Rollen von Euro Geldscheinen wahllos arrangiert
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Geldbußen im Kartellrecht

Sanktionen wegen europäischer Kartellrechtsverstöße

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Verstößt ein Unternehmen bzw. eine Unternehmensvereinigung innerhalb des Binnenmarktes bzw. innerhalb des EWR gegen das zwingende Kartellverbot bzw. gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, so haben die rechtswidrig Handelnden mit einer großen Bandbreite möglicher Rechtsfolgen – vor allem zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur - zu rechen. Die wichtigste und auch stark in den Medien präsente Form ist dabei die Geldbuße, welche von der EU-Kommission (oder in Österreich: vom Kartellgericht) verhängt werden kann. Nationale Kartellbehörden haben, wenn sie europäisches Wettbewerbsrecht vollziehen, ausnahmslos ihr nationales Sanktionsrecht anzuwenden.

Geldbußen nach europäischem Recht sind dabei Verwaltungsstrafen sui generis; sie richten sich gegen die rechtswidrig handelnden Unternehmen bzw. Vereinigungen und nicht gegen deren verantwortliche Organe bzw. Angestellte ad personam (in manchen Mitgliedsstaaten können auch Sanktionen gegen verantwortliche Personen verhängt werden). Die Geldbußenentscheidungen der Kommission sind in jedem Mitgliedstaat vollstreckbare Exekutionstitel.

Mehr Infos: Kartellrecht in Österreich

Rechtliche Grundlagen

Die EU-Kommission (EK) kann unmittelbar aufgrund der kartellrechtlichen Verfahrensverordnung (VO 1/2003) Geldbußen und Zwangsgelder (als Beugemittel) verhängen. Die Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Entscheidungen obliegt dem Gericht der Europäischen Union und dem Europäischen Gerichtshof. Um die interessierte Öffentlichkeit in konsolidierter Form über ihre künftige Geldbußenpraxis zu informieren, hat die Kommission wiederholt Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen angenommen – zuletzt 2006. Diese Leitlinien stellen eine Selbstbindung der Kommission dar, wobei sie allerdings in begründeten Einzelfällen von diesen selber abweichen kann.

Allgemeine Grundsätze

Die Sanktionierung eines Kartellrechtsverstoßes ist wesentlicher Bestandteil eines Kontrollsystems, welches die Funktionsfähigkeit der Märkte vor Verzerrungen schützt. Dabei sollen die Strafen (im weitesten Sinne) nicht nur einen angemessenen Ausgleich für die Schädigung des Marktmechanismus bieten – hier können Geschädigte sich im Wege des Schadenersatzrechtes am Verursacher schadlos halten; Geldbußen sollen die notwendige Abschreckungswirkung herbeiführen, um Wettbewerbsverstöße ex ante unwirtschaftlich erscheinen zu lassen. Dabei spielt die Generalprävention aufgrund der empfindlichen Höhe der Geldbußen eine bedeutende Rolle. In Hinblick auf internationale Kartellvergehen, kann jede Kartellbehörde im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit tätig werden und Geldbußen verhängen, ohne dass der Grundsatz des „ne bis in idem“ verletzt würde. Die nachfolgend beschriebenen Regeln werden grundsätzlich von den österreichischen Wettbewerbsbehörden ebenso beachtet. 

Methodik für die Festlegung der Geldbußen

Die Kommission bestimmt einen Grundbetrag der Geldbuße, welcher an Umfang, Schwere und Dauer des Verstoßes orientiert ist, und passt diesen Grundbetrag durch Auf- (erschwerende Umstände; Gewährleistung der abschreckenden Wirkung) und Abschläge (mildernde Umstände) den Erfordernissen an. Dabei darf die Obergrenze von 10% des weltweiten Gesamtumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr der betroffenen Unternehmen aber nicht überschritten werden.

Grundbetrag

Der Grundbetrag wird anhand des Wertes der verkauften Waren und Dienstleistungen berechnet, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen (Umfang). Dies entspricht dem betroffenen Umsatz nach Abzug der Verkaufsabgaben im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in welchem das Unternehmen an der Wettbewerbsverzerrung beteiligt war. Bei weltweiten Kartellen kann die Kommission auch die wahre, über den EWR hinausreichende Bedeutung eines betroffenen Unternehmens berücksichtigen.

Die Schwere der Zuwiderhandlung ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, wobei ein Betrag in einer Höhe von bis zu 30% des betroffenen Umsatzes festgesetzt werden kann. Dabei sind so genannte „Hardcore-Kartelle“ (Preisabsprachen, Marktaufteilungen, etc.) an der oberen Skala der Bandbreite anzusetzen. Zur Berücksichtigung der Dauer wird der so ermittelte Betrag mit der Anzahl der Jahre der Durchführung multipliziert (bis zu sechs Monate zählen ein halbes Jahr; über sechs Monate zählen als ganzes Jahr).

Unabhängig von der Dauer der Zuwiderhandlung kann ein Betrag von 15 – 25% des betroffenen Umsatzes dem Ergebnis hinzugerechnet werden, um die Abschreckungswirkung gegenüber den schlimmsten Verstößen zu erhöhen („Eintrittsgebühr“).

Anpassung des Grundbetrages

Die Kommission hat erschwerende und mildernde Umstände in Anrechnung zu bringen; wesentlicher Erschwerungsgrund ist die Wiederholungstäterschaft, wenn es bereits eine kartellrechtliche Verurteilung gegen das betroffene Unternehmen gegeben hat. Darüber hinaus kann die Geldbuße zur besonderen Abschreckung weiter erhöht, sowie der unrechtmäßige Gewinn abgeschöpft werden. Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist nur unter außergewöhnlichen Umständen zu beachten.

Kronzeugenregelung

Durch die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung kann die Geldbuße wesentlich gemindert werden; dies erfolgt durch die freiwillige Mitarbeit des Unternehmens an der Sachverhaltsaufklärung und Beweiserhebung der Kommission, wobei vor allem neue Unterlagen der Kommission zur Verfügung gestellt werden müssen. Nähere Informationen zur Kronzeugenregelung der EU finden sich in der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 298 vom 8.12.2006, S. 17–22).

Für die Zuerkennung eines Status als Kronzeuge nach österreichischem Kartellrecht ist die Bundeswettbewerbsbehörde zuständig. Die grundlegenden Bestimmungen des Kartellgesetzes dazu werden seit November 2021 durch eine eigene Verordnung (BGBl II 487/21) näher geregelt. Zur Erläuterung ihrer Verwaltungspraxis hat die BWB für diesen Bereich einen eigenen Leitfaden mit weiterführenden Informationen erarbeitet.

Settlement

Unternehmen können eine zu erwartende Geldbuße noch dadurch mindern, dass sie mit Zustimmung der Wettbewerbsbehörden das Verfahren einvernehmlich beenden. Dafür müssen sie dem ermittelten Tatsachenvorbringen der Wettbewerbsbehörden, worin der Wettbewerbsverstoß zum Ausdruck kommt, grundsätzlich zustimmen. Dieses Vorgehen minimiert den Verfahrensaufwand der Ermittlungsbehörden; sie kann ihre freigewordenen Ressourcen für die Aufdeckung anderer Wettbewerbsverstöße einsetzen. Die EK gewährt für eine solche Verfahrensbeendigung einen Abschlag von der Geldbuße im Ausmaß von 10%; sie hat dafür eigene Verfahrensregeln entwickelt. 

Auch die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) schließt Settlements mit beschuldigten Unternehmen ab. Diese Vereinbarungen werden vom Kartellgericht geprüft und zur Entscheidung erhoben. Die BWB stellt für ein solches Vorgehen einen Abschlag von bis zu 15% in Aussicht.

Geldbußen in Österreich

In Österreich beantragen Bundeswettbewerbsbehörde und/ oder Bundeskartellanwalt die Verhängung einer Geldbuße wegen Verstößen gegen europäisches oder österreichisches Kartellrecht beim Kartellgericht. Wird dabei eine konkrete Geldbuße gefordert, kommen die oben angeführten Grundsätze aus der Kommissionspraxis regelmäßig zum Einsatz. In Kronzeugenfällen darf eine höhere als die beantragte Geldbuße nicht verhängt werden. Die Kartellgerichte (Kartellgericht und Kartellobergericht), welche die Entscheidung über die Geldbuße treffen, können sich an den Leitlinien der EK orientieren; die Festlegung der genauen Höhe ist aber eine Ermessensentscheidung des Gerichtes und nicht Ergebnis einer schlichten Rechenoperation (16 Ok 2/15b).

Stand: 13.11.2024

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