Verbraucherrechte: Außergeschäftsraumverträge im Überblick
Kompaktinfo zu Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden
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Die allgemeinen Informationspflichten nach dem Fern– und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) werden auf der vorliegenden Infoseite im Überblick dargestellt. Zur leichteren Nachvollziehbarkeit wird jeweils auf die Paragraphen des KSchG und fallweise auch auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (EB) bzw. auch auf Erwägungsgründe (EG) der Richtlinie verwiesen.
Es bestehen Regelungen im Konsumentenschutzgesetz insbesondere für sogenannte „Haustürgeschäfte“. Der Verbraucher hat danach ein Rücktrittsrecht, wenn er seine Vertragserklärung weder in den vom Unternehmer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benützten Geschäftsräumen noch bei einem von diesem dafür auf einer Messe oder Markt benutzten Stand abgegeben hat (siehe zum Haustürgeschäft auch am Ende dieses Überblicks). Allerdings gibt es - neben anderen - eine besonders wichtige Ausnahme für das Rücktrittsrecht bei diesen „Haustürgeschäften“: Ein Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher nämlich nicht zu, wenn er selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer zwecks Schließung des Vertrages angebahnt hat.
Bei den Regelungen über Außergeschäftsräume kommt es auf die Anbahnung durch den Verbraucher nicht mehr an. Die Vorgaben kommen grundsätzlich auch dann zum Tragen, wenn der Verbraucher selbst das Geschäft angebahnt hat! Betroffen sind somit nicht nur Direktvertriebsunternehmen, sondern auch Unternehmer, die vom Kunden in die Wohnung gerufen werden, wenn es z.B. um Maßanfertigungen von Möbeln, Reparaturleistungen im Bereich Elektro- oder Sanitärinstallationen oder Malerarbeiten geht.
"Außergeschäftsraumvertrag" - Definition
Ein Außergeschäftsraumvertrag im Sinne des § 3 Z 1 FAGG umfasst jeden Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher,
- der
bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des
Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des
Unternehmers ist,
für den der Verbraucher unter den in lit. a genannten Umständen ein Angebot gemacht hat,
der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers oder dessen Beauftragten und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
der auf einem Ausflug geschlossen wird, der von einem Unternehmer oder von dessen Beauftragten in der Absicht oder mit dem Ergebnis organisiert wurde, dass der Unternehmer für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen beim Verbraucher wirbt oder werben lässt und entsprechende Verträge mit dem Verbraucher abschließt.
Geschäftsräume sind definiert als unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt (§ 3 Z 3 FAGG). „Messen und Märkte“ gelten dann als Geschäftsräume, wenn sie die Bedingungen für das Vorliegen von Geschäftsräumen erfüllen (Erwägungsgrund 22; EB S. 25)). Ein Messestand ist ein Geschäftsraum, wenn der Unternehmer für die Dauer der Messe dort seine Verkaufstätigkeit ausübt (OGH 26.1.2017, 3 Ob 237/16y).
Umfassende vorvertragliche Informationspflichten und Bestätigung des Vertrages
Achtung:
Nach den Regelungen gelten
für AGV sehr umfassende vorvertragliche Informationspflichten.
Zu informieren ist abgesehen von den Identitäts- und Kontaktdaten des Unternehmers, den wesentlichen Eigenschaften der Ware, der digitalen Leistung bzw. Dienstleistung, dem Preis (grundsätzlich Gesamtpreis inklusive aller Steuern) neben vielen anderen Punkten insbesondere auch über das Bestehen, die Bedingungen, Fristen und Verfahren des Rücktrittsrechts (dabei ist dem Verbraucher auch ein Musterwiderrufsformular auszuhändigen). Es ist u.a. auch darüber zu informieren, wenn aufgrund einer Ausnahme kein Rücktrittsrecht besteht oder darüber, dass der Verbraucher, wenn er verlangt hat, dass z.B. mit der Ausführung einer Dienstleistung innerhalb der Rücktrittsfrist begonnen wird, im Falle des Rücktritts ein anteiliges Entgelt zu zahlen hat (vgl. Verbraucherrechte: Allgemeine Informationspflichten bei Verbrauchergeschäften im Detail). Die Informationen sind grundsätzlich auf Papier zu erteilen, bevor der Verbraucher durch den Vertrag oder ein entsprechendes Angebot gebunden ist.
Nach Abschluss des Vertrages ist dem Verbraucher eine Ausfertigung des unterzeichneten Vertrages oder eine Bestätigung des geschlossenen Vertrages grundsätzlich auf Papier zur Verfügung zu stellen (§ 5 Abs 2 FAGG).
Rücktrittsrecht
Sofern nicht eine Ausnahme greift (siehe unten), hat der Verbraucher eine Frist von 14 Kalendertagen, um vom Vertrag ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Für den Fall, dass der Verbraucher nicht entsprechend den Vorgaben über das Rücktrittsrechts belehrt wurde, verlängert sich die Rücktrittsfrist. Die verlängerte Frist beträgt 12 Monate und 14 Tage. Wenn die Belehrung innerhalb von 12 Monaten nachgeholt wird, endet die Frist 14 Tage nach Erhalt dieser Information (§ 12 FAGG).
Ausnahmen vom Rücktrittsrecht bestehen z.B. für während der Rücktrittsfrist vollständig erbrachte Dienstleistungen, allerdings nur, wenn zusätzlich die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er das Rücktrittrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen wurde. Kein Rücktrittsrecht besteht u.a. auch für Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder bei Verträgen, bei denen der Unternehmer ausdrücklich zu einem Besuch aufgefordert wurde, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen (siehe zu weiteren Ausnahmen § 18 FAGG).
„Ausdrückliches Verlangen“ des Verbrauchers auf Beginn der Dienstleistung bzw. der Lieferung im Rahmen von Versorgungsverträgen während der Rücktrittsfrist
Wenn ein Fernabsatzvertrag oder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag den Verbraucher zu einer Zahlung verpflichtet und
- entweder eine Dienstleistung oder
- die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom oder
- die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand hat und
- wenn der Verbraucher wünscht, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Vertragserfüllung beginnt,
muss der Unternehmer den Verbraucher auffordern, ihm das ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen zu erklären (im Fall AGV auf einem dauerhaften Datenträger) und vom Verbraucher die Bestätigung verlangen, dass dieser zur Kenntnis genommen hat, dass er bei vollständiger Vertragserfüllung das Rücktrittsrecht dementsprechend verliert (§ 10 FAGG).
Besondere Folgen der Verletzung bestimmter Informationspflichten oder Vorgaben
Die Verletzung der ordnungsgemäßen Information über das Rücktrittsrecht führt nicht nur zu einer Verlängerung der Rücktrittsfrist, sondern auch dazu, dass der Verbraucher im Rücktrittsfall nicht für Dienstleistungen oder die Leistungen im Rahmen der oben genannten Versorgungsverträge, die während der Rücktrittsfrist erbracht wurden, aufzukommen hat. Dasselbe gilt auch, wenn das oben dargestellte „ausdrückliche Verlangen“ auf Erbringung dieser Leistungen nicht vorliegt, oder wenn nicht über die anteilige Kostentragungspflicht vorvertraglich informiert wurde (§ 16 Abs 2 FAGG).
Ausnahmen bzw. Erleichterungen für geringfügige Geschäfte
Die Bestimmungen sind nicht auf Verträge anzuwenden, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden und bei denen das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt den Betrag von 50 EUR nicht überschreitet (§ 1 Abs 2 Z 1 FAGG).
Bei Außergeschäftsraumverträgen über Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten gilt unter bestimmten Voraussetzungen (ausdrückliche Anforderung des Unternehmers zur Ausführung von Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten, beide erfüllen ihre Verpflichtungen sofort, Entgelt beträgt nicht mehr als 200 EUR) eine etwas einfachere Regelung für die Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten (§ 6 FAGG).
Das Gesetz selbst nimmt außerdem bestimmte Verträge vom Anwendungsbereich generell aus (§ 1 Abs 2 FAGG), z.B. Verträge über soziale Dienstleistungen einschließlich Langzeitpflege; Gesundheitsdienstleistungen; Finanzdienstleistungen; Verträge über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum; Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers vom Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden.
Rücktrittsrecht bei Haustürgeschäften nach § 3 KSchG
Wie einleitend erwähnt, gab es auch zuvor ein Rücktrittsrecht bei sogenannten Haustürgeschäften (§ 3 KSchG). Diese Bestimmung bleibt weiterhin bestehen bzw. wurde auch diese geändert. Für Verträge, die dem FAGG unterliegen, kommt § 3 KSchG künftig nicht mehr zur Anwendung. Vom FAGG sind aber einige Verträge ausgenommen (z.B. Gesundheitsdienstleistungen, soziale Dienstleistungen, siehe oben). Insbesondere für diese vom FAGG ausgenommenen Verträge hat dieses Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG weiterhin Relevanz.
Wie bisher bleibt aber eine – neben anderen - besonders wichtige Ausnahme für dieses Rücktrittsrecht auch künftig erhalten: Ein Rücktrittsrecht steht dem Verbraucher bei Haustürgeschäften nach dieser Bestimmung auch weiterhin nicht zu, wenn er selbst die geschäftliche Verbindung mit dem Unternehmer zwecks Schließung des Vertrages angebahnt hat (§ 3 Abs 3 Z 1 KSchG). Allerdings wurden auch bei dieser Bestimmung Änderungen vorgenommen, um einen gewissen Gleichklang mit dem FAGG herzustellen. So wurde z.B. einerseits die bestehende Rücktrittsfrist von einer Woche auf 14 Tage erhöht, andererseits aber eine absolute Frist für das Rücktrittsrecht von 1 Jahr und 14 Tagen eingeführt, die es bisher nicht gegeben hat (siehe § 3 Abs 1 KSchG).
Stand: 11.10.2024