Zusatzpensionen als Ergänzung zur staatlichen Pension müssen rasch ausgebaut werden
Fünfte Enquete zum Pensionssystem: Forderungen der ARGE Zusatzpensionen zum Ausbau der betrieblichen und privaten Altersvorsorge fiel bei Top-Politikern und Sozialpartnern auf fruchtbaren Boden.
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Am Freitag, den 28. September 2018 fand in Wien die fünfte jährliche Enquete zum heimischen Pensionssystem statt. Die weit mehr als 100 Gäste aus Wirtschaft, Sozialpartnerschaft und Politik hörten für Österreich erstaunlich klare Worte zur Zukunft des Pensionssystems:
"Die Herausforderungen bei unserem Pensionssystem müssen rasch in Angriff genommen werden. Es gilt Reformen umzusetzen, bevor die nächsten Generationen in Pension gehen."
"Man wird sich überlegen müssen, wie man die betriebliche und private Altersvorsorge als Ergänzung zur staatlichen Pension zügig ausbauen kann".
"Es braucht einen Schulterschluss der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertretungen, um gemeinsam etwas Gutes zu erreichen."
So lauteten einige Sager von anwesenden Ministern und Abgeordneten zum Nationalrat.
Mag. Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen
Einig waren sich alle prominenten Gastsprecher mit den Veranstaltern, der ARGE Zusatzpensionen: Österreich braucht ein stabiles Pensionssystem mit einer starken, staatlichen ersten Säule. Deren Zusammenwirken mit betrieblichen und privaten Pensionsangeboten (2./3. Säule) als wichtige Ergänzungen soll durch Maßnahmen der Bundesregierung zügig ausgebaut werden.
"Mit der jährlichen Enquete der ARGE Zusatzpensionen wollen wir die Herausforderungen an das gesamte österreichische Pensionssystem aufzeigen und ohne ideologische Vorbehalte diskutieren. Das ist uns dieses Jahr mit höchst prominenten Sprechern – drei Ministern und zahlreichen Abgeordneten – aber auch mit klaren Ansagen unserer Gäste gelungen. Der Ruf nach dem Ausbau der Zusatzpensionen in Österreich ist mittlerweile beinahe unüberhörbar", erklärt Mag. Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen und Initiator der ARGE Zusatzpensionen.
Diese ARGE besteht aus allen Anbietern von Zusatzpensionen in Österreich, also dem Fachverband der Pensionskassen, dem Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO), der Plattform der betrieblichen Vorsorgekassen und der Vereinigung Österreichischer Investmentgesellschaften.
v.l.n.r.: Andreas Csurda, Vorstandsvorsitzender der Plattform der Betrieblichen Vorsorgekassen / Univ.Prof. Dr. Rainer Münz, Special Advisor on Migration & Demography, European Political Strategy Center / DI Manfred Rapf, Sprecher der Sektion Lebensversicherung im österreichischen Versicherungsverband VVO / Ewa Björling, ehemalige schwedische Ministerin / Dr. Josef Moser, Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz / Mag. Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen / Dr. Fritz Janda, Geschäftsführer des Fachverbandes der Pensionskassen / Mag. Heinz Bednar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Investmentfondsgesellschaften
Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern hat Österreich noch einen gewissen Nachholbedarf
Univ.-Prof. Dr. Rainer Münz, Special Advisor on Migration & Demography, European Political Strategy Center erklärte in seiner Keynote: „Das österreichische Pensionssystem steht in den nächsten Jahren vor größeren Herausforderungen. Unsere Lebenserwartung steigt jedes Jahr um zwei bis drei Monate. Zugleich wird mit den Baby-Boomern die stärkste Generation des 20. Jahrhunderts in den Ruhestand gehen. Um unser System im Gleichgewicht zu halten, müssen wir in dieser Situation entweder länger arbeiten und später in Pension gehen, mehr Zuwanderer in den Arbeitsprozess integrieren oder gewisse Abschläge in Kauf nehmen. Zumindest für jene, die nicht länger arbeiten möchten, könnte dies bedeuten, dass die staatliche Pension möglicherweise nicht so hoch ausfallen wird, wie erhofft. Wer nach dem Blick aufs eigene Pensionskonto zu dem Schluss kommt, dass die bei Pensionierung im Alter zwischen 60 und 65 Jahren zu erwartende Pension zu niedrig ist, hat aber – je nach Arbeitgeber und Einkommenshöhe – die Möglichkeit, sich mit einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge abzusichern. Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern hat Österreich hier noch einen gewissen Nachholbedarf“.
BM Moser: "Man wird sich überlegen müssen, wie man die betriebliche und private Altersvorsorge als Ergänzung zur staatlichen Pension zügig ausbauen kann"
Österreich wird älter, und das ist auch gut so. Im Jahr 2050 werden in Österreich über eine Million Menschen über 80 Jahre alt sein. Diese erfreuliche Entwicklung auf der einen Seite bringt aber auch neue Herausforderungen auf der anderen Seite mit sich - besonders für unser Pensionssystem.
Für diese Herausforderungen gilt es entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Drei mögliche Ansätze werden hier zu diskutieren sein: Eine erste Möglichkeit wäre die Pensionsbeiträge zu erhöhen. Da der Faktor Arbeit in unserem Land aber bereits sehr hoch besteuert ist, stellt sich hier die Frage der Sinnhaftigkeit.
Weiters wäre es möglich, die Pensionsleistungen zu senken, was allerdings die finanzielle Absicherung aller stark beeinträchtigen würde. Ein dritter Weg besteht darin, die gestiegene Lebenserwartung an ein gestiegenes Pensionsantrittsalter zu koppeln. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass parallel dazu Pensionsprivilegien beseitigt werden.
Auch wird man sich zusätzlich überlegen müssen, wie man die betriebliche und private Altersvorsorge als Ergänzung zur staatlichen Pension zügig ausbauen kann. Neben den technischen Voraussetzungen, die wir dafür in der Politik und Verwaltung bewältigen müssen, gilt es aber vor allem in der Bevölkerung Bewusstsein und Vertrauen zu schaffen und Lösungsvorschläge zu diskutieren, um diese dann rasch gemeinsam umzusetzen. Hier leistet die Enquete der ARGE Zusatzpensionen einen wichtigen Beitrag“, erklärt Dr. Josef Moser, Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.
Dr. Josef Moser, Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
BM Löger: Steuerreform 2020: Positiver Einfluss auf das Thema private und betriebliche Vorsorge
Finanzminister Hartwig Löger fand in seiner Video-Botschaft an die Gäste der Enquete ebenfalls klare Worte: „Ich persönlich habe auch aus dem Regierungsprogramm heraus den Auftrag, das Thema Zusatzpension sowohl auf der Ebene der betrieblichen Pensionen als auch der privaten Vorsorge, als sinnhafte und notwendige Ergänzung zur staatlichen Pension zu fördern. Wir sind derzeit mitten in den Diskussionen über die Steuerreform, die wir ab 2020 in die Umsetzung bringen werden. Ein wichtiger Aspekt dabei wird auch sein, positiven Einfluss auf das Thema private Vorsorge und betriebliche Vorsorge zu nehmen.“
"Der Ausbau der Zusatzpensionen steht auf unserer Tagesordnung", so Abg. zum NR Andreas Hanger, ÖVP
"Der Ausbau der betrieblichen und privaten Zusatzpensionen in Österreich steht nicht nur im aktuellen Regierungsprogramm, er steht auch in den nächsten Monaten im Rahmen der großen Steuerreform für 2020 auf unserer Tagesordnung. Wir wollen die Eigenverantwortung stärken, die technische Seite dieses Vorhabens muss allerdings noch entsprechend gestaltet werden, Ziel ist eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber“, so Andreas Hanger.
"Um unser gutes Pensionssystem abzusichern, braucht es nachhaltige Reformen und eine gute Kommunikation. Nur ein Beispiel: Die größten Ängste vor einer Pensionsreform liegen bei jenen, die es gar nicht betrifft – bei den Pensionisten. Und wir brauchen einen positiven Zugang zum Kapitalmarkt, die durchschnittlichen Erträge der österreichischen Pensionskassen in den letzten Jahrzehnten können sich wirklich sehen lassen. Und davon profitiert jeder Einzelne."
Einige der anwesenden Abgeordneten zum Nationalrat und Experten mahnten allerdings neben den deutlichen Bekenntnissen zur Reform auch ein, die richtigen Schritte auf Basis internationaler Beispiele zu setzen. Dabei waren oft Verweise auf internationale Erfolgsprojekte, wie etwa die Pensionsreform in Schweden, zu hören.
"Wie es anders geht, zeigen die Schweden", so Franz Schellhorn von der Agenda Austria
"Seit 1970 ist die Lebenserwartung um 11 Jahre gestiegen, wir gehen aber im selben Alter in Pension wie damals. Wenn die Politik die offensichtlichen Probleme weiter ignoriert, drohen ganze Jahrgänge in die Altersarmut abzurutschen“. Wie es anders geht, zeigen die Schweden", erklärte Dr. Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria.
Dr. Franz Schellhorn, Direktor der Agenda Austria
Das schwedische Pensionssystem – ein Vorbild für Europa?
"Das schwedische Rentensystem trat 1999 in Kraft. Die größte Neuerung dabei war der Wechsel von einem leistungsorientierten zu einem beitragsorientierten System. Vor der Reform galten die Renten als ein soziales Recht, wobei eine bestimmte Ersatzquote im Verhältnis zum Gehalt vor der Pensionierung versprochen wurde. Nach der Reform ergibt sich die Rente aus den Ersparnissen während des Arbeitslebens. Diese Änderung bedeutete auch eine neue Situation bei der Renteninformation. Nach nunmehr fast 20 Jahren sehen wir, dass das schwedische Rentensystem im Allgemeinen gut funktioniert und sind stolz darauf, eine Art Vorbild für andere Länder in Europa zu sein", so Ewa Björling, ehemalige schwedische Ministerin in ihrem Vortrag zum schwedischen Pensionssystem.
Abg. zum NR Gerald Loacker, NEOS: "Bei der Pension geht es sehr stark um transparente Information"
"Wir arbeiten im Schnitt seit Jahren gleich lang, leben länger und beziehen daher auch mehr Pension vom Staat. Mit dem bestehenden Pensionssystem bürden wir daher der jüngeren Generation immer mehr auf – das ist nicht vertretbar, hier muss man rasch handeln", forderte auch Gerald Loacker, Sprecher für Arbeit & Soziales bei den NEOS.
"Bei der Pension geht es sehr stark um transparente Information. Schweden ist da eindeutig ein Vorbild – jeder Schwede bekommt jährlich eine kombinierte Aufstellung, wie viel Pension er aus erster, zweiter und dritter Säule beziehen wird."
"Wir könnten von internationalen Beispielen wie Schweden oder Dänemark lernen, passende Elemente übernehmen und unser System verbessern", so Barbara Kolm vom F. A. v. Hayek Institut
"Transparenz, öffentliche Diskussion und Einbindung aller Beteiligten wie zum Beispiel in Schweden hilft den Menschen zu verstehen, wie so ein Pensionssystem funktioniert. Damit stärkt man auch den Anreiz, individuelle Pensionsvorsorge zu betreiben", so Dr. Barbara Kolm, Präsidentin des F.A. v. Hayek Instituts.
"Für mich stehen – nicht nur bei der Pensionsfrage – Verantwortung für die nächste Generation als auch Selbstbestimmung im Focus. Zusätzliche, incentivierte Wahlmöglichkeiten sollten neben einer gesicherten staatlichen Pensionsgrundversorgung angedacht werden. Dabei können wir in Österreich von internationalen Best Practice Beispielen wie Schweden oder Dänemark lernen, passende Elemente übernehmen und unser System verbessern."
v.l.n.r.: CR Ronald Barazon, Abg.z.NR Mag. Gerald Loacker, Sprecher für Arbeit & Soziales NEOS / Abg.z.NR Mag. Andreas Hanger, Österreichische Volkspartei / Dr. Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien / Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher, Direktor Institut für Höhere Studien (IHS) / Dr. Barbara Kolm, Präsidentin des Friedrich August v. Hayek Instituts und Direktorin des Austrian Economics Center / Dr. Johannes Turner, Direktor der Hauptabteilung Statistik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Investmentfondsgesellschaften
Martin Kocher, IHS: "Reformen umsetzen, bevor die nächsten Generationen in Pension gehen"
Diese künftigen Reformen sehen Pensionsexperten wie Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher, Direktor Institut für Höhere Studien (IHS), auch sehr stark als Kommunikationsaufgabe: "Wichtig ist es, in der Bevölkerung ein Verständnis dafür zu schaffen, was an Reformen beim Pensionssystem notwendig ist. Das ist die Voraussetzung, dass nachhaltige Reformen auch in Österreich funktionieren. Die Herausforderungen bei unserem Pensionssystem müssen allerdings rasch in Angriff genommen werden. Es gilt, Reformen umzusetzen, bevor die nächsten Generationen in Pension gehen – denn sonst haben wir mit dem bestehenden System ganz sicher ein Problem."
"Zusatzpensionen können als Ergänzung - nicht aber als Ersatz - durchaus Sinn machen", so Josef Wöss von der AK Wien
Josef Wöss von der AK Wien sieht diesen Reformdruck nicht ganz so dringend: "Wir haben in Österreich ein starkes staatliches Pensionssystem, das durch die bereits durchgeführten Reformen auf den bevorstehenden demografischen Wandel gut vorbereitet ist", erklärt Dr. Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien.
"Zusatzpensionen können als Ergänzung - nicht aber als Ersatz - durchaus Sinn machen, am besten im Rahmen kollektiver Ansätze wie bei den Betriebspensionen."
Manfred Rapf, VVO: "Wir wollen uns im Reformprozess aktiv einbringen"
"Auch mit der diesjährigen Enquete sehen wir uns als Impulsgeber und bieten als Anbieter von Zusatzpensionen ein Diskussionsforum zum Thema kapitalgedeckte Vorsorge. Jeder in unserer Branche hat bereits konkrete Lösungsansätze zur Unterstützung des Reformprozesses bei den Zusatzpensionen erarbeitet. Wir stehen zu unserer Verantwortung und wollen uns im Reformprozess aktiv einbringen, um das gesamte System erfolgreich weiterzuentwickeln", so DI Manfred Rapf, Sprecher der Sektion Lebensversicherung im österreichischen Versicherungsverband VVO.
"Jede Österreicherin und jeder Österreicher sollen eine Zusatzpension bekommen", so Andreas Zakostelsky, Fachverband der Pensionskassen
"Wichtig ist uns als ARGE Zusatzpensionen der übergreifende Ansatz: Daher lade ich alle Sozialpartner und insbesondere die Arbeitnehmervertreter aktiv dazu ein, mitzuhelfen, dass jede Österreicherin und jeder Österreicher eine Zusatzpension bekommen", erklärte Mag. Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensionskassen zum Abschluss der Enquete 2018.
Stand: 29.10.2018