Europäisches Beihilfenrecht - Allgemeine Grundsätze
Schutz des unverfälschten Wettbewerbs vor einseitigen Vorteilszuwendungen der öffentlichen Hand an bestimmte Unternehmer
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Allgemeine Prinzipien
Gegenstand des EU-Beihilfenrechtes (Beihilfenaufsicht durch die Europäische Kommission; EK) ist die Kontrolle nationaler Subventions- und Fördermaßnahmen zugunsten von Unternehmen. Wenn durch solche Aktivitäten der Wettbewerb verfälscht und der zwischenstaatliche Handel beeinträchtigt werden kann, dann sind diese grundsätzlich verboten.
Im Gegensatz zum Recht gegen „private“ Wettbewerbsbeschränkungen (z.B. Kartelle, Missbrauch einer beherrschenden Stellung) richtet sich die Beihilfenaufsicht unmittelbar an die Mitgliedstaaten und gegen diese zurechenbaren Wettbewerbsbeschränkungen. Unternehmer als unmittelbare Nutznießer gemeinschaftswidriger Beihilfen sind daher nur im untergeordneten Maß unmittelbare Adressaten gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen (Ausnahmen: Auskunftsverlangen und Hausdurchsuchungen); sehr wohl haben sie aber die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen zu tragen, indem zu Unrecht erlangte Beihilfen zurückgezahlt werden müssen. Die Beihilfenaufsicht dient immer der Vermeidung staatlicher Wettbewerbsbeschränkungen.
Unvereinbarkeitsgrundsatz
Die "Grundnorm“ des materiellen europäischen Beihilfenrechtes findet sich in Art. 107 AEUV. Danach sind staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb beschränken, mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Gleichzeitig bestehen gesetzesimmanente Ausnahmebestimmungen. Es gilt also kein uneingeschränktes Beihilfenverbot! Inwieweit eine Beihilfemaßnahme die Bedingungen einer Ausnahme erfüllt, hat grundsätzlich die Kommission festzustellen.
Ausnahmen
- Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden;
- Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind;
- Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.
Die Kommission kann folgende Beihilfensachverhalte genehmigen:
- Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;
- Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamen europäischen Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats;
- Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;
- Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;
- sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt.
Den eine Beihilfe gewährenden Mitgliedstaat trifft die Pflicht, eine Beihilfenmaßnahme vor Durchführung und Auszahlung der Kommission zu melden (Notifikationspflicht). Dies gilt jedoch nicht, wenn die Subvention so geringfügig ist, dass eine innergemeinschaftliche Wettbewerbsbeschränkung dadurch unwahrscheinlich ist (Bagatell- oder De-minimis-Regelung) oder der Sachverhalt in den Anwendungsbereich der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung fällt.
De-minimis-Regelung
Die Kommission vertritt die Auffassung, dass lediglich geringfügige staatliche Transferleistungen keine Beihilfen im Sinne des Art. 107 AEUV darstellen, da sie meist nicht geeignet sind, den Wettbewerb oder den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen. In ihrer De-minimis Verordnung hat die EK diese Schwelle mit 200.000 EUR pro Unternehmen über einen Zeitraum von drei Jahren festgelegt. Dieser Wert gilt allerdings nur für "transparente“ Beihilfeformen – das sind solche, wo sich in vorhinein der Beihilfenwert einfach bestimmen lässt (z.B. verlorene Zuschüsse) – und jedenfalls keine Exportbeihilfen.
Gruppenfreistellung
Mit ihrer allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) stellt die Kommission gewisse Gruppen von Beihilfen vom Erfordernis der Notifikation frei. Dies gilt unter anderem für folgende Beihilfearten:
- KMU-Beihilfen und Beihilfen zur Erschließung von KMU-Finanzierungen,
- Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation,
- Regionalbeihilfen,
- Ausbildungs- und Beschäftigungsbeihilfen,
- Umweltschutzbeihilfen,
- Risikokapitalmaßnahmen,
- Beihilfen für lokale, Breitband- und Sport-/ Freizeitinfrastruktur,
- Kulturbeihilfen,
- Beihilfen für Regionalflughäfen,
- Hafenbeihilfen,
- Beihilfen für die europäische territoriale Zusammenarbeit,
- Beihilfen zur Bewältigung der Folgen bestimmter Naturkatastrophen,
- Sozialbeihilfen für die Beförderung von Einwohnern entlegener Gebiete und
- Beihilfen im Rahmen von aus dem Fonds „InvestEU“ unterstützten Finanzprodukten.
Für jede der Gruppenfreistellungen zugängliche Beihilfeart hat die Kommission Leitlinien über die Anwendung des Beihilfenrechtes im Detail erlassen. Die Regelungen sind im Einzelfall sehr komplex.
Beihilfeverfahren
Fällt eine Beihilfenmaßnahme nicht unter die beiden eben genannten Regelungsbereiche (De-minimis, AGVO), ist sie vom Mitgliedstaat der Kommission vorab zu notifizieren und von dieser grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten zu überprüfen. Bei Bedenken gegen die Rechtskonformität einer nationalen Beihilfenmaßnahme kann die EK eine vertiefte Prüfung einleiten. Dies ist auch über Beschwerde betroffener Unternehmen möglich.
Seit 1.7.2016 können die von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Informationen betreffend gewährte Beihilfenmaßnahmen über die Beihilfentransparenzdatenbank der EK abgerufen werden.
Rechtswidrig gewährte Beihilfen sind durch den betroffenen Mitgliedstaat vom Beihilfenempfänger effektiv zurückzufordern.
Stand: 03.12.2021