Bestandszinszahlungen während Covid-19-Maßnahmen
Zinsminderungen im Zusammenhang mit Corona-Betretungsverboten
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Achtung: Diese Inhalte beziehen sich ausschließlich auf Zinsminderungen im Zusammenhang mit Corona-Betretungsverboten.
Behördliche Betretungsverbote
Pandemiebedingte behördliche Betretungsverbote stellen einen „außerordentlichen Zufall“ wegen Seuche dar. Es gibt zwei Kategorien:
- Wenn der in Bestand genommene Geschäftsraum (= Miete und Pacht) infolge des behördlichen Betretungsverbots zur Gänze nicht gebraucht oder benutzt werden kann, muss kein Bestandzins gezahlt werden (§ 1104 ABGB).
- Wenn eine zumindest teilweise Nutzungsmöglichkeit des Geschäftsraums besteht, muss zwischen Miete und Pacht unterschieden werden (§ 1105 ABGB).
Miete: Behält der Mieter trotz eines solchen außerordentlichen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietobjekts, so wird ihm ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen. Dem Vermieter steht ein geminderter/anteiliger Mietzins zu.
| Pacht: Grundsätzlich muss der Pächter weiterhin den vollen Pachtzins zahlen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Minderertrag durch einen höheren Mehrertrag der Folgejahre ausgeglichen werden kann. Eine Minderung des Pachtzinses steht dem Pächter allerdings in einem Ausnahmefall zu, und zwar, wenn das Pachtobjekt nur auf ein Jahr oder kürzer gepachtet wurde und durch außerordentliche Zufälle die Nutzungen um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen sind. In diesem Ausnahmefall ist der Pächter verhältnismäßig nach dem Ausmaß des Ertragsausfalls vom Pachtzins befreit. |
>> Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die Differenzierung zwischen Miete und Pacht im Grundsatz sachlich gerechtfertigt ist (VfGH, 30.6.2022, G 279/2021-15).
Die (völlige oder teilweise) Unbrauchbarkeit bzw. Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts ist – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen. Für die Ermittlung des vereinbarten Geschäftszwecks ist nicht bloß auf den schriftlichen Vertrag abzustellen, sondern auch auf die mündlichen oder schlüssigen Vereinbarungen der Parteien. Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit trifft den Bestandnehmer.
Miete oder Pacht
Die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht ist von wesentlicher Bedeutung, weil trotz Ähnlichkeit der Vertragstypen doch erhebliche Unterschiede in den Rechtsfolgen bestehen (neben der Möglichkeit der Zinsreduktion wegen COVID-Betretungsverboten auch in anderen Bereichen wie z.B. in Bezug auf Kündigungsschutz, Zinsbildung, die Weitergabe, gesetzliche Erhaltungs- und Verbesserungspflichten).
Bei der Unterscheidung der beiden Vertragstypen kommt es nicht auf die Bezeichnung des Vertrages an, sondern auf die Zweckbestimmung des Objektes und die vertraglich eingeräumten Befugnisse. Grob kann man sich daran orientieren, dass bei der Miete Räumlichkeiten zum Gebrauch überlassen werden und es bei der Pacht um ein lebendes Unternehmen geht.
>> detaillierte Informationen zur Abgrenzung von Miete und Pacht
Verträge in Einkaufszentren werden von der Judikatur oft als Pachtverträge qualifiziert. Jedoch ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der Wille der Vertragsparteien und die tatsächliche Vertragsausgestaltung nicht doch für ein Mietverhältnis sprechen. Auch im Zusammenhang mit der Zinsminderung wegen COVID-Betretungsverboten hat der OGH schon Fälle in Einkaufszentren als Miete qualifiziert.
Höhe der Zinsminderung
Die Höhe einer allfälligen Zinsminderung ist immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und unter Berücksichtigung aller Aspekte (tatsächliche Nutzung sowie mögliche Nutzung im Rahmen eines „ausgedehnten“ Geschäftsbetriebs) zu bestimmen.
„Ausgedehnt“ bedeutet, dass der Geschäftsbetrieb durchaus weiter sein kann (z.B. Takeaway) als der bisher faktisch betriebene (z.B. herkömmliche Gastronomie), aber immer im Rahmen des vertraglich vereinbarten Geschäftszwecks (z.B. Betrieb eines Gastgewerbelokals) bleiben muss.
Rechtsprechung im Überblick
Mittlerweile liegen eine Reihe an höchstgerichtlichen Einzelfallentscheidungen vor, die für weitere Streitfälle Vorbildcharakter haben. Im Folgenden werden diese chronologisch dargestellt:
Sonnenstudio, Miete, völlige Unbenutzbarkeit (3 Ob 78/21y, 21.10.2021):
- Die COVID-19-Pandemie ist eine Seuche i.S.v. § 1104 ABGB.
- Mietzinsminderung steht zu, auch wenn erst unmittelbar aus einer hoheitlichen Anordnung (Betretungsverbot) folgte, dass das für bestimmte Geschäftszwecke gemietete Objekt nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung genutzt werden durfte.
- Das bloße Belassen des Inventars in den Räumen ist auch keine „Nutzung“ des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten (Geschäfts-)Zweck.
Nagel-/Kosmetikstudio in einem EKZ, Miete, völlige Unbenutzbarkeit (3 Ob 184/21m, 25.11.2021):
- Für die Frage der (völligen/teilweisen) Unbenutzbarkeit des Bestandgegenstands kommt es auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks an.
- Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts durch Kundenverkehr gekennzeichnet, führt ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts (§ 1104 ABGB).
- Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung hingegen nur eingeschränkt möglich, kommt es zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung (§ 1105 ABGB).
- Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit kommt es auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld an. Der Umstand, dass das Mietobjekt in einem Einkaufszentrum liegt und das Einkaufszentrum für bestimmte andere Geschäftszwecke (z.B. Lebensmittelhandel) betreten werden darf, begründet für einen Mieter, dessen Geschäftslokal nicht betreten werden darf, grundsätzlich keinen gesonderten Gebrauchswert.
- Da das Kosmetikstudio zu einer Änderung des Geschäftszwecks nicht berechtigt war (Online-Vertrieb von Kosmetikprodukten), ergibt sich keine eingeschränkte Benützbarkeit.
- Vom Gesetz abweichende vertragliche Regelungen sind zulässig.
Fitness-Studio im EKZ, Miete, völlige Unbenutzbarkeit (5 Ob 192/21b, 13.12.2021):
- Zu einer Änderung des Geschäftszwecks (Online-Angebote, Online-Vertrieb) war das Studio weder gesetzlich noch vertraglich berechtigt oder verpflichtet. Damit war das Studio während des pandemiebedingten verordneten Lockdowns, der zu einem Betretungsverbot für ihr Geschäftslokal führte, von der Pflicht zur Zinszahlung befreit (Zeitraum vom 15.3.2020 bis einschließlich 29.5.2020).
- Anders ist die Rechtslage allerdings für den Zeitraum 30. bis 31.5.2020, als das behördlich verordnete Betretungsverbot für das Fitnessstudio nicht nur bereits wieder aufgehoben war, sondern das Fitness-Studio auch tatsächlich wieder geöffnet hatte.
Gastwirtschaft, Miete, teilweise Benutzbarkeit (8 Ob 131/21d, 25.01.2022):
- Der Geschäftszweck „Gastwirtschaft“ deckt sämtliche Tätigkeiten, zu denen ein Gastgewerbetreibender nach der GewO berechtigt ist, also auch das Anbieten von Take-away und die Lieferung von Speisen und Getränken. Folglich begründet die objektiv (und abstrakt) bestehende Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals.
- Der Mieter kann aber einwenden, dass die Etablierung eines bislang nicht betriebenen Liefer- oder Abholservices nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre. Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts trifft den Bestandnehmer.
Reisebüro, Miete, teilweise Benutzbarkeit (3 Ob 209/21p, 24.03.2022):
- Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters können ein Indiz dafür sein, dass eine (teilweise) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts vorliegt. Allerdings müssen diese Einbußen eine unmittelbare Folge der – etwa wegen behördlicher Maßnahmen – eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sein. Bezogen auf den Fall eines Reisebüros könnten Umsatzeinbußen daher beachtlich sein, wenn sie darauf zurückzuführen sind, dass Kunden das Geschäftslokal nicht betreten durften und daher nicht in Präsenz betreut werden konnten. Ohne Belang ist es dagegen, wenn Umsatzrückgänge darauf beruhen, dass sich Menschen namentlich infolge der gesundheitlichen Risken der Pandemie nicht zu Reisen entschließen wollten.
- Im konkreten Fall des verfahrensgegenständlichen Reisebüros wurde im Ergebnis eine Mietzinsminderung im Umfang von 30 % als vertretbar angesehen.
Handels- und Gastronomieunternehmen, Miete, teilweise Benutzbarkeit (4 Ob 218/21v, 29.03.2022):
- Im konkreten Fall des verfahrensgegenständlichen Handels- und Gastronomieunternehmens war es vertretbar, dass die Höhe der Mietzinsminderung auf Basis eines Restnutzens im Ausmaß eines Drittels festgesetzt wurde. Der Restnutzen von einem Drittel ergab sich daraus, weil die Mieterin die Möglichkeit gehabt hatte, ein Drittel der Räume als Lager, Büro und Personalraum zu nutzen und auch so genutzt hatte. Die Größenverhältnisse zwischen Verkaufsräumen und Lager bzw. sonstigen Räumen ist aber nicht der allein entscheidende Faktor zur Bemessung des Restnutzens. Abzustellen ist vielmehr auf den Vertragszweck bzw. auf den dem Vertrag zugrunde gelegten Geschäftszweck.
Anwaltskanzlei, Miete, volle Nutzungsmöglichkeit (7 Ob 207/21y, 29.04.2022):
- Ein bloßer Umsatzrückgang rechtfertigt keine Mietzinsminderung, wenn das Mietobjekt weiterhin als Büro genutzt werden konnte, auch wenn es kaum Gerichtsverhandlungen gab. Eine freiwillige Schließung ist eine unternehmerische Entscheidung und rechtfertigt keine Mietzinsminderung.
- Der OGH verneinte eine Mietzinsminderung wegen Umsatzeinbußen infolge eines Auftrags- und Kundenrückgangs bezüglich eines Geschäftslokals (Rechtsanwaltskanzlei), für das kein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie bestand.
Bäckerei-Café, Miete, (3 Ob 36/22y, 19.05.2022):
- Die (Un-)Zumutbarkeit der Etablierung eines bisher nicht betriebenen Liefer- oder Abholservices konkretisiert der OGH im Zusammenhang mit einem Bäckerei-Cafe. Dort lag es für den OGH aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls (Lage des Bestandobjekts im Fachmarktzentrum im reinen Gewebegebiet) auf der Hand, dass mit einem Lieferservice ein nachhaltiges Verlustgeschäft verbunden gewesen wäre. Weil während der „Lockdowns“ sämtliche Bäckereien geöffnet hatten, bestand nämlich für potenzielle Käufer von Bäckereiwaren kein Anlass, sich diese Produkte liefern zu lassen. Angesichts der Lage des Bestandobjekts im Gewerbegebiet und dem daraus folgenden Fehlen von Laufkundschaft war auch klar, dass ein Betrieb des Geschäftslokals nur für ein „Abholservice“ für Bäckereiwaren (oder auch das Anbieten von Kaffee „to go“) nicht kostendeckend möglich gewesen wäre.
Pizzeria, Miete, teilweise Benutzbarkeit (3 Ob 87/22y, 22.06.2022):
- Die Beklagte, die das Mietobjekt, in dem eine Pizzeria betrieben wird, verpachtet, trifft ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand, wenn dieser entsteht, weil die zuständige Mitarbeiterin den Eingang der Pachtzinse in den betreffenden Zeiträumen „übersehen“ hat und deshalb keine Miete gezahlt hat.
Bekleidungsgeschäft, Miete, Nutzungsmöglichkeit außerhalb des Lockdowns (9 Ob 84/21z, 30.06.2022):
- Bezugnehmend auf die OGH-E zu dem Reisebüro (3 Ob 209/21p) hält der OGH fest, dass die Umsatzrückgänge der beklagten Mieterin dann zu einer Mietzinsminderung führen können, wenn sie Ausdruck, das heißt unmittelbare Folge der – etwa wegen behördlicher Maßnahmen – eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sind.
- In Zeiträumen, in welchen kein behördlich angeordnetes Betretungsverbot galt, war es der Mieterin grundsätzlich möglich, ihre Waren im Geschäft anzubieten, Kunden in Präsenz zu beraten und Verkäufe abzuwickeln. Soweit die Umsatzrückgänge darauf beruht haben könnten, dass Touristen ausblieben oder Menschen generell infolge der gesundheitlichen Risken der Pandemie die Salzburger Innenstadt zum Einkaufen mieden, ist dieser Umstand ohne Belang.
Gastronomielokal, Miete oder Pacht, Nutzungsmöglichkeit (9 Ob 31/22g, 30.06.2022):
- Unter Bezugnahme auf die in der OGH-E zu der Gastwirtschaft (8 Ob 131/21d) entwickelten Kriterien für die teilweise Brauchbarkeit kommt der OGH zum Ergebnis, dass es im gegenständlichen Fall zunächst darauf ankommt, ob die Einrichtung eines Abhol- und Lieferservices durch die beklagte Bestandnehmerin zumutbar war.
- Führt die Prüfung zum Ergebnis einer teilweisen Nutzbarkeit des Bestandobjekts ist es für den Ausgang der Rechtssache ausschlaggebend, ob ein Mietverhältnis (§ 1105 S 1 ABGB) oder Pachtverhältnis (§ 1105 S 2 ABGB) vorliegt. Die Rechtssache wurde daher an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Wohnung, Miete (4 Ob 129/22g, 23.09.2022):
- Die Judikatur zu behördlichen Schließungen im Rahmen von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 bei der Geschäftsraummiete kann nicht auch zu einer Mietzinsbefreiung für Wohnungsmieter führen, wenn der Mieter pandemiebedingt nicht in der Lage ist, für den Mietzins aufzukommen.
- Der Wortlaut von § 1104 ff ABGB stellt auf die Unbrauchbarkeit der Bestandsache selbst ab. Daher hat die gesetzliche Regelung bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut mit einer sonstigen pandemiebedingten finanziellen Notlage nichts zu tun.
Sportwetten-Lokal, Miete, Schließung vor Beginn der Corona-Pandemie (10 Ob 9/22d, 18.10.2022):
- Eine Bestandzinsminderung ist ausgeschlossen, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung aus der Sphäre des Bestandnehmers stammt und damit (bloß) eine subjektive Unbrauchbarkeit der Bestandsache vorliegt.
- Weil das Geschäftslokal nicht aufgrund pandemiebedingter Maßnahmen, sondern aus allein in der Person der Bestandnehmerin gelegenen Gründen im Dezember 2019 geschlossen wurde (die Umsätze waren hinter den Erwartungen geblieben), geht die Nichtnutzung in den Zeiten der Betretungsverbote und -beschränkungen auf die bereits früher getroffene unternehmerische Entscheidung zurück, das Geschäftslokal aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Nicht vorgebracht wurde, dass während der Pandemie eine Wiederaufnahme des Betriebs angestrebt worden wäre.
Schutzhütte, Pacht, gänzliche Unbenutzbarkeit (1 Ob 178/22s, 22.11.2022):
- Zwar kann die objektiv bestehende Möglichkeit, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit begründen. Das trifft aber dann nicht zu, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre (siehe oben zu 8 Ob 131/21d). Es ist im Hinblick auf die exponierte Lage und die fehlende Verkehrsanbindung der Schutzhütte vertretbar anzunehmen, dass ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten war. Das bloße Belassen des Inventars in den Räumen ist keine „Nutzung“ des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten (Geschäfts-)Zweck (siehe oben zu 3 Ob 78/21y). Nichts anderes kann für das Belassen von eingelagerten Lebensmitteln gelten, die zur Zubereitung und Verköstigung künftiger Gäste des Betriebs bestimmt waren, dann aber wegen der Betretungsverbote nicht in diesem Sinn verwendet werden konnten. Daraus konnte die Beklagte ebenso wenig einen dem Geschäftszweck zuzuordnenden Gebrauchsnutzen ziehen wie aus der bloßen Erhaltung und Verwaltung des Pachtobjekts.
Bekleidungsgeschäft, Miete, teilweise Unbenützbarkeit (10 Ob 46/22w, 22.11.2022):
- Wie bereits in der Entscheidung 9 Ob 84/21z (siehe oben) festgehalten, können Umsatzrückgänge dann zu einer Mietzinsminderung führen, wenn sie unmittelbare Folge der – etwa wegen behördlicher Maßnahmen - eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des konkreten Geschäftslokals sind.
- In Zeiträumen, in denen kein behördlich angeordnetes Betretungsverbot für das Geschäftslokal bestand, war es grundsätzlich möglich, die Waren im Geschäft anzubieten, Kunden in Präsenz zu beraten und Verkäufe abzuwickeln. Die Nutzungsmöglichkeit ist nicht (unmittelbar) dadurch eingeschränkt, dass weniger Kunden das Verkaufslokal der Beklagten frequentiert haben (z.B. aufgrund behördlicher Empfehlungen zur Vermeidung des Kontakts mit anderen Menschen oder aufgrund behördlicher Restriktionen wie Maskenpflicht etc.). Sind Umstände und Maßnahmen, die unmittelbar nur das Verhalten potenzieller Kunden beeinflussten und sich nicht auf das konkrete Bestandsobjekt beziehen, für den Umsatzrückgang ursächlich, dann sind diese Umsatzrückgänge dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und rechtfertigen eine Minderung des vereinbarten Mietzinses nicht.
Bekleidungsgeschäft, Miete, teilweise Unbenützbarkeit außerhalb des Lockdowns (4 Ob 221/22m, 28.02.2022):
- Auch die ebenfalls durch die Pandemie verursachten aber im Vergleich zu behördlichen Schließungen weniger gravierenden behördlichen Eingriffe (Begrenzung der Kundenzahl, Mindestabstände) sind als „außerordentliche Zufälle“ iSv § 1104 ABGB zu qualifizieren. Die dadurch verursachten Umsatzeinbußen sind „konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts“ und im Rahmen einer Mietzinsminderung nach § 1105 ABGB zu berücksichtigen.
- Allerdings sind geringerwertige, die Allgemeinheit treffende staatliche Eingriffe wie die Maskenpflicht sowie eine pandemiebedingt eingeschränkte Kauflust der Kunden nicht geeignet, Mietzinsbeschränkungen iSv §§ 1104, 1105 ABGB zu begründen, sondern fallen in das unternehmerische Risiko des Mieters der Geschäftsräumlichkeit.
Gastwirtschaft, Pacht, teilweise Nutzbarkeit, Relevanz des Umsatzersatzes (1 Ob 181/22g, 28.02.2023):
- Ist die vertragsgemäße Nutzung eingeschränkt, besteht bei Pachtverträgen ein Minderungsrecht nur dann, wenn die Pachtdauer ein Jahr nicht übersteigt (§ 1105 ABGB). Wird das Bestandobjekt zum vereinbarten Zweck tatsächlich benützt, indem von der Möglichkeit ein Abholservice anzubieten, Gebrauch gemacht wird, liegt – unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg dieses Geschäftsmodells – keine völlige Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts vor. Eine völlige Unbrauchbarkeit kann dann vorliegen, wenn ein Abholservice nicht zumutbar ist, weil der fehlende Kundenkreis bereits zu nachhaltigen Verlusten geführt hat und kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist.
- Zur Relevanz des Umsatzersatzes: Wurde ein Unternehmen in einem Bestandobjekt betrieben und für die Zeit eines die faktische Nutzung ausschließenden pandemiebedingten Betretungsverbots ein Umsatzersatz bezogen, so ist der Bestandgegenstand für diese Zeit nicht als vollständig unbrauchbar iSv § 1104 ABGB anzusehen. Denn ohne Bestand seines Unternehmens im Miet- oder Pachtgegenstand hätte mangels entsprechender Betriebsstätte keine Fördermaßnahme beansprucht werden können. Im Ergebnis konnten daher Einnahmen aus dem Bestandgegenstand lukriert werden, sodass tatsächlich von einem (wirtschaftlichen) „Nutzen“ aus dem Bestandvertrag auszugehen ist. Dieser Nutzen ist auch für die Frage der Brauchbarkeit des Bestandobjekts in Anschlag zu bringen.
Geschäftslokal, Auswirkungen der eingeschränkten Nutzbarkeit auf die Angemessenheit des Mietzinses bei der Anhebung des Mietzinses (5 Ob 13/23g, 30.3.2023):
- Der Vermieter darf binnen sechs Monaten nach Anzeige einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer Gesellschaft, die Hauptmieterin eines Geschäftslokals ist, die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs. 1 MRG zulässigen angemessenen Betrag (unter Berücksichtigung der Art der im Objekt ausgeübten Geschäftstätigkeit) verlangen (§ 12a Abs. 2 und 3 MRG).
- Für die Bestimmung des angemessenen Mietzinses im Sinn der § 12a Abs. 2 iVm. § 16 Abs. 1 MRG sind die gegenwärtigen ortsüblichen Marktverhältnisse zum Stichtag maßgeblich. Temporäre Sonderentwicklungen der durchschnittlichen Mietzinse für Geschäftslokale – sei es generell oder an einem bestimmten Standort – sind bei der Ermittlung des angemessenen Mietzinses aufgrund eines Anhebungstatbestands grundsätzlich unbeachtlich, weil der Vermieter letztlich den Mietzins erhalten soll, den er im Fall einer Neuvermietung beim Eintritt des die Anhebung rechtfertigenden Ereignisses zu üblichen Bedingungen erzielt hätte. Nach den Feststellungen hatte sich die Corona-Krise bisher auf die Höhe der Mietzinse auf dem Immobilien-(teil-)markt der dem Bestandobjekt der Antragsgegnerin vergleichbaren Geschäftslokale (noch) nicht ausgewirkt; erst allmählich könnten (allenfalls) solche Auswirkungen eintreten.
- Nach ständiger Rechtsprechung besteht aber im Fall einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Bestandobjekts ein Anspruch auf Zinsminderung oder Zinsbefreiung ab Beginn der Gebrauchsbeeinträchtigung oder Unbrauchbarkeit des Objekts bis zu deren Behebung.
Fitness-Studio im EKZ, Miete, teilweise Unbenützbarkeit außerhalb des Lockdowns (5 Ob 192/22d, 12.4.2023):
- Die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts, die eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer. Der Bestandnehmer muss beweisen, dass der Betrieb durch behördlich angeordnete Maßnahmen (wie etwa den Mindestabstand) beeinträchtigt worden ist. Kein Minderungsrecht besteht, insoweit der Umsatzrückgang auf geringerwertige und die Allgemeinheit treffende staatliche Eingriffe (wie die Maskenpflicht) zurückzuführen ist oder auch nur auf eine pandemiebedingte allgemeine Unlust der Kunden zum Besuch von Fitnessstudios in dieser Zeit, die die gesamte Branche, allgemein und insgesamt betroffen hat (3 Ob 209/21p, 9 Ob 84/21z, 4 Ob 221/22m).
Geschäftslokal, Unterbestandvergabe (Miete), Minderung des Hauptmietzinses (9 Ob 98/22k, 31.05.2023):
- Ob gänzliche oder nur teilweise Unbrauchbarkeit vorliegt, ist – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen. Dieser Grundsatz gilt im Hauptmietverhältnis auch dann, wenn das Objekt untervermietet wird:
- Liegt der vereinbarte Geschäftszweck der Untervermietung nur in der Disposition des Untervermieters, berührt ein Betretungsverbot mit der Folge einer Reduktion/eines Entfalls der Untermiete den Geschäftszweck des Hauptmietvertrags in der Regel nur mittelbar. Eine solche bloß mittelbare Betroffenheit des Hauptmietverhältnisses kann nicht auf das Zinsrisiko des Hauptvermieters durchschlagen.
- Geht die Einschränkung/der Entfall der vertragskonformen Verwendbarkeit des Bestandobjekts nicht nur auf das Untermietverhältnis zurück, sondern ist sie auch in der Ausgestaltung des Hauptmietverhältnisses für die Untervermietung begründet, ist der Geschäftszweck der Hauptmiete unmittelbar betroffen. In einem solchen Fall schlägt der Entfall der Untermietzinseinnahmen auf das Hauptmietverhältnis durch; die Zinszahlungspflicht des Hauptmieters wird entsprechend reduziert oder entfällt.
- Wird eine Untervermietung von der schriftlichen Zustimmung des Hauptvermieters abhängig gemacht, wird der Geschäftszweck der Untervermietung Gegenstand der Vereinbarung zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter. Zusätzlich schlägt die Möglichkeit der Untervermietung und damit die Lukrierbarkeit von Untermiete auch insofern auf den Hauptmietvertrag durch, als der Hauptvermieter für den Fall der Untervermietung zur Erhöhung des Mietzinses um 30 % berechtigt ist.
Gastronomiebetrieb, Rückforderung der nicht gezahlten Mietzinses auch bei Zahlung ohne Vorbehalt (3 Ob 73/23s, 19.07.2023):
- Nicht geschuldete Mietzinse können auch dann zurückgefordert werden, wenn die Zahlungen ohne Vorbehalt vorgenommen wurden. Ein Vorbehalt ist nur dann erforderlich, wenn der Gläubiger berechtigt unterstellen darf, der Schuldner habe begründete Zweifel an der Zahlungspflicht, und er nach dem objektiven Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers von einem Rückforderungsverzicht des Schuldners ausgehen darf. Anfang 2020 bestand über die rechtlichen Auswirkungen der pandemiebedingten behördlichen Maßnahmen auf Bestandverhältnisse noch völlige Unklarheit, weshalb die vorbehaltlos erfolgten Zahlungen der Beklagten für die Monate März bis Mai 2020 nicht als Verzicht auf deren Rückforderung gewertet werden können.
Filiale einer Bekleidungskette in einem Einkaufs- und Freizeitzentrum, Betriebskosten (4 Ob 143/23t, 20.2.2024):
- Die Zinsminderung tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein (4 Ob 191/10g mwN); sie erfasst nach der Rechtsprechung grundsätzlich alle Bestandteile des Mietzinses, daher auch die Betriebskosten (RS0021462 [T1, T4]) ebenso wie Mietzinsvorauszahlungen (vgl. 5 Ob 60/04s zu nach dem WGG zu leistenden Finanzierungsbeiträgen).
- Das Berufungsgericht hält sich laut OGH im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und seines Beurteilungsspielraums, wenn es sich bei der Auslegung der Parteienvereinbarung zur Tragung der Betriebskosten für das dem MRG-Teilanwendungsbereich unterliegende Bestandobjekt am aus dem MRG zu erschließenden grundsätzlichen Zweck einer Pauschalvorschreibung orientierte, den Vermieter von der Vorfinanzierung überwälzbarer Betriebskosten zu entlasten, ohne den Mieter über Gebühr zu belasten (RS0070085 [T2]). Es gelangte zum Ergebnis, dass auch außerhalb des Vollanwendungsbereiches des MRG wie hier die Pauschalraten – ohne Rücksicht auf die spätere Abrechnung – selbständig geschuldete Mietzinsbestandteile sein sollten. Weiters legte es die Parteienvereinbarungen dahin aus, diesen sei nicht zu entnehmen, dass bloße Streitigkeiten zwischen den Parteien über deren Richtigkeit verhindern sollten, dass bis zur Klärung dieser Streitigkeiten keine weiteren Pauschalraten fällig würden oder vorgeschrieben werden dürften.
Swingerclub, Miete, Unbenutzbarkeit in der Zeit nach Betretungsverboten (4 Ob 225/23a, 19.3.2024):
- Ob gänzliche oder nur teilweise Unbrauchbarkeit vorliegt, ist – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen; gegenständlich, dass den Gästen zusätzlich zu den näher beschriebenen Aufenthaltsräumlichkeiten 13 „Themenzimmer“ zur Ausübung zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte und Nähe sowie eines freizügigen sexuellen Miteinanders zur Verfügung gestellt werden.
- Nicht nur ein Betretungsverbot, sondern auch weniger gravierende behördlich verordnete Eingriffe (wie etwa Zutrittsbeschränkungen durch die Begrenzung der zulässigen Kundenzahl und die Anordnung von einzuhaltenden Mindestabständen), können zur Folge haben, dass eine dem vereinbarten Vertragszweck entsprechende Nutzung des Bestandsobjektes nicht möglich ist.
- Der OGH sieht die von der Rechtsprechung für den Besuch von Bekleidungsgeschäften angestellten Überlegungen (wonach maskenbedingte Unlustgefühle der Kunden keine Auswirkungen auf die bestandvertragsgemäße Brauchbarkeit hätten, weil es sich um einen die Allgemeinheit treffenden staatlichen Eingriff handle –siehe oben zu 5 Ob 192/22d mwN), in der hier zu beurteilenden Vertragskonstellation nicht als einschlägig an. Ausgehend vom vereinbarten Vertragszweck ist bei lebensnaher Betrachtung im Zeitraum ab 12.12.2021 bis 04.03.2022 auch ohne verordneten Mindestabstand die Nutzung des Bestandobjekts in einem Kernbereich der Anbahnung und Ausübung ungezwungener – privater und nicht kommerzieller – sexueller Begegnungen Fremder auch durch die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken nicht möglich gewesen; ob dies auch für einen kommerziellen Prostitutionsbetrieb (Bordell, Laufhaus) ebenso gültig wäre, muss hier nicht beurteilt werden.
Auswirkungen auf das Hauptmietverhältnis bei Reduktion oder Entfall des Untermietzinses (4 Ob 41/24v, 19.3.2024):
- Kommt es aufgrund einer pandemiebedingten (teilweisen) Unbenutzbarkeit des Objekts zu einer Reduktion oder zum Entfall des Untermietzinses, wird auch im Hauptmietverhältnis der vereinbarungskonforme Zweck pandemiebedingt nicht gewährleistet (vgl. 9 Ob 98/22k).
- Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Behauptungs- und Beweislast für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts, die eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer.
- Der OGH hat nicht beanstandet:
- Hinsichtlich eines Untermietlokals die Reduktion des Hauptmietzinses (nur) um zwei Drittel durch das Erstgericht aufgrund des festgestellten (sinnvollen) Restnutzens zu diesem Objekt (= Anwesenheit der Mitarbeiter zur Filialpflege, zum Online-Versand und zur Durchführung von diversen Vorkehrungen), vgl. 4 Ob 218/21v.
- Die Verneinung einer Reduktion durch die Vorinstanzen hinsichtlich des anderen Untermietverhältnisses, da die Untermieterin im Zuge der Pandemie ihren Betrieb auf „Click & Collect“ modifiziert hat und die Untermieterin den Mietzins der beklagten Mieterin auch während der Lockdowns zur Gänze gezahlt hat.
Minderung bei Vermietung von Ferienwohnungen und Apartments, Betriebskosten (6 Ob 72/23s, 20.3.2024):
- Die Frage, ob aufgrund der COVID-19-Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote im vorliegenden Fall zu einer objektiven Unbenützbarkeit der Bestandobjekte führte, ist am Vertragszweck der Anmietung sämtlicher Wohnungen auf der gegenständlichen Liegenschaft zum Zweck der kurzfristigen gewerblichen Untervermietung von Ferienwohnungen und Apartments zu messen. Während der Zeiträume von Betretungsverboten für Beherbergungsbetriebe lag daher gemessen am Vertragszweck eine objektive Einschränkung des Gebrauchs der Bestandsache vor.
- Sollte es zutreffen, dass die Mieterin tatsächlich einen Gebrauchsnutzen aus dem Mietobjekt gezogen habe, weil sämtliche Wohnungen durchgehend (unter-)vermietet gewesen seien, läge keine Einschränkung des Gebrauchsnutzens vor.
- Zur Betriebskosten-Nachforderung für das Jahr 2020 – in das Zeiten von Betretungsverboten fielen – ist zu beachten, dass die Mietzinsminderung gemäß § 1096 ABGB alle Mietzinsbestandteile, daher auch die Betriebskosten, umfasst (vgl. RS0021462 [T1]). Diese Rechtsprechung ist auch im Anwendungsbereich der §§ 1104 f ABGB zu beachten, weil die in §§ 1104, 1105 und 1107 ABGB angesprochene Unbrauchbarkeit der (teilweisen) Unbrauchbarkeit iSd § 1096 ABGB entspricht (vgl. 8 Ob 131/21d [Rz 14]).
Schuh-Einzelhandel, „Outletstore“, subjektive Unzumutbarkeit eines „Click & Collect“-Services, gänzliche Unbrauchbarkeit (4 Ob 15/24 w, 23.5.2024):
- Für den OGH ist in Zusammenschau mit dem festgestellten internen Zeit- und dem externen Kostenaufwand für die Einführung des allgemeinen „Click & Collect“-Systems bei der Beklagten die Wertung des Berufungsgerichts, dass damit für diese Filiale ein nachhaltiges Verlustgeschäft und sohin eine Unzumutbarkeit nachgewiesen worden sei, keineswegs unvertretbar. Die Besonderheit der konkreten Filiale lag darin, dass sie in einem außerstädtischen Fachmarktzentrum angesiedelt ist und – in Einklang mit dem Bestandvertrag – als „Outletstore“ betrieben wird. Sie war daher nie an das „E-Shop-“, das „Click & Reserve“ und das (erst später implementierte) „Click & Collect“-System der Beklagten angeschlossen, führte teilweise andere und beschädigte Ware und verrechnete jedenfalls andere Preise. Daher hätte man nach den Feststellungen für dieses Geschäftslokal ein eigenes „Click & Collect“-System implementieren und für jedes Paar Schuhe eine eigene Kennzeichnung vergeben müssen, was „kostenintensiv“ und nicht zuletzt aufgrund der reduzierten Preise „unwirtschaftlich“ gewesen wäre.
- Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit kommt es auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld an (vgl. 3 Ob 184/21m). Dass andere Einzelhandelsgeschäfte im Fachmarktzentrum der Klägerin „Click & Collect“ anboten, mag für die objektive Eignung sprechen, kann aber die Argumente der Vorinstanzen zur subjektiven Unzumutbarkeit für die Beklagte und deren Geschäft nicht widerlegen.
Schuhgeschäft, Miete, bloß teilweise Unbenutzbarkeit (8 Ob 121/23m, 26.6.2024):
- Der OGH erblickt in der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das von einem Restnutzen iHv. 10 % während der Lockdownzeiten ausgegangen ist, keine Fehlbeurteilung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass es der Mieterin während der verordneten „Lockdowns“ nicht möglich gewesen wäre, in den gemieteten Räumen ein erweitertes „Click-and-collect“-Service anzubieten und dass ein solches Angebot ausschließlich Verluste für die Beklagte eingebracht hätte. Ebenso war die teilweise Verwendung des Mietgegenstands als Lager und Mitarbeiterbüro möglich. Es wurden während der Lockdownzeiten auch teilweise administrative Arbeiten, insbesondere das Entnehmen und Auffüllen von Saisonware zur Vorbereitung der Eröffnung in den gemieteten Räumen verrichtet.
- Eine unternehmerische Entscheidung für ein neues Geschäftsmodell während eines „Lockdowns“ fällt in das Risiko des Unternehmers und wenn es sich als nicht wirtschaftlich erweist, kann dies nicht rückwirkend die Unbrauchbarkeit des Geschäftslokals begründen (vgl. 1 Ob 181/22g Rz 31).
Abgrenzung
Außerordentliche Zufälle (§ 1104, 1105 ABGB) sind abzugrenzen von jenen Fällen, in denen der Gebrauch des Bestandgegenstands aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernis oder Unglücksfall vereitelt wird. Ist der Bestandnehmer verhindert, das Bestandobjekt zu nutzen oder zu gebrauchen, obwohl es benutzbar ist, hat er den Bestandzins zu zahlen, obwohl er gar keinen oder nur einen verringerten Gebrauchsnutzen hat (§ 1107 ABGB), siehe oben OGH-Entscheidung zum Sportwetten-Lokal (10 Ob 9/22d).
Andere Regelung im Vertrag zulässig
Die gesetzlichen Regelungen sind nicht zwingend und können vertraglich geändert werden. Es ist daher in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob und inwieweit im jeweiligen Bestandvertrag vom gesetzlichen Modell abgewichen wurde sowie ob die abweichende Vereinbarung gültig zustande gekommen und nicht etwa sittenwidrig ist. In diesem Zusammenhang entschied der OGH, dass ein einvernehmliches Abgehen von der gesetzlichen Regelung nach §§ 1104 ff ABGB durch eine „Vorwegeinigung“ für den Fall weiterer behördlicher Beschränkungen nicht (denk-)unmöglich ist und der Ansicht, es könne, weil es im Zeitpunkt der Vereinbarung noch „keine gefestigte Judikatur zu den Mietzinsminderungsansprüchen bezüglich der Covid-19-Pandemie“ gegeben habe, die Vereinbarung nicht wirksam sein, nicht zu folgen ist (6 Ob 222/23z). Laut OGH (1 Ob 178/22s) ist etwa auch die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts durch Auslegung zu ermitteln. Aus einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss kann nicht (zwingend) abgeleitet werden, dass die Parteien auch die Gefahrtragungsregel des § 1104 ABGB abbedingen wollten.
Stand: 30.09.2024