Zwei lächelnde Personen reichen sich über Stehtisch die Hand
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Gewähr­leistungs­ansprüche in der Insolvenz

Wie können Mängel im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden?

Lesedauer: 3 Minuten

Erhält ein Kunde eine mangelhafte Leistung (Ware, Werkleistung), stehen ihm grundsätzlich Gewährleistungsansprüche zu. Wurde aber über das Vermögen des Verkäufers bzw. Leistungserbringers ein Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, welche Leistungen der Kunde erhalten kann. 

In ein Insolvenzverfahren einbezogen werden Forderungen aus solchen Vertragsverhältnissen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestanden haben. Auch Gewährleistungsansprüche aus Verträgen, die vor Insolvenzeröffnung geschlossen wurden, werden daher in das Insolvenzverfahren einbezogen, unabhängig davon, ob der Mangel noch vor oder erst nach Insolvenzeröffnung hervorgekommen ist.  

Grundsätzlich verwandeln sich mit dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung alle noch offenen Ansprüche aus bereits bestehenden Verträgen in Geldansprüche. So wandeln sich auch Gewährleistungsansprüche, z.B. ein Anspruch auf Reparatur einer mangelhaften Sache, in Geldansprüche um. Dies ist notwendig, damit es zu einer Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger kommt. Die Geldforderung kann der Gläubiger als Insolvenzforderung beim zuständigen Insolvenzgericht anmelden und erhält dann eine Quote aus dem Insolvenzverfahren. 

Tipp:
Sinnvoll ist gerade in diesem Zusammenhang die Vereinbarung eines Haftrücklasses, da der Gläubiger im Insolvenzfall des Werkunternehmers mit seiner Forderung aus der Gewährleistung gegen den noch offenen Haftrücklass aufrechnen kann.

Beispiel 1:
Ein Kunde hat bei einem Händler eine Fritteuse für seinen Gastronomiebetrieb gekauft, geliefert bekommen und auch bereits vollständig bezahlt. Nach kurzer Verwendungsdauer schaltet sich das Gerät immer wieder ab – offenbar ein Verarbeitungsfehler im Sicherheitsthermostat. In der Zwischenzeit wurde über das Unternehmen des Händlers ein Insolvenzverfahren eröffnet. Obwohl der Kunde normalerweise einen Gewährleistungsanspruch auf Reparatur oder Austausch des Gerätes hätte, verwandelt sich dieser auf Grund der Insolvenzeröffnung in eine Geldforderung, die der Kunde als Insolvenzforderung beim zuständigen Insolvenzgericht anmelden kann um eine Quote zu erhalten. Die Höhe der Geldforderung ist vom Kunden selbst zu schätzen.

Einen Spezialfall stellen Verträge dar, die von beiden Vertragspartnern noch nicht vollständig erfüllt wurden. Darunter sind Fälle zu verstehen, in denen der Kunde den Kaufpreis oder Werklohn noch nicht vollständig bezahlt hat und auch der Unternehmer seine Leistung noch nicht vollständig erbracht hat. Nach der Rechtsprechung des OGH und einem überwiegenden Teil der Lehre können auch bereits erbrachte Leistungen als noch nicht vollständig erfüllt gelten, wenn sie mangelhaft sind. Von den Gerichten der unteren Instanzen wurde dies dann so interpretiert, dass eine mangelhafte Leistung als noch nicht vollständig erbracht gilt, wenn noch Ansprüche auf Reparatur oder Austausch bestehen. Bei geringfügigen und unbehebbaren Mängeln, bei denen nur Preisminderung in Frage kommt, wurde die Leistung als vollständig erbracht angesehen. 

Liegt ein beidseitig noch nicht vollständig erfüllter Vertrag vor, hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht: entweder der Vertrag wird von beiden Seiten ausgeführt, z.B. der Unternehmer behebt den Mangel und der Kunde zahlt den Kaufpreis, oder der Insolvenzverwalter tritt vom Vertrag zurück. Wählt er den Rücktritt, so unterbleibt die weitere Erfüllung des Vertrages und dem Kunden steht ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch in Geld zu, den er als Insolvenzforderung anmelden kann um eine Quote zu erhalten.

Beispiel 2:
Eine Kundin hat bei einem EDV-Dienstleister die Programmierung eines Webshops in Auftrag gegeben. Eine Anzahlung hat sie bereits geleistet, der Rest des Werklohns wird erst nach Fertigstellung und Rechnungslegung fällig. Zunächst scheint bei der Übergabe alles in Ordnung, im Echtbetrieb stellt sicher aber heraus, dass der Bestellvorgang nicht abgeschlossen werden kann. Von der nun erhaltenden Endrechnung hält die Kundin einen entsprechenden Teil zurück bis der EDV-Dienstleister, der in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet hat, den Programmierungsfehler behoben hat. Es handelt sich um einen beidseitig noch nicht erfüllten Vertrag im Sinne der Rechtsprechung. Daher hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht, ob vom EDV-Dienstleister Verbesserung zu leisten und sodann von der Kundin der Werklohn zu zahlen ist oder ob er vom Vertrag zurück tritt. Wählt er letztere Variante, kann die Kundin ihren verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch als Insolvenzforderung anmelden.

Beispiel 3: 
Eine Kundin bestellt bei einem Unternehmer 200 Luftballons bedruckt mit ihrem Firmenlogo für eine Veranstaltung. Einen Teil des Kaufpreises hat sie bereits angezahlt. Als die Luftballons einen Tag vor der Veranstaltung geliefert werden, stellt die Kundin fest, dass der Aufdruck des Logos bei sämtlichen Ballons etwas verzerrt und somit schlechter erkennbar ist als in der Druckfahne, die sie extra abgesegnet hatte. Ein Nachdrucken der Ballons ist in der kurzen Zeit nicht möglich, daher hätte die Kundin einen Gewährleistungsanspruch auf Preisminderung. Die Ballondruckerei befindet sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren. Nach der gegenwärtig vorhandenen Rechtsprechung ist der Vertrag von der Ballondruckerei bereits vollständig erfüllt, da nur mehr Preisminderung in Frage kommt. Die Kundin kann daher nur ihre Forderung als Insolvenzforderung anmelden. 

Stand: 01.01.2025

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