht zur gehörigen Zeit oder nicht auf die bedungene Weise erfüllt. Unter Verzug versteht man also das gänzliche Unterbleiben der Leistung oder ein nicht vertragsgemäßes Leistungsanbot. Erfüllt werden muss am Fälligkeitstag, der sich regelmäßig nach der Parteienvereinbarung, Gesetz oder der Natur der Sache bestimmt. Verzug tritt mit Ablauf des Fälligkeitstages ein. Eine Mahnung ist in so einem Fall, bei dem sich die Fälligkeit aus der Vereinbarung, dem Gesetz oder der Natur der Sache ergibt, nicht erforderlich.
Ergibt sich der Fälligkeitstag weder aus der Parteienvereinbarung noch aus der Natur der Sache noch aus einer gesetzlichen Regelung, kann der Gläubiger die Leistung sogleich, ohne unnötigen Aufschub fordern. In so einem Fall muss der Gläubiger durch Mahnung fällig stellen. Die Mahnung ist an keine bestimmte Form gebunden. Verzug tritt dann mit dem auf den Zugang der Mahnung beim Schuldner folgenden Tag ein.
Hat der Gläubiger Rechte, wenn der Schuldner den Verzug nicht verschuldet hat?
Ja, beim so genannten objektiven Verzug des Schuldners, also wenn den Schuldner am Verzug kein Verschulden trifft, kommt dem Gläubiger ein Wahlrecht zu: Er kann entweder
- auf der Erfüllung des Vertrages bestehen oder
- unter Setzung einer angemessenen Frist vom Vertrag zurücktreten.
Will der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, muss er zuvor eine angemessene Nachfrist setzen. Die Nachfristsetzung entfällt lediglich bei Fixgeschäften (siehe unten), wenn der Schuldner die Leistung von vornherein verweigert oder er offensichtlich nicht in der Lage ist, die Leistung innerhalb angemessener Frist nachzuholen.
„Angemessen“ bedeutet, dass der Schuldner die Möglichkeit haben muss, innerhalb der Frist seiner Leistungsverpflichtung nachzukommen. Die Länge der Nachfrist hängt also von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu berücksichtigen sind dabei vor allem Art und Umfang der Leistung und wie dringend sie der Gläubiger benötigt. Die Nachfrist muss jedenfalls nicht so lange sein, dass sie es dem Schuldner ermöglicht, mit den Leistungsvorbereitungen erst zu beginnen, sondern nur so lange, dass bereits gesetzte Vorbereitungshandlungen zu Ende geführt werden können. In der Regel wird eine Nachfrist von zwei Wochen ausreichen. Längere Nachfristen bis zu vier Wochen werden z.B. bei Bauaufträgen oder im Möbelhandel zu setzen sein. Wurde die Nachfrist zu kurz bemessen, hat nach der Rechtsprechung die Rücktrittserklärung keine Wirkung, wenn der Schuldner die Leistung in angemessener Frist erbringt. Die Länge der zu setzenden Nachfrist kann auch vertraglich vereinbart werden.
Nach den allgemein-zivilrechtlichen Regelungen müssen Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung eine Einheit bilden, d.h. ein Rücktritt vom Vertrag ist nur dann wirksam, wenn gleichzeitig mit der Setzung der Nachfrist darauf hingewiesen wird, dass man bei Nichteinhaltung der Frist vom Vertrag zurücktritt. Die Rücktrittserklärung ist formfrei, d.h. sie braucht nicht gerichtlich erfolgen und kann auch etwa mündlich erfolgen. Aus Beweisgründen sollte die Rücktrittserklärung jedoch nachweisbar, etwa per Brief oder E-Mail, erfolgen.
Besonderheit für ab 1.1.2022 geschlossene Verbrauchergeschäfte (§ 7c KSchG idF BGBl I Nr. 175/2021): Ist der leistungspflichtige Unternehmer in Verzug, erfordert der Rücktritt des Verbrauchers zwei zeitlich aufeinander folgende Erklärungen des Verbrauchers, nämlich zunächst die Aufforderung an den Unternehmer binnen angemessener Nachfrist zu leisten und − wenn der Unternehmer innerhalb der Frist nicht leistet − die Rücktrittserklärung. Bei ab 1.1.2022 geschlossenen Verbrauchergeschäften über die Bereitstellung digitaler Leistungen bedarf die Aufforderung keiner Fristsetzung (§ 7d KSchG idF BGBl I Nr. 175/2021), Details: Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG): Leistungsfrist und Recht auf Leistungsänderung bei digitalen Leistungen.
Besonderheit für ab 1.1.2022 geschlossene Verbrauchergeschäfte (§ 7c KSchG idF BGBl I Nr. 175/2021): Ist der leistungspflichtige Unternehmer in Verzug, erfordert der Rücktritt des Verbrauchers zwei zeitlich aufeinander folgende Erklärungen des Verbrauchers, nämlich zunächst die Aufforderung an den Unternehmer binnen angemessener Nachfrist zu leisten und − wenn der Unternehmer innerhalb der Frist nicht leistet − die Rücktrittserklärung. Bei ab 1.1.2022 geschlossenen Verbrauchergeschäften über die Bereitstellung digitaler Leistungen bedarf die Aufforderung keiner Fristsetzung (§ 7d KSchG idF BGBl I Nr. 175/2021), Details: Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG): Leistungsfrist und Recht auf Leistungsänderung bei digitalen Leistungen.
Der erklärte Rücktritt bewirkt die Vertragsauflösung ex tunc, d.h. der Vertrag wird rückwirkend mit Zugang der Rücktrittserklärung aufgelöst. Bereits empfangene Leistungen sind wechselseitig zurückzustellen, wobei der Rückübertragungsanspruch nur schuldrechtlicher und nicht sachenrechtlicher Natur ist. Übertragenes Eigentum fällt daher nicht automatisch an den Veräußerer zurück.
Welche Ansprüche hat der Gläubiger, wenn der Schuldner den Verzug verschuldet hat?
Der vom Schuldner verschuldete Verzug (subjektiver Verzug) löst über die an den objektiven Verzug geknüpften Rechtsfolgen hinaus auch Schadenersatzpflichten aus. Besteht der Gläubiger auf Erfüllung, kann er vom Schuldner den Verspätungsschaden begehren, d.h. Ersatz für jene Nachteile verlangen, die ihm durch die Verspätung der Leistung entstanden sind. Tritt der Gläubiger vom Vertrag zurück, kann er Schadenersatz wegen Nichterfüllung (= sog. Erfüllungsinteresse) begehren, d.h. er ist so zu stellen, als wäre ordnungsgemäß erfüllt worden.
Was passiert, wenn der Schuldner nur mit einem Teil der Leistung in Verzug ist?
Bietet der Schuldner die Leistung unvollständig an (Teilverzug), kann der Gläubiger vollständige Leistung begehren. Er kann aber auch hier unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurücktreten. Beim Rücktritt ist zu unterscheiden: Ist die Leistung teilbar und kann ihr ein Teil der Gegenleistung zugeordnet werden, steht dem Gläubiger nur die Möglichkeit des Teilrücktritts offen. Ist hingegen die Leistung unteilbar, hat der Gläubiger nur das Recht auf Gesamtrücktritt.
Was ist ein Fixgeschäft und welche Besonderheit hat es?
Ein Fixgeschäft liegt vor, wenn sich aus dem Zweck des Geschäftes oder der Vereinbarung ergibt, dass der Gläubiger an einer verspäteten Leistung kein Interesse hat.
Beispiele:
Bestellung eines Hochzeitskleides, einer Geburtstagstorte, eines Christbaumes, eines Taxis für 18:00 Uhr.
Gerät beim Fixgeschäft der Schuldner in Verzug, so „zerfällt“ der Vertrag, ohne dass der Gläubiger eine Nachfrist setzen müsste. Bei Verschulden des Schuldners kann er das Erfüllungsinteresse fordern.
Beim Verbrauchergeschäft ab 1.1.2022: Ist das Fixgeschäft ein Verbrauchergeschäft, das ab 1.1.2022 abgeschlossen wird/wurde, muss der Verbraucher dem Unternehmer den Rücktritt erklären, damit der Vertrag aufgelöst ist. Für alle anderen Verträge, also auch Verbrauchergeschäfte, die vor dem 1.1.2022 abgeschlossen wurden, bedarf es beim Fixgeschäft jedoch keiner Rücktrittserklärung.
Besteht der Gläubiger weiterhin auf Erfüllung, muss er dies unverzüglich erklären (=relatives Fixgeschäft), z.B. die Geburtstagstorte soll zwei Tage später zu Familienfeier geliefert werden.
Annahmeverzug (Gläubigerverzug)
Wann liegt Annahmeverzug (Gläubigerverzug) vor?
Annahmeverzug liegt vor, wenn der Gläubiger die ihm vom Schuldner ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt. Gläubigerverzug setzt Fälligkeit und mangelfreie Leistung voraus. Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es nicht an.
Welche Rechtsfolgen knüpfen sich an den Gläubigerverzug?
Eine Pflicht zur Abnahme besteht für den Gläubiger bis auf wenige Ausnahmen nicht. Nimmt der Gläubiger die Leistung nicht an, ist er jedoch weiterhin zur Zahlung verpflichtet. Weiters geht die Preisgefahr auf ihn über, d.h. wenn die Sache während des Gläubigerverzuges zufällig „untergeht“, z.B. beschädigt wird oder verloren geht, wird der Schuldner von seiner Leistungsverpflichtung frei, behält jedoch seinen Anspruch auf die Gegenleistung − oder anders gesagt: Der Gläubiger muss zahlen, obwohl er nichts bekommt.
Der Schuldner haftet nicht mehr für leichte Fahrlässigkeit. Ferner hat er Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Annahmeverzug entstandenen Aufwandes, z.B. Verwahrungs- oder Transportkosten. Dem Schuldner steht bei Verzug seines Gläubigers jedoch nicht die Möglichkeit eines Rücktritts offen. Er kann sich aber durch gerichtliche Hinterlegung von seiner Schuld befreien.
Eine Abnahmepflicht des Gläubigers besteht nur dann, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde oder der Schuldner ein bei Vertragsabschluss erkennbares, besonderes Interesse an der Leistungsabnahme hat, d.h. ein Interesse, das über jenes am Erhalt der Gegenleistung hinausgeht.
Beispiel:
Der Eigentümer einer zu bebauenden Liegenschaft verkauft den auf der Liegenschaft befindlichen Humus, um mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Der verkaufende Eigentümer hat ein über den Erhalt des Kaufpreises für den Humus hinausgehendes Interesse, nämlich am Wegschaffen des Humus durch den Käufer.
In diesen Fällen ist der Gläubigerverzug zugleich Schuldnerverzug. Der vertragstreue Vertragspartner kann sich aussuchen, ob er nach den Regelungen des Schuldnerverzuges oder jenen des Gläubigerverzuges vorgehen möchte.
Der Gläubiger gerät nicht nur in Verzug, wenn er die Leistung nicht übernimmt, sondern auch, wenn er eine sonstige für die Erfüllung erforderliche Mitwirkung unterlässt.
Der Annahmeverzug endet, wenn der Gläubiger die Leistung annimmt, die Parteien einvernehmlich die Fälligkeit hinausschieben oder die Schuld aus einem anderen Grund erlischt.
Pönale
Zur Absicherung der Vertragserfüllung kann eine Pönale (auch: Vertragsstrafe oder Konventionalstrafe) vereinbart werden.
Stand: 07.10.2024