Praxisnah. Nachhaltig. Am Puls der Zeit: Die ÜBA in NÖ
Überbetriebliche Lehrausbildung – kurz ÜBA – ist ein Modell mit Zukunft: Seit 1998 wurden in NÖ 17.000 Jugendliche dabei unterstützt, einen passenden Ausbildungsplatz in überbetrieblicher Form zu finden.
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"Es ist das Gesamtpaket“, sagt Mirsela Useni, greift zur Bürste und nickt – zur Bestätigung – nochmals kurz. „Beauty, Mode, das hat mich seit jeher fasziniert. Und die Haare, die waren für mich immer das Tüpfelchen auf dem i.“ Deshalb hat sich die im Kosovo geborene und in Hollabrunn aufgewachsene Frau 2012, nach einigen Jahren als Einzelhandelskauffrau in der Modebranche, für eine Lehre zur Friseurin entschieden – als überbetriebliche Ausbildung beim WIFI NÖ. „Dieser Schritt ermöglichte es mir, meine Kreativität und mein handwerkliches Geschick zu entfalten“, erzählt Useni. Die Ausbildung war fordernd, aber auch sehr aufregend und lehrreich. „Die liebevolle, aber auch strenge Art meiner Mentorin hat mich da hingebracht, wo ich jetzt stehe – in unseren eigenen Salon“ (www.premiumsalon.at).
2019 gründete Useni gemeinsam mit ihrer Schwester den Premium Salon in Amstetten und baute im Laufe der Jahre ein großartiges Team auf. „Wir wollten immer schon unsere eigenen Styles vermitteln. Und als Sanida die Möglichkeit bekam, den Salon ihrer Chefin in Amstetten zu übernehmen, ergriffen wir unsere Chance, obwohl wir damals noch kleine Kinder hatten“, erzählt die Unternehmerin und reicht Maher Maksouma eine Schere. „Er ist ein tüchtiger und engagierter Lehrling“, erklärt Useni und fügt lachend hinzu: „Und unsere Kundinnen mögen ihn sehr. Wir sind stolz darauf, junge Menschen in diesem wunderbaren Beruf auszubilden und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Talent zu entdecken und zu entfalten.“
Das Unternehmer-Duo und ihr Team – neben Maksouma arbeiten noch fünf Stylistinnen im Premium Salon – bieten neben den klassischen Services auch Haarverlängerung und -verdichtung, -ersatz und -spende. „Wir arbeiten mit hochwertigen Bondings und Tapes“, erklärt Mirsela Useni, die am besten entspannen kann, wenn sie Strähnen färbt und föhnt. „Dann bin ich zwar konzentriert, aber vollkommen im Moment, im Hier und Jetzt“, lacht sie.
„Wusste nicht, wo ich hinwill“
Während sich Lehrling Maksouma am Hauptplatz selbstbewusst an den neuen Haarschnitt einer Kundin wagt, ist es im MediaMarkt in der Waidhofnerstraße noch ruhig. „Ich wusste lange Zeit nicht so recht, wo ich hinwill. Was mir wirklich gefällt“, erzählt Marktleiterin Adela Delic und rückt die Kaffeemaschine ein kleines Stück nach rechts. „So passt es perfekt“, meint sie und lächelt. Nach der Hauptschule hat sich Delic zunächst für die Polytechnische Schule entschieden und dann einen Versuch an der Höheren Wirtschaftlichen Schule gestartet. „Nach der ersten Französisch-Schularbeit hab‘ ich die HLW aber fluchtartig verlassen“, erzählt sie auf dem Weg in die Fernsehabteilung. Sechs Monate lang hat die junge Frau versucht, selbst einen Ausbildungsplatz zu finden. Ohne Erfolg.
„Ich habe mich dann verzweifelt an das AMS Amstetten gewandt und die haben mir die ÜBA-Berufsorientierung gebucht, welche ich mit Juli 2011 gestartet habe.“ Delic erhielt Einblicke in verschiedene Lehrberufe und begann eine Lehre zur Optikerin. „Der Beruf hat mich sehr interessiert, aber bei der Arbeit in der Werkstatt hat mir der Kontakt mit Menschen gefehlt“, erinnert sie sich.
In enger Abstimmung mit ihrer Lehrgangsleiterin am WIFI begann die Amstettnerin eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau in einem Möbelhaus, besuchte die Berufsschule und fand, nachdem sie im Möbelhaus nicht in ein fixes Ausbildungsverhältnis übernommen wurde – eine Lehrstelle bei MediaMarkt. „Eigentlich wollte ich hier nur meine Lehre fertig machen. Doch meine Ausbilder haben in mir ein Potenzial gesehen, das ich selbst nicht kannte. Sie haben mir was zugetraut. Ich konnte innerhalb des Konzerns verschiedene Weiterbildungen machen und habe es vom Lehrling zur Abteilungsleiterin, Lehrlingsbeauftragten bis hin zur Marktleiterin geschafft“, sagt Delic – nicht ohne Stolz in der Stimme.
„Am liebsten“, verrät sie, „bin ich im Markt unterwegs, im Verkauf, und packe überall mit an, wo Not am Mann ist. Im Büro verbringe ich nicht allzu viel Zeit.“ Sicher ist die Marktleiterin, dass sie „ohne die Unterstützung im Zuge der ÜBA niemals so weit gekommen wäre. Ich wurde bei jedem Schritt begleitet, nie im Stich gelassen und habe mich gut aufgehoben gefühlt.“ Auch heute besteht noch immer eine gute Zusammenarbeit mit der ÜBA am WIFI NÖ, da „immer wieder Mitarbeiterinnen bei mir anfangen, die ihren Weg ins Arbeitsleben mit diesem tollen Programm starten.“
Schwer, Lehrstelle zu finden
Über die ÜBA erfolgreich ins Berufsleben gestartet ist auch Bettina Fertl, Abteilungsleiterin der Boutique-Abteilung des XXXLutz in Krems. „Für mich war klar, dass ich nicht weiter zur Schule möchte“, sagt die Kremserin und rückt den Stapel Papiere auf ihrem Schreibtisch zurecht, ehe sie weitererzählt: „Da meine Noten nicht gerade prickelnd waren, tat ich mich schwer, eine Lehrstelle zu finden. Da gab es nur zwei Möglichkeiten: Schuljahr wiederholen oder es über die ÜBA zu probieren.“
„Sind hier wie eine Familie“
Also machte sich Fertl einen Termin beim AMS aus und ihr Betreuer lud sie zu einem Infoabend der ÜBA ein. „Ich hatte das Glück, gleich mit einem Praktikum beim XXXLutz zu starten“, erinnert sich Fertl. „Danach hab‘ ich hier mit der Lehre begonnen und seit vier Jahren darf ich die Boutique-Abteilung leiten.“ Die Abwechslung, der Umgang mit Menschen, das Team – „wir sind hier wie eine Familie“ – und die Möglichkeiten zur Weiterbildung machen für Fertl den Reiz ihrer Arbeit aus. „Im Moment konzentriere ich mich auf die Lehrlingsausbildung in unserer Filiale und plane die kommenden Projekte für unsere Schützlinge“, sagt sie – mit Blick auf eine junge Frau.
„Die Unterstützung bei der Ausbildungswahl in Form der ÜBA ist sehr sinnvoll, da nicht alle Jugendlichen schon mit 15 Jahren einen konkreten Fünf-Jahres-Plan haben: Die Lebensumstände und Entwicklungen sind verschieden. Es ist großartig, dass Jugendlichen dadurch eine Chance auf eine effiziente Ausbildung gegeben wird.“
ÜBA-Fakten:
- Im Jahr 1998 – vor 25 Jahren – wurden mit dem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung die zentralen Grundlagen für die Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) gelegt.
Ziel der Maßnahmen war und ist es, Jugendlichen, denen nach Beendigung ihrer Schulpflicht oder einem Ausbildungsabbruch keine geeignete betriebliche Lehrstelle zur Verfügung stand, adäquate Hilfestellungen und Ausbildungsplätze in überbetrieblicher Form zur Verfügung zu stellen. Im Laufe der 25-jährigen Geschichte konnten in Niederösterreich nahezu 17.000 Jugendliche unterstützt werden. Das Programm ist ein Paradebeispiel gelebter Sozialpartnerschaft, wurde immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes angepasst und hat sich bisher als unerlässlich erwiesen. - Die ÜBA stellt, gefördert von AMS NÖ und Land NÖ, das größte Lehrlingsausbildungsnetz in NÖ dar. Voraussetzung für eine Aufnahme in die Maßnahme ist eine Meldung als „lehrstellensuchend“ beim AMS NÖ.
- Die ÜBA gliedert sich in zwei Teile:
Berufsorientierung: Hauptziel hier ist es, Fähigkeiten und Talente herauszuarbeiten und zu stärken. Es wird somit unter Rücksichtnahme der persönlichen Stärken und der wirtschaftlichen Gegebenheiten der Region der optimale Lehrberuf für alle Teilnehmenden ermittelt.
ÜBA-Lehrgang: Der ÜBA-Lehrgang ist nach dem Berufsausbildungsgesetz (BAG) einer Lehre gleichgestellt. Während der Ausbildung werden die Lehrlinge von persönlichen Betreuer:innen des WIFI und BFI NÖ unterstützt und begleitet. WIFI und BFI übernehmen dabei den theoretischen Teil der Ausbildung. Partnerbetriebe aus der NÖ Wirtschaft sorgen für die praktische Ausbildung. Ziel des Lehrgangs ist es, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ein reguläres Lehrverhältnis zu vermitteln und so einen Lehrabschluss zu ermöglichen.