Statue Justitia, im Hintergrund sind Bücher sowie ein Richterhammer in der Unschärfe platziert
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Zugang des Einzelnen zum Verfassungsgerichtshof (VfGH)

Überblick über die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Klagen, Anträgen auf Normenkontrolle und Entscheidungsbeschwerde

Lesedauer: 7 Minuten

Allgemeines

Von den verschiedenen Arten möglicher Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) sind es vor allem drei, die für den Einzelnen bedeutsam sein können, nämlich Verfahren hinsichtlich bestimmter vermögensrechtlicher Ansprüche, Normenkontrollverfahren sowie Entscheidungsbeschwerden (Erkenntnis- und Beschlussbeschwerdeverfahren). 

Für sämtliche Verfahren vor dem VfGH gelten einerseits allgemeine Vorschriften betreffend die Form der Eingaben und deren Zulässigkeit; andererseits bestehen daneben jeweils spezielle, auf die besondere Eigenart der einzelnen Verfahrenstypen abgestimmte Zulässigkeitsvoraussetzungen und Verfahrensbestimmungen. Für alle Verfahren in gleicher Weise gelten die folgenden Grundsätze: 

Alle (verfahrenseinleitenden) Anträge beim VfGH sind schriftlich zu stellen. Sie müssen bei sonstiger Zurückweisung

  • auf den Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes, auf den sie sich stützen, Bezug nehmen
  • eine Darstellung des Sachverhaltes enthalten, aus dem der Antrag hergeleitet wird, sowie
  • ein bestimmtes Begehren (etwa des Inhalts, dass die bekämpfte Entscheidung/die angefochtene Rechtsvorschrift aufgehoben oder der beklagte Rechtsträger zur Erfüllung des jeweiligen vermögensrechtlichen Anspruchs verpflichtet wird) aufweisen.

Anträge, Beschwerden und Klagen sind durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen; für die Gebietskörperschaften, deren Behörden sowie die von Organen dieser Behörden verwalteten Stiftungen, Fonds und Anstalten besteht ein Sonderregime. Rechtsanwälte können sich grundsätzlich selbst vertreten. 

Nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung kann Verfahrenshilfe gewährt werden. 

Überblick über die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Klagen, Anträgen auf Normenkontrolle sowie Entscheidungsbeschwerden 

Klagen wegen bestimmter vermögensrechtlicher Ansprüche nach Art 137 B-VG

Nach Art 137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Diese als Kausalgerichtsbarkeit bezeichnete Zuständigkeit des VfGH ist eine subsidiäre. Das bedeutet, dass sie nur dann gegeben ist, wenn über den Anspruch weder ein ordentliches Gericht zu befinden noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat. Da den Gerichten alle zivilrechtlichen Ansprüche zur Entscheidung zugewiesen sind, können vor dem VfGH nur im öffentlichen Recht wurzelnde Ansprüche geltend gemacht werden. Diese müssen auf eine vermögenswerte Leistung (insbesondere Geld oder eine Sache wie etwa einen beschlagnahmten Gegenstand) gerichtet sein.

Hauptanwendungsfälle (neben der Verfolgung von Ansprüchen zwischen den Gebietskörperschaften) sind:

  • Klagen auf Rückerstattung bezahlter Verwaltungsstrafen nach Aufhebung des ihnen zugrunde liegenden Bescheides/Erkenntnisses

  • auf die Liquidierung (Auszahlung) bescheidmäßig zuerkannter Geldleistungen gerichtete Klagen

Die Erlassung oder Beseitigung von Hoheitsakten kann nicht Gegenstand von Verfahren nach Art 137 B-VG sein. Es können jedoch auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines vermögensrechtlichen Anspruches gerichtete Feststellungsklagen erhoben werden. 

Geklagt werden können vor dem VfGH nur der Bund, ein Land, eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband. Gegen sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (wie etwa Kammern und Sozialversicherungsträger) ist die Klagsführung vor dem VfGH nicht möglich. 

Individuelle Normenkontrolle 

1) Individualantrag im klassischen Sinn

Nach Art 139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, nach Art 140 B-VG über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen. Antragsberechtigt sind bestimmte Organe sowie jede Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit (Verfassungswidrigkeit) in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung (das Gesetz) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Man spricht hinsichtlich des Antrags von Personen vom Individualantrag auf Normenkontrolle. 

Das Rechtsinstitut des Individualantrages ist ein subsidiärer Rechtsbehelf. Ihn zu ergreifen ist nur dann zulässig, wenn kein anderer Weg besteht, um das mit ihm verfolgte Anliegen an den VfGH heranzutragen (Umwegsunzulässigkeit). 

Die Antragsvoraussetzungen laufen bei der Verordnungs- und bei der Gesetzeskontrolle parallel. Sie können daher gemeinsam behandelt werden. Dabei handelt es sich neben den allgemeinen Voraussetzungen (siehe oben unter Allgemeines) um die folgenden: 

  • Unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers

Voraussetzung für die Antragslegitimation ist, dass die bekämpfte Rechtsvorschrift tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Fall ihrer Rechtswidrigkeit – verletzt. Bloß faktische Auswirkungen der Vorschrift wie etwa solche wirtschaftlicher Natur genügen dem Erfordernis der Betroffenheit in einer Rechtsposition nicht. 

Nach der Rechtsprechung können nur Adressaten einer Vorschrift von dieser unmittelbar betroffen sein. Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre eines Antragstellers kann nur dann vorliegen, wenn dieser durch die Vorschrift selbst nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmt ist und die rechtlichen Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden, also die Vorschrift sowohl zum Zeitpunkt der Anfechtung als auch zu dem der Entscheidung Rechtswirkungen für den Antragsteller entfaltet. 

  • Nichtexistenz eines zumutbaren Umweges

Individualanträge sind, das ergibt sich aus ihrer Subsidiarität, immer dann unzulässig, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit auf einem zumutbaren anderen Weg an den VfGH herangetragen werden kann. Ein solcher besteht grundsätzlich immer dann, wenn die Rechtsfrage in einem Verfahren vor einem ordentlichen Gericht Prozessgegenstand sein kann und die Möglichkeit besteht, eine Antragstellung an den VfGH anzuregen, oder wenn ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts erwirkt und beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden kann, in dem die inkriminierte Vorschrift angewendet wird. Gleiches gilt für den Fall, dass ein entsprechendes gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig war. In solchen Konstellationen ist ein Individualantrag nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (z.B. ist die Erwirkung eines Strafbescheides nicht zumutbar). 

Den Antragsteller trifft nach der Judikatur die Pflicht, das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen darzutun. Der VfGH geht bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Antrags vom Antragsvorbringen aus. 

Aus den Verfahrensvorschriften ergibt sich weiters, dass Anträge ein Aufhebungsbegehren enthalten, den Aufhebungsgegenstand genau bezeichnen und in schlüssiger Weise und hinsichtlich aller angefochtenen Bestimmungen Bedenken im Einzelnen darlegen müssen, widrigenfalls der VfGH den Antrag zurückweist. Darüber hinaus ist im Antrag der Umfang der begehrten Aufhebung so abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als erforderlich, und dass andererseits durch die begehrte Aufhebung der verbleibenden Bestimmung nicht ein Sinn verliehen würde, der einem dem Normsetzer nicht zusinnbaren Normsetzungsakt gleichkäme. Zu eng gefasste Anträge sind unzulässig.

2) Subsidiarantrag auf Normenkontrolle („Gesetzesbeschwerde“)

Die Parteien eines erstinstanzlichen Verfahrens vor einem ordentlichen Gericht (Bezirksgericht, Landesgericht) haben die Möglichkeit, Verordnungen, Gesetze, wiederverlautbarte Rechtsvorschriften und Staatsverträge im Falle des Vorliegens der folgenden Voraussetzungen beim VfGH anzufechten:

  • Sie sind Partei eines erstinstanzlichen Verfahrens vor einem ordentlichen Gericht

  • Es liegt eine Entscheidung des Gerichts erster Instanz vor

  • Gegen die Entscheidung des ordentlichen Gerichts wird ein Rechtsmittel erhoben

  • Behauptung des Antragstellers, durch die Entscheidung des Gerichts wegen der Anwendung der rechtswidrigen Vorschrift in seinen Rechten verletzt worden zu sein

Das Verfassungsgerichtshofgesetz (VfGG) enthält einen Ausnahmekatalog mit bestimmten Verfahren, in denen dieser Rechtsbehelf nicht zur Verfügung steht, wie z.B., im Insolvenzverfahren, im Beweissicherungsverfahren oder auch im Besitzstörungsverfahren.

Der Subsidiarantrag auf Normenkontrolle (die „Gesetzesbeschwerde“) ist direkt beim VfGH einzubringen.

Entscheidungsbeschwerden nach Art 144 B-VG

Der VfGH erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen (Erkenntnisse und Beschlüsse) der Verwaltungsgerichte, soweit der Beschwerdeführer durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (gesetzwidrige Verordnung, gesetzwidrige Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes oder Staatsvertrags, verfassungswidriges Gesetz oder rechtswidriger Staatsvertrag) in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. 

Beschwerdevoraussetzungen sind neben den allgemeinen Voraussetzungen (siehe oben unter Allgemeines):

  • das Vorliegen einer Entscheidung,
  • die Existenz eines subjektiven Rechts, in welchem der Beschwerdeführer durch die Entscheidung verletzt worden sein kann, d.h. die Existenz einer subjektiven Rechtssphäre, die durch die Entscheidung berührt wird, und
  • die Anfechtung innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung.

In der Beschwerde ist die angefochtene Entscheidung ebenso wie das Verwaltungsgericht, das diese erlassen hat, genau zu bezeichnen. Darüber hinaus sind in der Beschwerde die Angaben zu machen, die erforderlich sind, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerde beurteilen zu können. Außerdem ist ihr eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie der angefochtenen Entscheidung anzuschließen. Die Beschwerde hat neben einer Darstellung des Sachverhalts und einem bestimmten Begehren auch die Behauptung des Beschwerdeführers zu enthalten, durch die angefochtene Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht und/oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes oder Staatsvertrags, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

Beschwerden sind grundsätzlich gegen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte möglich, doch werden durch Gesetz einzelne spezielle Beschlüsse und Aussprüche der Verwaltungsgerichte (wie etwa die über die Zulässigkeit einer Revision) von der Anfechtbarkeit ausgenommen.

Beschwerden kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu, doch kann in einer Beschwerde ein Antrag auf Bewilligung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden. Diese ist zu bewilligen, wenn dem keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen und wenn nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung oder mit der Ausübung der mit dieser eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben wäre.

Die bloße Behauptung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Bewilligung eines Antrags auf Erteilung einer aufschiebenden Wirkung genügt nicht. Es obliegt dem Beschwerdeführer, die Gründe für seinen Antrag darzutun und damit detailliert darzulegen, dass der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung

  • keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen und dass
  • mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung (der Ausübung der mit der Entscheidung eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten) für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Stand: 06.05.2024

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