Wohnungsgrundriss mit Schlüssel und Euro-Geldscheinen
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Widmungsänderung im Wohnungseigentum

Änderung der vorgesehenen Nutzung eines im Wohnungseigentum bestehenden Objektes

Lesedauer: 7 Minuten

Viele Unternehmer üben ihre unternehmerische Tätigkeit in Räumlichkeiten aus, an denen Wohnungseigentum begründet wurde, also in sog. Wohnungseigentumsobjekten (WE-Objekten). Dabei stellt sich manchmal die Frage, ob die Art der Nutzung dieser WE-Objekte als Geschäftsräumlichkeiten rechtlich überhaupt zulässig ist.

Ob der Nutzer des WE-Objekts selbst Wohnungseigentümer (WE) dieses Objektes ist oder ob er dieses bloß anmietet, macht hinsichtlich der Zulässigkeit einer geänderten Verwendung einen großen Unterschied. Dazu weiter unten.

Was ist Wohnungseigentum überhaupt?

Unter dem Begriff Wohnungseigentum versteht man das dem Miteigentumümer an einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein bestimmtes WE-Objekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber frei zu verfügen, es z.B. zu belasten oder zu verkaufen. Wohnungseigentum ist für jedermann ersichtlich im Grundbuch eingetragen. Alle anderen Teile der Liegenschaft oder des Gebäudes, die nicht dazu bestimmt sind, dass sie ausschließlich nur von einem MiteEigentümer benützt werden, dienen der allgemeinen Nutzung durch alle Miteigentümer dieser Liegenschaft. 

WE-Objekte sind Wohnungen, selbständige Räumlichkeiten (zB Geschäftsräume), Abstellplätze für KFZ oder eine Garage.

Zu welchem Zweck können WE-Objekte verwendet werden?

In der schriftlichen Vereinbarung aller Miteigentümer, dem sog. Wohnungseigentumsvertrag, dem ein entsprechendes Nutzwertgutachten zugrunde liegt, wird festgehalten, zu welchem Zweck das jeweilige WE-Objekt genutzt werden darf. Diese wohnungseigentumsrechtliche Widmung kann z.B.

  • zu Wohnzwecken,
  • zu Wohnzwecken und zu Geschäftstätigkeiten, die gewöhnlich in einer Wohnung ausgeübt werden,
  • zu (allgemeinen) Geschäftszwecken,
  • zu bestimmten Geschäftszwecken,
  • als Garage oder als KFZ-Abstellplatz erfolgen.

Der Zweck der Nutzung kann dem Grundbuchauszug entnommen werden. Die Verträge dazu können im Grundbuch des jeweiligen Bezirksgerichts, in dem die Liegenschaft gelegen ist, eingesehen werden. 

Welche Bedeutung kommt der Widmung eines WE-Objektes in einem WE-Vertrag zu?

Vorauszuschicken ist, dass die Widmung eines WE-Objekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an dieser Nutzung ein absolut zu schützendes Recht jedes WE darstellt. Daher ist die Vereinbarung zwischen den WE, zu welchem (konkreten) Zweck die WE-Objekte verwendet werden dürfen, maßgeblich für die Frage, ob eine geänderte Verwendung ohne weiteres möglich ist oder nicht. Es kommt zunächst auf die Formulierung im WE-Vertrag an. Jeder WE hat jedoch auch das Recht, auf seine Kosten Änderungen am WE-Objekt (auch in der Nutzung) vorzunehmen. Unter welchen Voraussetzungen diese Änderungen zulässig sind, hängt von der Intensität und ihrer Wirkung ab. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob dadurch schutzwürdige Interessen anderer WE beeinträchtigt werden. Geringfügige Änderungen im Inneren des WE-Objekts, die weder allgemeine Teile noch andere WE-Objekte berühren, kann der WE vornehmen (z.B. Veränderung oder Entfernung einer nicht tragenden Innenwand des WE-Objekts, die keine Versorgungsleitungen enthält, Einschlagen von Nägeln, Anbohren von Wänden). Auch in folgenden Fällen war eine Änderung ohne weiteres möglich: 

  • Wurde im WE-Vertrag die Befugnis eingeräumt, die Wohnung „zu einer solchen geschäftlichen Tätigkeit, die üblicherweise in einer Wohnung ausgeübt wird“ zu verwenden, darf die Wohnung ohne Weiteres z.B. für eine Arztpraxis oder ein Künstleratelier verwendet werden.
  • Wurde im Vertrag nur unspezifisch die Verwendung als „Geschäftslokal“ vereinbart, liegt keine Widmungsänderung vor, wenn statt z.B. einer Bäckerei ein Café mit etwas längeren Öffnungszeiten geführt wird.
  • Haben die Eigentümer bereits im WE-Vertrag die Zustimmung zur geänderten Verwendung erteilt, kann der betroffene Eigentümer sein WE-Objekt ohne Weiteres auch zu diesem geänderten Zweck verwenden.

Könnten jedoch durch eine Änderung schutzwürdige Interessen anderer WE beeinträchtigt werden (wozu eine bloße Möglichkeit der Beeinträchtigung schon genügt), muss eine ausdrückliche Zustimmung aller WE eingeholt werden. Die Regeln über eine Zustimmungsfiktion - die in ein paar anderen Bereichen des WEG gelten – kommen hier nicht zur Anwendung.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein WE sein WE-Objekt dennoch anders als im WE-Vertrag vereinbart benützen?

Für eine Widmungsänderung ist die Zustimmung aller anderen WE erforderlich. In folgenden Beispielen liegt eine Widmungsänderung vor:

  • Institut für Nuklearmedizin in einer Wohnung
  • Arztpraxis in einer Wohnung
  • Heilmasseurpraxis bloß in einem Zimmer einer Wohnung
  • Büroräumlichkeit in einer Wohnung
  • Lager in einer Büroräumlichkeit
  • Keller in einem Lagerraum
  • Verkaufsraum in einem Restaurant
  • Lebensmittelgeschäft in einem Gasthaus
  • Imbisslokal in einem Barbetrieb
  • Kino in einem Supermarkt

Unter folgenden Voraussetzungen darf eine Zustimmung nicht verweigert werden und kann das Gericht eine fehlende Zustimmung der WE ersetzen:

Die geänderte Verwendung darf

  • weder eine Schädigung des Hauses
  • noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Eigentümer
  • besonders auch keine Beeinträchtigungen der äußeren Erscheinung des Hauses
  • noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben

Was versteht man unter Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer WE?

Dazu gehören ua Lärmentwicklung, erhöhte Kundenfrequenz, Änderungen der Sperrstundenbeschränkung, Inbetriebnahme einer Be- und Entlüftungsanlage.

Was kann ein WE, der sein WE-Objekt vermietet hat, unternehmen, wenn sein Mieter das gemietete WE-Objekt zu einem anderen als im Vertrag vereinbarten Zweck verwendet?

Ein WE (= Vermieter) sollte bei Abschluss eines Mietvertrags darauf achten, dass der mit dem Mieter vereinbarte Verwendungszweck der Widmung laut WE-Vertrag entspricht.

Im Anwendungsbereich (Vollanwendung und Teilanwendung) des Mietrechtsgesetzes (MRG) ist eine Kündigung durch den Vermieter an das Vorliegen eines im MRG genannten Kündigungsgrundes gebunden. Eine bloße widmungswidrige Verwendung ist in der Regel kein Kündigungsgrund. Es ist zwar möglich, einen zusätzlichen Kündigungsgrund vertraglich zu vereinbaren, jedoch wird von der Rechtsprechung diesbezüglich ein sehr strenger Maßstab angelegt. Ein vereinbarter Kündigungsgrund müsste gleich schwer wiegen, wie ein gesetzlicher Kündigungsgrund; dies wird in der Regel aber nicht der Fall sein. Vor allem ist nach der Rechtsprechung eine Kündigung dann unzulässig, wenn auch eine Klage auf Einhaltung des Vertrages bzw Unterlassung der vertragswidrigen Verwendung erhoben werden kann. Eine solche Klage ist aber möglich.

Unterliegt das Mietverhältnis nicht dem MRG (Vollausnahme), dann kann ein Kündigungsrecht vereinbart werden. 

Welche vorbeugenden Maßnahmen kann ein WE-Vermieter setzen, um nicht zwischen die Fronten der übrigen Eigentümer einerseits und seinem Mieter andererseits zu geraten?

Der WE-Vermieter sollte die erlaubte Verwendung jedenfalls vertraglich vereinbaren und jede andere Verwendung unter Hinweis auf den WE-Vertrag verbieten, damit gegebenenfalls eine Unterlassungsklage durchgesetzt werden kann.

Nur bei Mietverträgen, die nicht im Anwendungsbereich des MRG liegen, kann für diesen Fall ein Kündigungsrecht oder eine Auflösung aus wichtigem Grund vereinbart werden. Zum Anwendungsbereich des MRG siehe oben.

Was kann der WE-Vermieter tun, wenn sich andere Eigentümer wegen Vorliegens einer widmungswidrigen Verwendung gegen die Verwendung wie im Mietvertrag mit dem Mieter vereinbart aussprechen?

Der WE-Vermieter sollte sich zuerst Klarheit über die Rechtslage verschaffen (liegt eine Änderung vor, die die anderen Eigentümer hinnehmen müssen?). Liegt aber tatsächlich eine widmungswidrige Nutzung vor, muss er sich unverzüglich um die Zustimmung aller übrigen WE bemühen oder die Zustimmung dazu durch eine Entscheidung des Gerichts ersetzen lassen. Dies kann er auch nachträglich erwirken.

Ist das nicht möglich, sollte der WE-Vermieter seinen Mieter nachweislich (schriftlich) zur Vertragseinhaltung auffordern und eine Unterlassungsklage einbringen, weil die anderen WE ihrerseits den Vermieter auf Unterlassung, Besitzstörung oder ev. auf Schadenersatz klagen können. Im Extremfall könnte sogar ein Verfahren auf Ausschluss aus der WE-Gemeinschaft eingeleitet werden.

Könnte auch der Mieter vorzeitig aus dem Mietvertrag aussteigen und allenfalls Schadenersatzansprüche gegen seinen WE-Vermieter erheben?

Denkbar wäre, dass der Mieter den Mietvertrag aus wichtigem Grund vorzeitig beendet, weil der Mietgegenstand für ihn untauglich (geworden) ist und eventuell Schadenersatzansprüche geltend macht, wenn den WE-Vermieter ein Verschulden daran trifft, dass der Mietgegenstand nicht - wie mit dem Mieter vereinbart - verwendet werden darf.

Problematik: kurzzeitiges Vermieten von Wohnungen an Touristen

Ein beliebtes „Geschäftsmodell“ für manche WE von Wohnungen besteht darin, Wohnungen, die zu Wohnzwecken gewidmet sind, nicht langfristig an Wohnungsmieter, sondern kurzfristig (zwei bis ca. 30 Tage) an Touristen zu vermieten. Diese möblierten Wohnungen werden zumeist zu einem Pauschalpreis pro Nacht inklusive Strom, frisch bezogener Bettwäsche, frischen Handtüchern und deren Reinigung sowie einer Endreinigung angeboten.

Bei der Vereinbarung zwischen WE und Tourist handelt es sich oft nicht um einen Mietvertrag, sondern um einen Beherbergungsvertrag, der Elemente eines Dienstvertrags, Werkvertrags, Mietvertrags und Kaufvertrags enthält. Durch den ständigen Wechsel der hausfremden Personen kommt dies einem Beherbergungsbetrieb sehr nahe. Dadurch besteht jedoch die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Interessen anderer WE und Hausbewohner. Daraus folgt, dass diese Verwendung eine Änderung der Widmung darstellt und daher genehmigungspflichtig ist. Die übrigen WE können - wenn keine Zustimmung aller WE vorliegt - die Unterlassung dieser Nutzung erwirken.

Ob diese geänderte Verwendung auch genehmigungsfähig ist, dh ob keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer WE konkret gegeben ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Dazu kann der vermietende WE das Gericht anrufen und eventuell eine Genehmigung erwirken.

Kann eine Zustimmung zur Widmungsänderung auch stillschweigend / konkludent erfolgen?

Ja, auch stillschweigend / konkludent kann eine solche Zustimmung vorliegen. Dies ist jedoch nur unter bestimmten und sehr strengen Voraussetzungen möglich. So eine Voraussetzung liegt vor, wenn dem WE sein Untersagungsrecht hinsichtlich der widmungswidrigen Verwendung bekannt war und er dennoch nicht davon Gebrauch gemacht hat. Zu berücksichtigen ist aber, welche geänderte Verwendung nun genau vorliegt.

Beispiel: Ein als Wohnung gewidmetes WE-Objekt wurde jahrelang als Büro mit Kundenbetrieb und Abstellplatz verwendet. Dann wird es jedoch als Kinderbetreuungseinrichtung für 12 Kleinkinder genützt. Zwar liegt die stillschweigende Zustimmung der übrigen WE zur ursprünglichen Änderung (Büro mit Kundenbetrieb) vor, nicht aber zur Verwendung als Kinderbetreuungseinrichtung. Dafür benötigt der WE wiederum eine Zustimmung aller anderen WE, da sich Gegenstand und Betriebsform damit ändern.

Stand: 13.08.2024