Bücher sowie ein Richterhammer, eine goldene Waage und ein aufgeschlagenes Buch auf einem Holztisch
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Kartell­­behörden und Kartell­­rechts­­vollzug in Öster­­reich

Aufgaben und Zuständigkeiten

Lesedauer: 3 Minuten

Seit 1.7.2002 wurden im österreichischen Kartellrechtsvollzug erstmals weitgehend unabhängige Ermittlungs- und Aufgriffsbehörden geschaffen, die Verfahren vor den Kartellgerichten führen.

Bundeswettbewerbsbehörde (BWB)

Die BWB ist eine mit Aufgriffs-, Ermittlungs- und Antragskompetenzen ausgestattete Bundesbehörde. Sie wird von einem weisungsfreien und unabhängig gestellten Generaldirektor geleitet und ist organisatorisch beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesiedelt.

Zu den zentralen Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde im Bereich der Durchsetzung des Kartellrechts zählen im Einzelnen:

  • Die Wahrnehmung der der Bundeswettbewerbsbehörde in Verfahren vor dem Kartellgericht und Kartellobergericht zukommenden Parteistellung nach § 40 KartG.
  • Die Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich (§ 3 WettbG; Unterstützung der Europäischen Kommission).
  • Allgemeine Untersuchungen von Wirtschaftszweigen, sofern die Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb dort eingeschränkt oder verfälscht ist. Gleiches gilt, wenn zu vermuten ist, dass zu einer Missachtung der verpflichtenden Weitergabe von Abgaben-Senkungen gemäß § 7 Preisgesetz 1992 gekommen ist.
  • Die Leistung von Amtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten gegenüber Kartellgericht, Kartellobergericht, Gerichten und Verwaltungsbehörden (einschließlich der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, der Regulatoren sowie des Bundeskartellanwaltes) und gegenüber Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten der EU und des EWR.
  • Durchführung eines Wettbewerbsmonitorings, insbesondere über die Entwicklung der Wettbewerbsintensität in einzelnen Wirtschaftszweigen oder wettbewerbsrechtlich relevanten Märkten sowie eines Monitorings von Verpflichtungszusagen nach § 27 KartG.
  • Entgegennahme und Prüfung von Zusammenschlussanmeldungen

Weitere Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde sind nach dem WettbG:

  • Antragsstellung nach dem Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz  sowie nach dem UWG
  • Beteiligung am Verfahren bei Angebotsausweitung des ORF
  • Wahrnehmung der Aufgaben gemäß Interbankenentgeltevollzugsgesetz

Die BWB kann Ermittlungen führen, von Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen die Erteilung von Auskünften innerhalb angemessener Frist verlangen, geschäftliche Unterlagen einsehen und prüfen (lassen). Es besteht eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung bzw. Offenlegung von Geschäftsunterlagen, außer man würde sich dadurch der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen. 

Die BWB gewährt einem Unternehmen auch die Stellung als Kronzeuge und einigt sich auf den Abschluss von Settlements, um Verfahren rasch zu Ende zu bringen.

Der Bundeskartellanwalt ist das Bindeglied zwischen dem Kartellrechtsvollzug und der Staatsanwaltschaft betreffend die Kronzeugenmeldungen einzelner Personen (z.B. Mitarbeiter) gemäß § 209b StPO.

Kontaktadresse:

Bundeswettbewerbsbehörde
Radetzkystraße 2, 1. Stock
1030 Wien 

Tel.: 01/24508-0
Internet: www.bwb.gv.at

Bundeskartellanwalt

Der Bundeskartellanwalt ist im Rahmen der Justizverwaltung eingerichtet und an die Weisungen der Justizministerin gebunden. Ihm obliegt die Vertretung öffentlicher Interessen in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts beim Kartellgericht. Durch das Weisungsrecht soll in der sonst unabhängigen Kartellrechtsvollziehung ermöglicht werden, politische Verantwortung zu üben. Wie die BWB hat auch der Bundeskartellanwalt Amtsparteistellung im Verfahren vor dem KG bzw. KOG. Er verfügt über keine eigenen Ermittlungsbefugnisse, spielt aber eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Zuerkennung des Kronzeugenstatus für private Personen sowie bei qualifizierten Einrichtungen betreffend die Geltendmachung von Sammelklagen. 

Kontaktadresse:

Bundeskartellanwalt (Mag. Heinz Ludwig Majer) 
Schmerlingplatz 11
1016 Wien

Tel.: 01/52152-0
Internet: www.justiz.gv.at

Ebenso Wettbewerbsbehörden im Sinne des EU-Rechtes sind die in Österreich zur Entscheidung berufene Kartellgerichtsbarkeit. 

Kartellgericht (KG) und Kartellobergericht (KOG)

Das Oberlandesgericht Wien ist als Kartellgericht für das ganze Bundesgebiet zuständig; im Gegensatz zu den antragsbefugten Amtsparteien, trifft das KG alle wesentlichen kartellrechtlichen Entscheidungen in Österreich in erster Instanz. Über Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Kartellgerichts entscheidet in zweiter und letzter Instanz der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht. In Angelegenheiten nach dem Kartellgesetz haben das KG und das KOG im Verfahren außer Streit zu entscheiden. Das KG ist zur Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts im Einzelfall zuständig, soweit sich eine solche Wettbewerbsverzerrung in Österreich auswirkt.

Kontaktadresse:

Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht 
Schmerlingplatz 11 
1016 Wien 

Tel.: 01/52152-3690
Internet: www.edikte.justiz.gv.at (rechtskräftige Entscheidungen erster Instanz)  

Sonstige wettbewerbsrelevante Einrichtungen 

Wettbewerbskommission (Wettkomm)

Die Wettkomm ist ein bei der Bundeswettbewerbsbehörde eingerichtetes fachkundiges Beratungsgremium, das im Auftrag der BWB oder des BMDW Gutachten zu wettbewerbspolitischen Fragen erstattet, der BWB jährlich Schwerpunktempfehlungen für ihre künftige Tätigkeit gibt und zur Abgabe von Empfehlungen betreffend die Einleitung eines Prüfverfahrens angemeldeter Zusammenschlüsse berechtigt ist.  Die Mitglieder der Kommission sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an keine Weisungen gebunden und zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Die Wettkomm ist keine Behörde. 

Verfahren vor ordentlichen Zivil- und Strafgerichten

Gewisse Ansprüche aus dem Kartellgesetz können auch vor den Zivil- und Handelsgerichten im Wege des Schadenersatzrechtes bzw. des Rechtes gegen unlauteren Wettbewerb geltend gemacht werden. Die ordentlichen Gerichte sind keine Kartellbehörden, sie vollziehen aber auch das Kartellgesetz. Die Strafgerichte sind zuständig, v.a. Bieterabsprachen bei öffentlichen Ausschreibungen und ähnliche Vermögensdelikte zu ahnden.

Man beachte das Verhältnis zum EU-Kartellverfahren: Die Europäische Kommission ist zuständig, Wettbewerbsverstöße österreichischer Unternehmen gegen das europäische Kartellrecht zu untersuchen. Die Ermittlungsbefugnisse der Kommission unterscheiden sich wenig von jenen der BWB. Die Grenze zwischen nationalem und europäischem Wettbewerbsrecht liegt in der Eignung des Sachverhaltes, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.

Stand: 13.11.2024