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© Michael Liebert

Freiraum statt Belastungen für NÖ Betriebe

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Niederösterreichs Betriebe entlastet werden. Wie sehr das enge Korsett aus Bürokratie und hohen Lohnnebenkosten das Handeln einschränkt, zeigen Beispiele aus dem unternehmerischen Alltag.

Lesedauer: 8 Minuten

Aktualisiert am 22.10.2024

„Es geht ums Überleben – nicht nur für die Betriebe in Niederösterreich, sondern auch für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, stellt Touristiker Andreas Graf nüchtern fest, während er die Buchungen in seinem Innenstadthotel für die nächste Woche durchgeht. Was 1953 mit einem kleinen Gasthaus und 12 Betten begann, ist heute eine der ersten Adressen in der NÖ Landeshauptstadt. 35 komfortable Zimmer mit insgesamt 75 Betten und eines der beliebtesten Restaurants der Stadt warten auf die Gäste des erfolgreichen Unternehmers und seines Teams. 
„Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wahres ,human Capital‘“, weiß Graf. „Viele von ihnen sind schon seit knapp zehn Jahren in unserem Haus tätig. Eine Dame im Housekeeping zum Beispiel schon seit fast 30 Jahren“, skizziert der St. Pöltener und betont: „Hotellerie und Gastronomie leiden enorm unter den hohen Kosten, vor allem unter den Lohnnebenkosten. Das trifft nicht nur uns, sondern vor allem auch unsere Mitarbeiter. Die Lohnnebenkosten müssen dringend runter. Die Mitarbeiter brauchen mehr Netto vom Brutto. Es besteht Handlungsbedarf. Und zwar rasch.“
Doch nicht nur die hohen Kosten für Personal bereiten Graf Kopfzerbrechen. „Wir schaffen es nicht, die stetig steigenden Kosten alleine zu tragen. Wir müssen die Teuerung auch an die Gäste weitergeben, da es sich sonst schlicht gesagt einfach nicht mehr ausgeht“.

Richtige Rahmenbedingungen

Weniger Bürokratie. Niedrigere Lohnnebenkosten. Mehr Netto vom Brutto. Mit diesen Forderungen und einem Positionspapier (S.11) macht sich die Wirtschaftskammer NÖ einmal mehr für die richtigen Rahmenbedingungen stark. „Mut. Kreativität. Innovationskraft. Stärke. Das zeichnet unsere Unternehmer:innen und ihre Mitarbeiter:innen aus. Sie sind veränderungsbereit. Sie stehen für die Schaffung von Wertschöpfung, sichern Arbeitsplätze und sorgen für Wohlstand und Lebensqualität in den Regionen. Unsere Unternehmen sind das Rückgrat der Wirtschaft und das Rückgrat der Gesellschaft. Ohne unsere Betriebe funktioniert nichts“, erklärt WKNÖ-Präsident Wolfgang Ecker die Hintergründe der „Forderungskampagne #brauchenwir.“

Und auch Gastronom Andreas Graf stellt klar: „Wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie. Wir brauchen die Zeit und den Freiraum, uns wieder auf unser Kerngeschäft konzentrieren und unsere Gäste betreuen zu können. Und Zeit, unsere Lehrlinge, die gastronomischen Kräfte der Zukunft, auszubilden“, stellt Graf klar. Vor allem im Tourismus sei es wichtig, eine Beziehung zum Gast aufzubauen. „Wir wollen einen Platz zum Wohlfühlen schaffen. Das funktioniert nur mit einem tollen Team.  Unsere langjährige Beziehung zu den Mitarbeitern schätzen auch die Kunden, weil sie genau wissen, was sie in unserem Haus erwarten können. Um hier auch weiterhin vorne mitmischen zu können, braucht es dringend Entlastungen – für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter.“

Zum Hotel Graf

„Völlig aus dem Ruder gelaufen“

Alarmierend ist die Situation auch bei Nemetz-Guss in Wiener Neustadt. „Mein Bruder Wolfgang und ich führen den 1901 gegründeten und 90 Mann starken Familienbetrieb in fünfter Generation. Die Belastung durch die österreichische ,Staatsquote‘ war immer schon überproportional, aktuell ist sie aber völlig aus dem Ruder gelaufen. Rund zwei von drei erarbeiteten Euro werden uns und unseren Mitarbeitern abgeknöpft. Für immer weniger Gegenleistung“, nennt Dieter Nemetz die „Problembären“ und präzisiert: „Neben den drei- bis fünffachen Energiekosten sind die Lohnkostenerhöhungen von 25 Prozent binnen drei Jahren außerirdisch und für im weltweiten Wettbewerb stehende Produktionswerke ein Killer.“

Als Beispiel des „Bürokratenquatschs“ führt Nemetz „praxisferne  Sonderregelungen“ bei der Lohnverrechnung an. „Unlängst hatten wir wieder eine Lohnsteuerprüfung im Haus. Ob die Durchrechnung im Bezug auf den Nachtschwerarbeitsbetrag, die komplizierten Schmutz- und Gefahrenzulagen, die Ausgestaltung von Mitarbeiterprämien oder die zuhauf geforderten, aber selten zielführenden ,greenwashing‘-Bürokratiepapiere – wir können uns noch so sehr bemühen, aber nie alles richtig machen. Wir laufen im Hamsterrad und alle Welt lacht sich tot über Europa und die endlos teure Bürokratie“, zieht der Unternehmer ein Fazit. Es sei höchste Zeit, hier politisch die richtigen Schritte zu setzen: „Denn wir können die staatlich nicht verhinderten Wettbewerbsnachteile nicht mehr durch technische Brillanz ausgleichen.“

Zu Nemetz-Guss

Schwer, Überblick zu behalten

Mit bürokratischen Hürden kämpft  auch Grafik-Designerin Sarah Sator – sator rocks, Haindorf. „Es ist für mich als Einpersonen-Unternehmen gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Einerseits muss ich mit meinem Unternehmen am aktuellen Stand sein, andererseits versuche ich auch für meine Kunden – selbst großteils EPU – am Laufenden zu bleiben“, erzählt Sator und lehnt sich gemütlich auf der Couch in ihrem Einfamilienhaus zurück – die zeitgleich auch ihr Büro ist.
Besonders im technischen und organisatorischen Bereich gibt es viele bürokratische Hürden. „Hat man einmal vermeintlich alles umgesetzt, warten auch schon die nächsten Änderungen“, skizziert die junge Unternehmerin den Auflagendschungel. „Meine Kunden sind meist auch EPU oder Neugründer und da übermannt einen das Ganze zu Beginn schon einmal. Es gibt so viel zu tun, so viel, worauf zu achten ist. Viele straucheln hier. Hier ist die  Wirtschaftskammer mit ihren vielfältigen Angeboten eine tolle Unterstützung. Denn viele Unternehmer fühlen sich vor allem zu Beginn oft allein gelassen.“

„Man muss es einfach tun“

Gestartet hat Sator mit einer Ausbildung zur Softwareentwicklerin. „Doch ich habe immer schon Design und Grafik geliebt und schnell gemerkt, dass ich keine konventionelle Programmiererin sein kann, denn mir sind Kreativität, Organisation und die Zusammenarbeit mit Menschen sehr wichtig.“ Also hat sich die Markersdorf-Haindorferin selbstständig gemacht. „Den perfekten Zeitpunkt gibt es nicht. Man muss es einfach tun“, meint sie lachend. Bereut hat sie es nicht.
„Ich liebe die Freiheiten, die ich durch meine Selbstständigkeit gewonnen habe, ich kann mir gar nichts Schöneres vorstellen.“ Manchmal wünscht sie sich aber einen Mitarbeiter, dem „ich Kleinigkeiten, die Zeit ,fressen‘, übergeben könnte.“ Doch die hohen Abgaben auf Arbeit, die hohen Lohnnebenkosten haben sie davon abgehalten. „,Es ist ja nicht nur das Gehalt zu zahlen, es fallen Nebenkosten, Abgaben etc. an. Das geht sich für mich als kleines Unternehmen einfach nicht aus.“ 
Es geht nur gemeinsam, ist Sator überzeugt. „Es ist ungemein wichtig, dass uns die Politik zuhört, damit wir gemeinsam Strategien entwickeln können, damit wir ein gefestigter und attraktiver Standort für Unternehmen bleiben und zusammenwachsen können.“

Zu Sator rocks

„Gesetz bewirkt das Gegenteil“

Ortswechsel. Auch bei Lumsden & Friends in Baden ist die überbordende Bürokratie ein großer Hemmschuh. „Seit beinahe 20 Jahren sind wir als eigenständige Werbeagentur mit Sitz in Baden, Wien und Salzburg am Markt erfolgreich – weil wir mutig denken und Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Manche Einflüsse jedoch sind Innovationsbremsen, denen wir schutzlos ausgeliefert sind“, bringt CEO Marco Lumsden das Medientransparenzgesetz ins Spiel. „Es bringt vor allem für kleinere und mittlere Werbeagenturen, wie wir es sind, einen erheblichen neuen bürokratischen Mehraufwand mit sich. Was am Papier gut klingt – und auch sicher einen gut gemeinten Hintergrund hat – ist in der Praxis nur mit viel zusätzlichen Kosten umzusetzen“, stellt er klar.

„Ich bleib‘ auf den Kosten sitzen“

Sämtliche Werbeleistungen, die die Agentur für öffentliche Institutionen umsetzt, müssen ab dem ersten Euro offengelegt werden. „Das heißt, jede Kleinsteinschaltung muss eigens in einer komplexen Weise gemeldet werden. Und eine Kampagne kann aus hunderten solcher Schaltungen bestehen. Diese, mit dem administrativen Mehraufwand verbundenen Mehrkosten, kann ich schwer dem Kunden weiterverrechnen, also bleibe ich drauf sitzen.“ 

Kreativität und Leistung wurden Lumsden durch seinen Vater Lancelot – Tennisprofi und Musiker – praktisch in die Wiege gelegt. „Meine Wurzeln liegen in der Karibik“, erzählt der Unternehmer mit einem Lachen im Gesicht. „Dort gibt es einen unglaublich faszinierenden und inspirierenden Mix aus Kulturen, Ideen und Unerschrockenheit. Das passt nicht wirklich mit schlecht durchdachten bürokratischen Auflagen zusammen.“

Denn bei größeren Kampagnen sind zusätzlich zu den Meldungen auch noch detaillierte Berichte über die Werbewirksamkeit zu erstellen – über alle Medien hinweg. Alleine die Aufbereitung der Daten bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Da bleiben mir als Unternehmer zwei Möglichkeiten: Entweder ich trage die zusätzlichen Kosten – damit wird die öffentliche Hand als Auftraggeber extrem unattraktiv – oder ich schaffe es, die Kosten zu verrechnen, was wiederum Steuergeld kostet. Und das ist das Gegenteil von dem, was das Gesetz bewirken wollte“, zeigt Lumdsen die Baustellen dieser Verordnung auf und fasst zusammen: „Das neue Medientransparenzgesetz sorgt dafür, dass öffentliche Institutionen noch langsamer reagieren können, die Attraktivität als Auftraggeber und damit die Qualität der Arbeiten sinken, und mehr Steuergeld ausgegeben wird.“

Deshalb sei es wichtig, dass die Wirtschaftskammer hier klar Position bezieht und „für uns Unternehmen kämpft, sie hat die Power dazu. Sie kann uns vor diesen Einflüssen
schützen und dafür sorgen, dass die Branche wettbewerbsfähig bleibt.“

Zu Lumsden and Friends 

„In unserer Branche werden laufend zusätzliche QM-, Rückverfolgbarkeits- und Nachhaltigkeitssysteme eingeführt. Diese sind teils freiwillig, jedoch führt eine Nicht-Teilnahme oft zu Absatzverlusten. Andere Systeme sind gesetzlich vorgeschrieben, obwohl Rahmenbedingungen und Umsetzung oft unklar sind – verbindliche Termine aber bestehen. Das bedeutet zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Große Unternehmen können diesen Aufwand leichter bewältigen, was kleinere Betriebe schwächt. Als Dienstleister der Landwirtschaft sollten wir uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, nicht auf steigende Verwaltungsarbeit.“

„Es ist schwer für Jungunternehmer:innen Fuß zu fassen. Vor allem wegen der Bürokratie und den vielen Hürden. An einen Mitarbeiter ist für uns aufgrund der Lohnnebenkosten und vieler weiterer Auflagen nicht zu denken. Diesen Schritt gehen wir freiwillig. Das können wir nur, weil wir sowieso zu zweit gestartet sind und dadurch auch mehr freie Kapazitäten haben. Gerade Unternehmer:innen tragen viele Lasten. Auch solche, die uns von der Politik oder aufgrund von EU-Richtlinien aufgedrückt werden. Umso wichtiger ist es, durch andere Erleichterung etwas Druck raus zu nehmen.“

„Bürokratie belastet uns Schausteller enorm. Wir sind meist Familienbetriebe, mehrere Generationen packen mit an. Mit wenig Personal müssen wir den Betrieb am Laufen halten und zusätzlich die Büroarbeit erledigen. Von der Anmeldung der Karusselle, die in jedem Bundesland anders geregelt ist, über die Buchhaltung, den Kontakt mit dem Finanzamt bis hin zu organisatorischen Aufgaben – all das bleibt an uns hängen. Besonders ärgerlich ist es, wenn etwa Anmeldungen bei Energieunternehmen unnötig kompliziert sind. Und das im digitalen Zeitalter. Auch die hohen Lohnnebenkosten machen es uns schwer, mehr Personal zu beschäftigen. So müssen wir oft selbst bis spät in die Nacht arbeiten. Selbst Aushilfen am Wochenende haben Nachteile: Ihr Verdienst wird später versteuert, was den Stundenlohn erheblich schmälert. Viele sagen uns, dass es sich für sie nicht lohnt, diese zusätzlichen Jobs anzunehmen. Am meisten belastet mich der bürokratische Aufwand: Anträge, Stromlieferungen, Konzepte, der ständige Papierkram mit Ämtern. Trotz Digitalisierung scheint sich nichts zu vereinfachen. Wir sitzen bis spät in die Nacht über den Unterlagen und müssen am nächsten Tag früh raus, um uns um Wartung, Transport, Aufbau und den Betrieb zu kümmern. Trotz allem: Unser Beruf ist der schönste der Welt. Wir nehmen jede Herausforderung an und hoffen auf dringend nötige Erleichterungen.“