Person mit langen dunklen Haaren sitzt auf einem Sessel und blickt auf einen Laptop, der am Schoß platziert ist, mit der rechten Hand wird eine EC-Karte gehalten
© Prostock-studio | stock.adobe.com

Gewährleistung nach Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) beim Warenkauf und bei digitalen Leistungen – Umfang der Gewährleistung und Aktualisierungspflicht

Regelungen ab 1.1.2022

Lesedauer: 8 Minuten

Allgemeines 

Das Verbrauchergewährleistungsgesetz, kurz VGG, sieht für Verbraucherverträge über bestimmte bewegliche Sachen und über die Bereitstellung digitaler Inhalte besondere Gewährleistungsbestimmungen vor. Die Bestimmungen des VGG sind zwingend und können bis auf wenige Ausnahmen nicht abweichend vereinbart werden.

Das VGG ist die nationale Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (Warenkauf-RL) sowie der europäischen Richtlinie betreffend digitale Leistungen (RL digitale Inhalte). 

Außerhalb des Anwendungsbereichs des VGG gelten die bisherigen Gewährleistungsbestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) und des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG). 

Alles zum Thema Gewährleistung finden Sie in der Übersicht mit Entscheidungsbaum.

>> Überblick über die Gewährleistungsbestimmungen bezüglich Warenkauf 

>> Überblick über die Gewährleistungsbestimmungen zu digitalen Dienstleistungen 

Da die Gewährleistungspflichten für Waren, Waren mit digitalen Inhalten und digitale Leistungen gleich sind, werden sie gemeinsam behandelt.

Die neu eingeführte Aktualisierungspflicht gilt für Waren mit digitalen Elementen und digitale Leistungen. 

Gewährleistungspflicht

Man unterscheidet im Groben zwischen Sach- und Rechtsmängel. Der Unternehmer leistet Gewähr, dass die von ihm übergebene Ware oder die von ihm bereitgestellte digitale Leistung dem Vertrag entspricht, also keinen Mangel aufweist. Ob ein Mangel vorliegt, wird nach verschiedenen (objektiven und subjektiven) Kriterien beurteilt, allen voran nach dem, was vertraglich zwischen Unternehmer und Verbraucher vereinbart wurde. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Unternehmer nicht jene rechtliche Position einräumen kann, die er vertraglich zugesagt hatte.  

Der Unternehmer haftet im Rahmen der Gewährleistung dafür, dass die von ihm erbrachte digitale Leistung oder Ware die  

  • vertraglich vereinbarten Eigenschaften hat und
  • die objektiv erforderlichen Eigenschaften hat sowie
  • dass allfällige Aktualisierungspflichten erfüllt werden und
  • dass im Fall einer Montage, Installation oder Integration diese auch sachgemäß durchgeführt werden. 

Vertraglich vereinbarte Eigenschaften

Wie oben dargelegt richtet sich die Gewährleistungspflicht allen voran danach, was vertraglich vereinbart wurde. Das bedeutet, die Ware oder die digitale Leistung muss beispielsweise: 

ihrer Beschreibung im Vertrag entsprechen,

die Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstigen Merkmale haben, die sich aus dem Vertrag ergeben,

sich für den vom Verbraucher spätestens zum Vertragsabschluss bestimmten Zweck eignen, wobei dies dem Unternehmer zur Kenntnis gebracht worden sein muss und dieser dem Zweck auch zugestimmt haben muss,

den Anforderungen des Vertrags entsprechend mit dem Zubehör und den Anleitungen (z.B. Montage oder Installationsanleitung) ausgestattet sein und

im Falle einer digitalen Leistung wie im Vertrag bestimmt, aktualisiert werden. 

Achtung: Die vertraglich vereinbarten Aktualisierungen sind von der allgemeinen Aktualisierungspflicht zu unterscheiden! Näheres hierzu siehe Aktualisierungspflicht

Vertraglich vereinbart meint grundsätzlich auch „konkludent vereinbarte Eigenschaften“, das sind jene Anforderungen, die sich aus der Vertragsauslegung anhand der konkreten Umstände des Vertragsabschlusses ergeben können (z.B. aus der Beschreibung der Eigenschaften des Gegenstandes bei Vertragsschluss durch den Verkäufer). 

Objektiv erforderliche Eigenschaften

Die Ware oder die digitale Leistung hat zum Zeitpunkt der Übergabe auch die objektiv erforderlichen Eigenschaften aufzuweisen, es sei denn der Verbraucher wurde beim Vertragsabschluss selbst über Abweichungen in Kenntnis gesetzt und hat diesen ausdrücklich und gesondert zustimmt

Eine Abweichung von objektiv erforderlichen Eigenschaften ist unter folgenden Voraussetzungen möglich: 

  • ausdrückliche Information des Verbrauchers vor Vertragsabschluss: Der Verbraucher wird von der Abweichung von objektiven Eigenschaften konkret in Kenntnis gesetzt, eine generelle Information hierzu reicht nicht aus. Der Unternehmer muss den Verbraucher also ausdrücklich darüber informieren, welche konkreten Eigenschaften nicht Vertragsinhalt werden sollen;

und 

  • ausdrückliche und gesonderte Zustimmung des Verbrauchers zur Abweichung bei Vertragsabschluss: Ausdrücklich ist die Zustimmung dann, wenn diese durch ein aktives und eindeutiges Verhalten des Verbrauchers zum Ausdruck gebracht wird. Gesondert ist die Zustimmung dann, wenn sie gesondert von anderen Erklärungen oder Vereinbarungen abgegeben wird. 

 Tipp:
Grundsätzlich ist auch eine mündliche Zustimmung ausreichend. Es empfiehlt sich diese Zustimmung aber explizit zu protokollieren, z.B. durch eine zusätzliche Bestätigung des Verbrauchers in Papierform, z.B. Bestätigung einer Checkbox, Betätigung einer Schaltfläche oder Aktivierung einer ähnlichen Funktion. 

Die objektiv erforderlichen Eigenschaften bestimmen sich nach dem jeweiligen konkreten Einzelfall, diese können sich z.B. aus folgenden Kriterien ergeben: 

  • Die Waren oder die digitale Leistung müssen für die Zwecke geeignet sein, für die derartige Waren üblicherweise verwendet werden (z.B. sind diese Zwecke durch Rechtsvorschriften, technische Normen, sektorspezifische Verhaltenskodizes vorgegeben).
  • Wenn der Unternehmer dem Verbraucher vor Vertragsabschluss eine Warenprobe oder ein Warenmuster zur Verfügung gestellt hat, müssen die Waren und digitalen Leistungen der Qualität und der Beschreibung dieser Probe oder dieses Musters entsprechen.
  • Wenn der Unternehmer dem Verbraucher vor Vertragsabschluss eine Testversion oder eine Vorschau der digitalen Leistung zur Verfügung gestellt hat, dieser Testversion oder dieser Vorschau entsprechen.
  • All jenes Zubehör (wie Verpackung, Montage- oder Installationsanleitungen und anderen Anleitungen), dessen Erhalt der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, muss enthalten sein, und
  • Die Ware weist die Menge, Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität, Zugänglichkeit, Kontinuität, Sicherheit und sonstigen Merkmale auf, die bei derartigen Waren üblich sind und die der Verbraucher aufgrund der Art der Ware und unter Berücksichtigung von öffentlichen Erklärungen, die vom Unternehmer oder ihm zurechenbaren Dritten (z.B. in der Werbung oder auf dem Etikett) abgegeben wurden, vernünftigerweise erwarten kann.

Aktualisierungspflicht („Update-Pflicht“)

Neu ist eine generelle Aktualisierungspflicht für die Bereitstellung digitaler Elemente. „Updates“ sollen sicherstellen, dass der Leistungsgegenstand weiterhin dem Vertrag entspricht (z.B. Sicherheitsupdates bei Smart Devices).

Viele digitale Dienstleistungen (z.B. Cloud-Speicherung) werden über einen Zeitraum fortlaufend benötigt, weshalb die Vertragsmäßigkeit auch während der Vertragslaufzeit gewahrt bleiben muss. Kurzfristige Unterbrechungen sind im digitalen Kontext nicht unüblich, sollten aber dann als Fälle von Vertragswidrigkeit behandelt werden, wenn diese Unterbrechungen mehr als vernachlässigbar oder wiederkehrend sind. 

Beispiel:
Ein Sicherheitsupdate, das nötig wird, um gegen eine neue Schadsoftware gerüstet zu sein, wird nicht oder nicht im ausreichenden Umfang bereitgestellt. Dadurch entsteht eine Sicherheitslücke, für die der Unternehmer gewährleistungsrechtlich haftet.

Achtung:
Nicht zu verwechseln mit der individuellen und daher flexibleren Vereinbarung von weiteren Aktualisierungsverpflichtungen  - siehe vertraglich vereinbarte Eigenschaften.

Bei Waren mit digitalen Elementen oder bei digitalen Leistungen ist der Unternehmer auch für Aktualisierungen in gewissen Zeiträumen verantwortlich, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Verbraucher bei Vertragsabschluss von einer Abweichung von der Aktualisierungspflicht in Kenntnis gesetzt wurde und dieser ausdrücklich und gesondert zustimmt.

D.h. eine Abweichung von der Aktualisierungspflicht ist unter folgenden Voraussetzungen möglich: 

  • ausdrückliche Information des Verbrauchers vor Vertragsabschluss: Der Verbraucher wird von der Abweichung von der Aktualisierungspflicht konkret in Kenntnis gesetzt. Der Unternehmer muss den Verbraucher also ausdrücklich darüber informieren, welche konkreten Updates nicht Vertragsinhalt werden sollen; 

und 

  • ausdrückliche und gesonderte Zustimmung des Verbrauchers zur Abweichung von der Aktualisierungspflicht bei Vertragsabschluss: Ausdrücklich ist die Zustimmung dann, wenn diese durch ein aktives und eindeutiges Verhalten des Verbrauchers zum Ausdruck gebracht wird. Gesondert ist die Zustimmung dann, wenn sie gesondert von anderen Erklärungen oder Vereinbarungen abgegeben wird.  

Tipp:
Es empfiehlt sich diese Zustimmung auch explizit zu protokollieren, z.B. durch eine zusätzliche Bestätigung des Verbrauchers.

Zeiträume der Aktualisierungspflicht

Die Aktualisierungspflicht besteht für die Zeiträume:  

1. Einmalleistung

Wenn die digitale Leistung nach dem Vertrag einmal oder mehrmals einzeln bereitzustellen ist, besteht die Aktualisierungspflicht während des Zeitraums, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und deren digitaler Elemente unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags vernünftigerweise erwarten kann. Die konkrete Zeitspanne richtet sich also nach dem Einzelfall.  

Beispiel:
Der Verbraucher lädt ein eBook herunter und speichert dieses auf seinem Endgerät.

2. (Un)befristete Leistung

Wenn die digitale Leistung nach dem Vertrag fortlaufend über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum bereitzustellen ist, besteht die Aktualisierungspflicht während der gesamten Dauer, bei Waren mit digitalen Elementen mindestens für zwei Jahre nach deren Übergabe.  

Beispiel:
Einjahresverträge für eine Cloud-Speicherung oder unbefristete Mitgliedschaft bei einer Social Media Plattform.

Haftungsausschluss für vom Verbraucher nicht durchgeführte Aktualisierungen

Installiert ein Verbraucher eine bereitgestellte Aktualisierung nicht innerhalb einer angemessenen Frist, haftet der Unternehmer nicht für einen Mangel, der allein auf das Unterbleiben dieser Aktualisierung zurückzuführen ist, sofern  

  • der Unternehmer den Verbraucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und über die Folgen eines Unterbleibens ihrer Installation informiert hat

und

  • das Unterbleiben oder die nicht sachgemäße Durchführung der Installation durch den Verbraucher nicht auf eine mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist. 

Der Verbraucher ist nicht zur Aktualisierung verpflichtet.

Montage und Installation

Ist der Unternehmer nach dem Vertrag zur Montage oder Installation der Ware verpflichtet, haftet er auch für einen dabei durch sein unsachgemäßes Verhalten an der Ware verursachten Mangel.

Führt der Verbraucher die Montage oder Installation selbst durch, hat diese aber aufgrund eines Fehlers (z.B. technisch falschen Anweisungen, für einen Durchschnittsverbraucher unvollständige oder unklare Angaben) in der vom Unternehmer mitgelieferten Anleitung unsachgemäß durchgeführt, haftet der Unternehmer ebenfalls. Bei Waren mit digitalen Elementen haftet der Unternehmer auch dann, wenn die fehlerhafte Anleitung nicht von ihm, sondern vom Anbieter des digitalen Elements oder ein ihm zurechenbaren Dritten mitgeliefert wurde.

Hat der Unternehmer die digitale Leistung in die digitale Umgebung des Verbrauchers integriert, so haftet er auch für einen dabei durch sein unsachgemäßes Verhalten an der digitalen Leistung verursachten Mangel. Dasselbe gilt, wenn die Integration vom Verbraucher vorzunehmen war, aber aufgrund eines Fehlers in der vom Unternehmer bereitgestellten Anleitung unsachgemäß durchgeführt wurde.

Stand: 18.10.2024

Weitere interessante Artikel