Industrie: Neue Bundesregierung muss Wachstumsturbo zünden
„Die neue Bundesregierung muss sich verstärkt der Wirtschaftspolitik widmen, damit der Standort wieder attraktiver wird und die Industrie wieder an Wettbewerbsfähigkeit zulegt“, sagt Peter Unterkofler, Obmann der Sparte Industrie in der WKS und IV-Präsident.
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Die Industrie steckt nun schon im dritten Jahr der längsten Rezession der Zweiten Republik fest und aus heutiger Sicht ist kaum Licht am Horizont erkennbar. Vor diesem Hintergrund trafen sich am Donnerstag, 10. Oktober, die Spitzenvertreterinnen und Spitzenvertreter der Salzburger Industrie zum traditionellen „Industrietag“ der Sparte Industrie, diesmal bei der Leube Zement GmbH in Grödig. Die zahlreichen Anmeldungen zeigen, wie notwendig und willkommen ein Austausch über die dringlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ist. Diese liegt unter anderem an der weltwirtschaftlichen Großwetterlage, die für die exportorientierte heimische Industrie eine große Herausforderung darstellt. „Die Weltkonjunktur lahmt nach wie vor und die wirtschaftliche Entwicklung unseres wichtigsten Handelspartners Deutschland gibt Anlass zur Sorge. Noch dazu gilt Deutschland als Konjunkturlokomotive Europas“, sagt Unterkofler.
Europa hat in den vergangenen Jahren stark an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt und ist in der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich zurückgefallen. Laut Weltbank
- ist das Bruttoinlandsprodukt der EU seit dem Jahr 2000 um 36% gewachsen,
- während die USA im selben Zeitraum um fast 60% zugelegt haben
- und sich die chinesische Wirtschaft seit der Jahrtausendwende versechsfacht und die EU überholt halt.
„Deshalb muss sich die neue Bundesregierung auch auf europäischer Ebene für eine Schubumkehr in der Wirtschaftspolitik einsetzen. Denn in Europa hat man wenig Vertrauen in den Markt und in die Unternehmen und setzt daher stark auf Regulierung, was zu massiven Wettbewerbsnachteilen gegenüber den USA und China führt. Statt einem praxisfernen Lieferkettengesetz bräuchte Europa eine zielgerichtete Industriepolitik“, betont der Industrie-Spartenobmann.
Hausaufgaben erledigen – Wachstum schaffen
Es gibt aber auch eine Reihe hausgemachter Probleme, die die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie einschränken und so als massive Wachstumsbremsen wirken. Unterkofler nennt etwa die Entwicklung der Lohnstückkosten, die im vergangenen Jahr um 11,7% stark gestiegen sind. Nur Luxemburg habe in Westeuropa in den vergangenen zehn Jahren einen noch höheren Anstieg bei den Lohnstückkosten verzeichnet. „Made in Austria muss man sich bald leisten können, wenn die neue Bundesregierung nicht gegensteuert, etwa mit einer Senkung der Lohnnebenkosten“, warnt Unterkofler und ergänzt: „Wir brauchen Wachstum, um unsere gesellschaftspolitischen Aufgaben erfüllen zu können, vom Ausbau der Infrastruktur bis zur Dekarbonisierung der Wirtschaft“. Um wieder auf einen Wachstumskurs einzuschwenken, brauche es aber ein wettbewerbsfähiges Umfeld, das die Unternehmen motiviert, wieder zu investieren. In der aktuellen Lage fließe viel Investitionskapital in andere Länder ab und bringe Wertschöpfungsverluste. Die Gefahr einer schleichenden Deindustrialisierung sei nicht gebannt. Deshalb fordere die Industrie von der künftigen Bundesregierung:
- ein investitionsfreundlicheres Klima,
- wirkungsvolle Maßnahmen beim Abbau der Bürokratie
- und deutliche Entlastungen.
Man müsse generell an der Steuerschraube drehen und das Versprechen, die hohe Abgabenquote von derzeit 43,1% in Richtung 40% zu drücken, endlich einlösen. „Denn wir haben bekanntlich kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, konstatiert der Spartenobmann. Tatsächlich sprudeln die Steuereinnahmen und sind von 88 Mrd. € im Jahr 2018 auf 115 Mrd. € im heurigen Jahr angewachsen. „Es besteht also kein Bedarf für standortschädliche Vermögens- oder Erbschaftssteuern, dafür muss man sich die Ausgabenseite genau prüfen“, stellt Unterkofler fest.
Wachstum können aber auch mit der Erschließung neuer Märkte geschaffen werden, deshalb solle Österreich laut dem Spartenobmann und IV-Präsidenten seinen hinhaltenden Widerstand gegen Wirtschaftsabkommen wie Mercosur gerade in der aktuellen Situation überdenken.
Ausgabenseitige Reformen notwendig
2023 hat der Staat laut Statistik Austria insgesamt 236 Mrd. € eingenommen, aber 249 Mrd. € ausgegeben. Es wurden also um 13 Mrd. € mehr ausgegeben als eingenommen. Die Ausgaben gliedern sich wie folgt.
- Sozialausgaben: 101 Mrd. €,
- Gesundheit: 42,9 Mrd. €,
- Wirtschaft: 35,3 Mrd. €,
- Verwaltung: 26,6 Mrd. €,
- Bildung: 23,3 Mrd. €. Es wurden also um 13 Mrd. € mehr ausgegeben als eingenommen.
Ein großes Potenzial zur Konsolidierung des Staatshaushaltes liege etwa im staatlichen Förderdschungel, der laut dem Budgetdienst des Parlaments seit 2017 um 70% auf mehr als 37 Mrd. € angewachsen sind. „Wir überfördern viele Dinge. Würde man die Förderquote wieder auf das durchschnittliche EU-Niveau zurückfahren, würde das eine Einsparung von 4 Mrd. € bringen“, gibt der Spartenobmann zu bedenken. Außerdem brauche es ausgabenseitige Effizienzsteigerungen und Reformen, etwa im Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem.
Die Kosten für die Pensionen galoppieren regelrecht davon. Hat der Staat 2020 noch rund 21 Mrd. € in das System zugeschossen, so rechnet das Finanzministerium für 2026 bereits mit Kosten von 35,2 Mrd. €, Tendenz stark steigend. „Deshalb muss die kommende Bundesregierung das faktische Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung anpassen und die Schlupflöcher schließen“, appelliert Unterkofler. Es müssen aber auch steuerliche Anreize gesetzt werden, damit sich Leistung wieder lohnt: Das Weiterarbeiten in der Regelpension, Überstunden leisten und in der Teilzeit Stunden aufstocken muss wieder attraktiver werden.
Politik muss Fokus auf Industriepolitik legen
Als Keynote-Speakerin konnte beim heurigen Industrietag mit Monika Köppl-Turyna eine der renommiertesten heimischen Ökonom:innen gewonnen werden. Die Direktorin des industrienahen Forschungsinstituts EcoAustria, die unter anderem an der Seeburg Universität in Seekirchen lehrt, referierte über „Herausforderungen und Lösungsansätze für die österreichische Industrie“. Ihr Befund zur Situation der heimischen Industrie: „Der Anstieg der Lohnstückkosten und Energiepreise schwächt Österreichs Wettbewerbsfähigkeit. Diese Probleme sind strukturell bedingt und erfordern entsprechende Reformen“. Dafür müssten Strukturen auf allen Ebenen hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden. „Es braucht eine weitere Integration der Märkte - insbesondere im Energiebereich - in Europa und eine Steuerentlastung durch einen effizienteren Einsatz der Staatsausgaben“, kommt die Ökonomin zum Schluss.
Zur energieintensiven Industrie gehört der Gastgeberbetrieb für den heurigen Industrietag, die Leube Zement GmbH. Für die Herstellung von Zement ist viel Energie notwendig, die in Österreich fünfmal so teuer ist wie etwa in den USA. „Da Zement ein sehr lokales Produkt ist, das in einem Umkreis von 250 Kilometern zum Einsatz kommt, sind die USA kein Konkurrent für uns“, sagt Leube-Geschäftsführer Heimo Berger. Für Leube sei die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas maßgeblicher. „Das ist schon ein wenig schwieriger. Wobei die Energiekosten in Deutschland nicht viel höher sind als bei uns. Allerdings haben wir einen gewissen Nachteil bei den Lohnkosten, die sich unterschiedlich entwickelt haben. Das spürt man vor allem im grenznahen Bereich zu Deutschland“, so Berger.
Landeshauptmannstellvertreter Stefan Schnöll bezeichnete in seiner Ansprache die Industrie als zentralen Job- und Wirtschaftsmotor im Land Salzburg. Allerdings sei der Industriestandort durch die Teuerung, die hohe Inflation und den Fachkräftemangel gehörig unter Druck geraten. „Als Land Salzburg setzen wir die notwendigen Maßnahmen, um den Industriebetrieben im Land mehr qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. So konnten etwa im ersten Halbjahr 2024 fast doppelt so viele Rot-Weiß-Rot-Karten wie im Vergleichszeitraum 2023 ausgegeben werden. Und auch mit verschiedenen Bildungsprojekten – vom Kindergarten bis in die Oberstufe – nimmt Salzburg eine Vorreiterrolle ein“, sagte Schnöll.
In der Talkrunde diskutierte Anita Wautischer, Geschäftsführerin der Landessparte Industrie, mit Wirtschaftskammerpräsident Peter Buchmüller und mit Andreas Mörk, dem Geschäftsführer der Bundessparte Industrie. Letzterer gab einen Ausblick auf die Kollektivvertragserhöhungen. „Bei den Kollektivvertragserhöhungen für die Metallfachverbände wurde auch heuer wieder eine Wettbewerbs- und Beschäftigungssicherungsklausel (WBSK) vereinbart, die besonders personalkostenintensiven Betrieben eine Reduzierung der Ist-Erhöhung ermöglicht. Die Bundessparte Industrie wird gemeinsam mit den Kollegen aus den Fachverbänden und der WKS die Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen.“ berichtete Mörk. WKS-Präsident Peter Buchmüller sprach sich für eine Schubumkehr bei der Standortpolitik aus. Eine der wichtigsten Standortfaktoren seien gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Deshalb investiert die Wirtschaftskammer jeden vierten Euro aus den Beiträgen der Mitglieder in die Bildung. Als Mitgesellschafter der Fachhochschule Salzburg und in den eigenen Bildungseinrichtungen wie dem WIFI leisten wir viel für die Unterstützung der Betriebe“, sagte der Präsident. Mit einer Fachkräfteinitiative, bei der unter anderem Kontakte in andere Länder geknüpft werden, wolle man versuchen, den latent nach wie vor vorhandenen Mangel an Fachkräften zu lindern.
Zur Fotogalerie des Salzburger IndustrietagesBilddownload (©WKS/Kolarik):
Foto 1: Spartengeschäftsführerin Anita Wautischer, Landesrat Martin Zauner, Leube-Geschäftsführer Heimo Berger, Spartenobmann Peter Unterkofler, Ökonomin Monika Köppl-Turyna (EcoAustria), LH-Stv. Stefan Schnöll, Bundesspartengeschäftsführer Andreas Mörk und WKS-Präsident Peter Buchmüller.