Erwerbsunfähigkeit im Steuerrecht
Auswirkungen insbesondere bei Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit
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Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit spielt im Steuerrecht insbesondere im Zusammenhang mit der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit häufig eine wichtige Rolle. So können vor allem einkommensteuerrechtliche Begünstigungen im Falle der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe vom Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit abhängen.Auch bei der Unternehmensübertragung im Schenkungswege kann die Erwerbsunfähigkeit im Zusammenhang mit Begünstigungen bei der Grunderwerbsteuer von Bedeutung sein.
Bei welchen konkreten Tatbeständen des Steuerrechtes wird auf die Erwerbsunfähigkeit abgestellt?
Halber Einkommensteuersatz bei Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe
Wird der Betrieb deshalb veräußert oder aufgegeben, weil der Steuerpflichtige
- gestorben ist oder
- wegen körperlicher oder geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig ist, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen, oder
- das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt und
und sind seit Betriebseröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen, wird auf Antrag die Einkommensteuer des Veräußerungs(Aufgabe)gewinnes auf die Hälfte des auf das Gesamteinkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes ermäßigt.
Steuerliche Begünstigung des Wohngebäudes bei der Betriebsaufgabe bis 30.6.2023
Bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen (siehe Infoseite zur steuerlichen Begünstigung des Wohngebäudes bei der Betriebsaufgabe) konnte bei einer Betriebsaufgabe die Erfassung der stillen Reserven, welche auf das zum Betriebsvermögen gehörende Wohngebäude entfallen, unterbleiben.
Neben weiteren Voraussetzungen konnte diese Begünstigung insbesondere dann beantragt werden, wenn die Betriebsaufgabe deshalb erfolgt, weil der Steuerpflichtige
- gestorben ist oder
- wegen körperlicher oder geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig ist, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen, oder
- das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt.
Ab 1.7.2023 werden betrieblich genutzte Gebäude(teile) zum Buchwert ins Privatvermögen überführt. Die beschriebene „Hauptwohnsitzbefreiung“ erübrigt sich damit. Stille Reserven sind erst im Rahmen einer etwaigen späteren Veräußerung im Privatbereich steuerlich zu berücksichtigen.
Freibetrag im Grunderwerbsteuergesetz
Für unentgeltliche oder teilentgeltliche Erwerbe von Grundstücken, soweit sie zum Betriebsvermögen eines erworbenen Betriebes oder Teilbetriebes gehören, der der Einkunftserzielung aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb dient, besteht ein Betriebsfreibetrag in Höhe von bis zu 900.000,-- EUR Bemessungsgrundlage ist auch bei unentgeltlicher Übertragung von Grundstücken der Grundstückswert.
Die Erwerbsunfähigkeit stellt eine mögliche Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Betriebsfreibetrages im Rahmen des Grunderwerbsteuergesetzes dar.
Hinweis: Details zum Betriebsfreibetrag im Grunderwerbsteuergesetz finden Sie auf der Infoseite Grunderwerbsteuer neu ab 1.1.2016.
Wann ist somit „Erwerbsunfähigkeit“ im Sinne dieser steuerrechtlichen Bestimmungen gegeben?
Die Steuerbegünstigungen für Betriebsaufgaben und Betriebsveräußerungen stehen dann zu, wenn der Steuerpflichtige wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen bzw. Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig ist, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen.
Erwerbsunfähigkeit liegt jedenfalls vor, wenn ein Steuerpflichtiger keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann oder eine befristete oder unbefristete Erwerbsunfähigkeitspension zuerkannt wird.
Weiters ist Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, wenn die konkrete betriebliche Tätigkeit aufgrund des Gesundheitszustandes nicht mehr ausgeübt werden kann und deshalb der Betrieb veräußert oder aufgegeben wird (betriebsbezogene Erwerbsunfähigkeit). Entscheidend ist dabei, ob zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe Erwerbsunfähigkeit nachweislich gegeben ist.
Die Erwerbsunfähigkeit muss allerdings während der vorangegangenen Betriebsausübung – und somit nicht bereits bei der Betriebseröffnung – erstmals aufgetreten sein. Andererseits ist es für das Vorliegen von Erwerbunfähigkeit zum Betriebsaufgabezeitpunkt nicht schädlich, dass der Betrieb trotz Erwerbsunfähigkeit auf die Gefahr gesundheitlicher Risken weitergeführt wurde.
Hinweis:
Hinsichtlich des Nachweises der Erwerbsunfähigkeit ist aufgrund der Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung folgendermaßen vorzugehen:
- Wurde seitens des Sozialversicherungsträgers eine (befristete oder unbefristete) Erwerbsunfähigkeitspension für den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bereits zuerkannt, ist vom Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen.
- Wurde eine Erwerbsunfähigkeitspension beim zuständigen Sozialversicherungsträger beantragt, aber noch nicht zuerkannt oder abgelehnt, ist seitens des Finanzamtes als Grundlage für die steuerliche Beurteilung im Wege der Amtshilfe auf die im Rahmen der Prüfung des Pensionsantrages erfolgende medizinische Beurteilung zurückzugreifen. Diese medizinische Beurteilung bildet die Basis für die Beurteilung durch das Finanzamt, ob der Betriebsaufgabe oder -veräußerung die Erwerbsunfähigkeit des Steuerpflichtigen zu Grunde liegt.
- Wurde keine Erwerbsunfähigkeitspension beantragt, hat der Steuerpflichtige ein medizinisches Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vorzulegen. Unterbleibt die Vorlage eines solchen Gutachtens durch den Steuerpflichtigen, kann – abgesehen von Fällen, in denen das Vorliegen der relativen Erwerbsunfähigkeit offenkundig ist – die Begünstigung nicht zuerkannt werden.
Auch hinsichtlich der (bis 30.6.2023 anwendbaren) steuerlichen Begünstigung des Wohngebäudes bei der Betriebsaufgabe erfolgte die Umschreibung der „Erwerbsunfähigkeit“ wortgleich wie oben bei der Begünstigung betreffend Betriebsveräußerung/Betriebsaufgabe.
Damit wurde klargestellt, dass auch Fälle einer betriebsbezogenen und nicht 100%igen Erwerbsunfähigkeit von den gegenständlichen Begünstigungen erfasst sind.
Auch der Erwerbsunfähigkeitsbegriff im Grunderwerbssteuergesetz entspricht im Wesentlichen jenem des Einkommensteuergesetzes. Lediglich hinsichtlich der Umschreibung „geistiger Behinderung“ erfolgt eine konkretere Definition.
Stand: 01.02.2024