Mehrere EU-Flaggen im Wind wehend, durch die Sonnenlicht fällt, im Hintergrund Gebäude mit Glasfassade und Bäume
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Brüssel I-Verordnung

Die Regelung der Zuständigkeit von Gerichten in Zivil- und Handelssachen

Lesedauer: 3 Minuten

24.05.2024

Diese Brüssel I-Verordnung (Brüssel I-VO oder EuGVVO) regelt, wie auf der Seite "Eigentumsvorbehalt" beschrieben, die Zuständigkeit von Gerichten in Zivil- und Handelssachen. Ein zweiter Regelungsaspekt betrifft die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Aufgrund dieser Rechtsnorm werden in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union getroffene Entscheidungen in den anderen Mitgliedsstaaten – mit wenigen Ausnahmen - ohne ein weiteres Verfahren anerkannt. Die Erklärung zur Vollstreckbarkeit einer Entscheidung ist in der Regel nach einer einfachen formalen Überprüfung der vorgelegten Dokumente abzugeben.

Ausgenommen von der Verordnung sind neben dem Steuerrecht auch das Zollrecht, Personenstand, Rechts- und Geschäftsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, eheliche Güterstände, Erbrecht einschließlich Testamentsrecht, Konkurse, der Bereich der sozialen Sicherheit und die Schiedsgerichtsbarkeit.

Anerkennung

Entscheidungen aus einem Mitgliedsstaat werden in den anderen Mitgliedsstaaten anerkannt, ohne dass es eines zusätzlichen Verfahrens bedarf. Unter "Entscheidung" im Sinne der Verordnung ist jede von einem Gericht eines Mitgliedsstaates erlassene Entscheidung zu verstehen, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid. Das Anerkennungsgericht darf keinesfalls die Entscheidung in der Sache selbst überprüfen, es ist kein Berufungsgericht, sondern hat alleine das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter formaler Voraussetzungen zu überprüfen.

Die ausländische Entscheidung entfaltet nach Anerkennung dieselben Rechtswirkungen wie im Ursprungsstaat, auch dann, wenn solche Rechtswirkungen im Anerkennungsstaat nicht bekannt sind.  

Einer Entscheidung ist bei Vorliegen der folgenden Gründe die Anerkennung zu verwehren:

  • Die Entscheidung widerspricht der öffentlichen Ordnung („ordre public“) des Mitgliedsstaates, in dem sie geltend gemacht wird.
  • Dem Beklagten wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück im Ausgangsverfahren nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt, dass er sich verteidigen konnte;
  • Die Entscheidung ist mit einer anderen Entscheidung unvereinbar, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist.
  • Die Entscheidung ist mit einer früheren Entscheidung unvereinbar, die in einem anderen Mitgliedsstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist.
  • Ein Gericht kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung aus einem anderen Mitgliedsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist.

Vollstreckung

Die in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in anderen Mitgliedsstaaten vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Dem Antrag ist das fremde Urteil im Original oder in beglaubigter Kopie beizulegen. Ist das Urteil in einer Fremdsprache gehalten, muss eine beglaubigte Übersetzung in der nationalen Sprache des Vollstreckungsgerichtes vorgelegt werden. Bei Versäumnisurteilen muss des Weiteren auch der Nachweis beigelegt werden, dass dem Gegner das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist. Zur Vereinfachung des Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens müssen alle Gerichte, die eine Entscheidung fällen, nunmehr auf Antrag ein Formblatt mit allen relevanten Daten der Entscheidung ausstellen. Dieses Formblatt ist in der gesamten EU gleich aufgebaut, sodass das Vollstreckungsgericht sofort in der Lage ist, die Eckdaten der Entscheidung herauszulesen. 

Das Vollstreckungsgericht hat keine Überprüfungsbefugnis und muss die begehrte Vollstreckbarerklärung (praktisch) automatisch erteilen. Wurde gleichzeitig ein Exekutionsantrag gestellt, so wird über diesen gleichzeitig mitentschieden.

Diese Entscheidung wird beiden Parteien zugestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Verfahren einseitig. Der Antragsgegner erfährt erstmals durch die Zustellung vom Verfahren. 
Gegen die Entscheidung kann nun von beiden Parteien ein Rechtsbehelf eingelegt werden, der sich nach nationalem Recht richtet. Im Wesentlichen kann der Antragsgegner bei seinem Rechtsbehelf zu folgenden Voraussetzungen vorbringen:

  • Die fremde Entscheidung zählt nicht zum Kreise der anerkennungsfähigen Entscheidungen (keine Zivil- oder Handelssache).
  • Es wurde eine ausschließliche Zuständigkeitsregelung der EuGVVO verletzt.
  • Es wurde eine Zuständigkeitsvorschrift für Verbraucher- oder Versicherungssachen verletzt.
  • Es liegt einer der oben genannten Gründe vor, die die Anerkennung verhindern.
  • Es gibt Gründe, die den Anspruch, der dem fremden Urteil zugrunde liegt, zum Erlöschen gebracht haben (z.B. Zahlung der Schuld).

Keinesfalls vorgebracht kann werden, dass die fremde Entscheidung inhaltlich falsch sei.
Auch wenn die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung noch nicht rechtskräftig ist, können bereits Exekutionsmaßnahmen durch den Gläubiger ergriffen werden.

Achtung: In Österreich sind nur Maßnahmen zur Sicherstellung, wie z.B. eine Kontenpfändung oder eine exekutive Beschreibung beweglicher Sachen möglich!