„Begünstigte Behinderte“: Arbeitgeberkündigung
Alte Rechtslage - neue Rechtslage - nachträgliche Zustimmung zur Kündigung - Kündigungsgründe
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Ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem „begünstigt Behinderten“ – so bezeichnet das Behinderteneinstellungsgesetz Personen mit einem behördlich festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50 % - durch den Arbeitgeber ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice erfolgen kann, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Ein Kriterium ist, ob das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2010 oder ab dem 1.1.2011 abgeschlossen wurde.
Rechtslage für bis zum 31.12.2010 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse
Wurde das Arbeitsverhältnis vor dem 1.1.2011 begründet, so ist die Kündigung eines begünstigten Behinderten nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses möglich.
Rechtslage für seit dem 1.1.2011 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse
Die Zustimmung des Behindertenausschusses ist nicht erforderlich, wenn
- zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Begünstigteneigenschaft bereits festgestellt ist und der Ausspruch der Kündigung innerhalb der ersten vier Jahre des Arbeitsverhältnisses erfolgt oder
- die Begünstigteneigenschaft des Arbeitnehmers nach Beginn des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird und der Ausspruch der Kündigung während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses erfolgt
Beispiel 1:
Beginn des Arbeitsverhältnisses: 01.06.2020 Ausspruch der Kündigung: 05.03.2024
War bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Begünstigteneigenschaft festgestellt, so kann der Ausspruch der Kündigung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses erfolgen, da sie innerhalb der ersten 4 Jahre erfolgte.
Die Zustimmung des Behindertenausschusses ist erforderlich, wenn
- die Begünstigteneigenschaft innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses wegen eines Arbeitsunfalls festgestellt wird oder
- die Begünstigteneigenschaft des Arbeitnehmers nach Ablauf von sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird.
Beispiel 2:
Beginn des Arbeitsverhältnisses: 01.04.2024 Ausspruch der Kündigung: 05.08.2024
Antrag auf Feststellung der Begünstigteneigenschaft: 04.06.2024
Der Ausspruch der Kündigung ist, auch ohne Zustimmung des Behindertenausschusses, rechtswirksam, da er innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses erfolgte.
Wird die Kündigung beispielsweise erst am 05.12.2024 ausgesprochen, ist diese rechtsunwirksam, da nach 6 Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Behindertenausschusses hätte eingeholt werden müssen.
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Es sind die „Feststellung der Begünstigteneigenschaft“ und das „Wirksamwerden der Begünstigung“ voneinander zu unterscheiden.
Festgestellt wird die Begünstigteneigenschaft mittels rechtskräftigen Bescheids. Wirksam wird die Begünstigung jedoch (rückwirkend) mit dem Tag des Einlangens des Antrags beim Sozialministeriumservice. Wird der Antrag unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung gestellt ist die Begünstigung schon ab dem Monatsersten wirksam.
Zusammenfassend bedeutet dies für einen von einer Behinderung betroffenen Arbeitnehmer:
- Wird die Feststellung der Begünstigteneigenschaft vor Beginn des Arbeitsverhältnisses beantragt, diese erst nach Arbeitsantritt festgestellt, besteht der Bestandsschutz ab dem siebten Monat.
- Beispiel: Beginn des Dienstverhältnisses: 01.07.2024; Antrag auf Feststellung der Behinderteneigenschaft: 25.06.2024; (Rückwirkende) Feststellung der Behinderteneigenschaft: 10.07.2024; Der besondere Kündigungsschutz gilt bereits ab 01.01.2025
- Durch die Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, ob kein besonderer Kündigungsschutz besteht, wenn eine Kündigung, nach Antragstellung, innerhalb der ersten vier Arbeitsjahre erfolgt, die Begünstigteneigenschaft aber erst im fünften Arbeitsjahr festgestellt wird.
Nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung?
Nur in Ausnahmefällen erteilt der Behindertenausschuss nachträglich die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung. Ein solcher Ausnahmefall ist dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt Kündigungsausspruches nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Arbeitnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehört.
Die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung kann aber nicht erteilt werden, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Kündigungsgründe
Der Behindertenausschuss hat bei seiner Entscheidung die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob dem Arbeitnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber insbesondere nicht zugemutet werden können bei:
- Wegfall des ursprünglichen Tätigkeitsbereiches des Arbeitnehmersund Nachweis, dass keine Weiterbeschäftigung an einem anderen vom Arbeitnehmer akzeptierten Arbeitsplatz möglich ist,
- Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und Fehlen eines von diesem akzeptierten Ersatzarbeitsplatzes,
- beharrlicher Pflichtenverletzung, wenn der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.
Stand: 01.06.2024