Vergabetipp: Vorliegen der Befugnis und der Leistungsumfang nach der GewO
von Dr. Andreas Gföhler, Rechtsanwalt bei Schramm Öhler RAe und Angela Vogl-Prenner, LL.M., Rechtsanwältin bei Schramm Öhler RAe und Mag. Lukas Faltner, Rechtsanwaltsanwärter bei Schramm Öhler RAe.
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Bieter:innen müssen gemäß Bundesvergabegesetz 2018 (in der Folge: BVergG 2018) über die geforderte Befugnis zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen verfügen. Die „Befugnis“ stellt die (gewerbe-)rechtliche Berechtigung dar, eine bestimmte Tätigkeit kraft Gesetzes auszuüben. Gemäß § 32 Abs 1a Gewerbeordnung 1994 (in Folge: GewO 1994) steht Gewerbetreibenden das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen und dabei im Rahmen eines Auftrags Leistungen anderer reglementierter Gewerbe bis maximal 15 % übernommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof beschäftigte sich kürzlich mit diesem Thema:
Die Stadtgemeinde S schrieb als Auftraggeberin im Wege eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich die Vergabe eines Bauauftrags zur Lieferung und Montage einer Pfosten-Riegel-Fassade aus. Die Revisionswerberin und die M GmbH legten jeweils ein Angebot. Mit Zuschlagsentscheidung wurde der Revisionswerberin mitgeteilt, dass die Zuschlagserteilung an die M GmbH (nachfolgend: „präsumtive Zuschlagsempfängerin“) beabsichtigt war. Die Revisionswerberin beantragte daraufhin mit Nachprüfungsantrag die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung. Darin führte sie aus, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht über die erforderliche gewerberechtliche Befugnis verfüge, da der Anteil der Tätigkeiten aus dem Gewerbe Holzbau-Meister am gegenständlichen Auftrag bei 18,3 % läge und das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin daher auszuscheiden gewesen wäre.
Das LVwG Salzburg wies den Nachprüfungsantrag ab. Es begründete die Entscheidung damit, dass zwar die Konstruktion aus Holz- und Glaselementen sowie dazwischenliegenden Metallelementen ausgeschrieben wurde, die Herstellung von Konstruktionen eines Stahl- und Metallbaus aber dabei im Vordergrund stehen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfügt über die aufrechte Gewerbeberechtigung Metalltechnik für Metall- und Maschinenbau sowie (eingeschränkt) Glaser. Innerhalb des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entfielen 11,45 % des Gesamtpreises auf das Gewerbe „Holzbau-Meister“, wobei sie vorgefertigte Holzelemente zukauft, diese Elemente (ohne eigene Weiterbearbeitung) auf die Baustelle liefern und dort von ausgebildeten Metalltechnikern montieren lässt. Im Gegensatz dazu entfielen 18,3 % der Gesamtsumme des Angebots der Revisionswerberin auf das Gewerbe „Holzbau-Meister“, da diese lediglich das Material zukauft und die Holzelemente selbst in ihrem Betrieb verarbeitet. Das LVwG erachtet den prozentuellen Unterschied zwischen den beiden Angeboten in Bezug auf die Holzbau-Arbeiten aufgrund der unterschiedlichen Ansätze als plausibel. Auch eine Überprüfung der Kalkulation der präsumtiven Zuschlagsempfängerin durch die Auftraggeberin ergab einen prozentualen Anteil von Holzbau-Arbeiten in der Höhe von 12,66 % sowie keine Hinweise darauf, dass eine spekulative Preisgestaltung „zugunsten“ des Gewerbes Metallbau erfolgt wäre. Im Ergebnis war nach Ansicht des LVwG auf die jeweils eigene Leistung des Gewerbetreibenden und damit auf den Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin abzustellen.
Der VwGH bestätigte die Entscheidung des LVwG und wies die außerordentliche Revision zurück. Begründend führte er dazu aus, dass für die Bildung des Verhältnisses zwischen Tätigkeiten, die aus dem Gewerbeumfang stammen, und Tätigkeiten, die aus Nebenrechten herkommen, in der GewO 1994 bewusst keine Bewertungsregeln geschaffen werden. Die Abgrenzung/Bewertung kann daher beispielsweise nach dem Verhältnis des Zeitaufwandes der jeweiligen Tätigkeiten oder nach dem Verhältnis des jeweiligen Auftragswert der (Teil-)Leistungen zueinander erfolgen. Dass die Beurteilung im gegenständlichen Fall auf den konkreten Auftragswert für den Leistungsteil der Holzbau-Arbeiten und den gesamten Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin abstellte, stand daher im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.
Vergabetipp
- In Vergabeverfahren – bzw. generell – ist darauf zu achten, dass die entsprechende Befugnis/Gewerbeberechtigung für die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen vorliegt.
- Im Rahmen dessen ist zu prüfen, welche Leistungen
- vom Umfang der vorhandenen Gewerbeberechtigung umfasst sind
- gegebenenfalls aufgrund der 15%-Regelung als Nebenrecht erbracht werden können und
- gegebenenfalls diese Schwelle überschreiten und somit eine über die bereits vorhandene Berechtigung hinausgehende Gewerbeberechtigung erforderlich machen.
Verwaltungsgerichtshof vom 19.04.2024, Ra 2023/04/0054