USA- und EU-Flagge gemeinsam und doch getrennt
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Zollbeben als Zerreißprobe

Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sorgt für ein Beben in der Weltwirtschaft. Auch die heimische Wirtschaft befürchtet massive Verluste – und sucht nach alternativen Exportmärkten. Jetzt gibt es immerhin 90 Tage Schonfrist.

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Aktualisiert am 10.04.2025

Wer bietet mehr? Die Zollpolitik der großen Wirtschaftsmächte erinnert derzeit an eine Mischung aus Viehversteigerung und Pokertisch. Zölle und Gegenzölle werden fast täglich nach oben getrieben, gleichzeitig rutschen Aktienmärkte und Konjunkturprognosen rasant nach unten.

Wohin diese Entwicklung führt, weiß derzeit niemand – und die Entwicklungen überschlagen sich täglich. Auch das Motiv von US-Präsident Donald Trump gibt weiter Rätsel auf: Sollen die steigenden Zolleinnahmen die Reindustrialisierung der USA finanzieren und den Wirtschaftsstandort stärken, oder dienen die Zölle als Druckmittel in Verhandlungen, um umgekehrt die Zölle auf US-Waren auf Auslandsmärkten zu senken und damit die Exporte anzufeuern? Selbst Trumps Umfeld teilt sich mittlerweile in ein Protektionismus- und ein Freihandelslager. Nicht nur Elon Musk hat zuletzt völlige Zollfreiheit zwischen Europa und den USA gefordert. Experten fragen sich zudem, ob Trump bereit ist, den Preis für seine erratische Wirtschaftspolitik zu bezahlen. So geht WIFO-Chef Gabriel Felbermayr davon aus, dass die Produktion in den USA selbst durch die Zölle um bis zu zwei Prozent zurückgehen wird – und damit das erwartete Wirtschaftswachstum „auffrisst“.  Zudem drohe ein Verlust von Arbeitsplätzen. 

Nach Gott, Liebe und Religion ist ,Zölle‘ das viertschönste Wort im Wörterbuch.


Fest steht jedenfalls, dass der von Trumps aggressiver Zollpolitik losgetretene Handelskrieg die Weltwirtschaft längst massiv belastet. Es herrscht das „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Prinzip, das den bilateralen Warenaustausch massiv einbremst, im schlimmsten Fall überhaupt zum Erliegen bringt. Auch wenn nun am 9. April für voererst 90 Tage  die reziproken Zölle für die EU auf 10 Prozent gesenkt wurden, scheint unsicher, ob ein Ende des Hochlizitierens von Einfuhrauflagen wirklich in Sicht ist. So warnen Ökonomen nach der jüngsten Eskalation der Beziehungen mit China vor einer Entflechtung dieser beiden großen Volkswirtschaften. Denn hier wurden die Zölle zuletzt sogar noch auf 125 Prozent angehoben. 


Nach der Volksrepublik ist mittlerweile aber auch die Europäische Union ins Zoll-Wettbieten eingestiegen und kündigte zunächst für kommende Woche Sonderzölle auf insgesamt 1.680 amerikanische Produkte an. So haben die 27 EU-Regierungen am Mittwoch grünes Licht für Gegenzölle mit einem Volumen von 21 Milliarden Euro gegeben – auf Trumps neue Ankündigungen hin, werden diese aber auch vorerst auf 90 Tage ausgesetzt. Grundsätzlich sollten sie erst der erste Schritt der Gegenwehr sein. Ein zweites und drittes Strafzollpaket ist bereits geschnürt und soll mit 16. Mai beziehungsweise 1. Dezember in Kraft treten. Unter anderem sind im Fall einer weiteren Verschärfung des Handelskonflikts Maßnahmen wie Sondersteuern für US-Techkonzerne und ein Aus für die Teilnahme von US-Unternehmen an Ausschreibungen in der EU in Vorbereitung – wenn die nun berichteten Lockerungen die Situation nicht insgesamt und langfristig entschärfen. Spätestens mit den obengenannten Sondersteuern und Co. wäre „der Westen“ als halbwegs kohärenter Wirtschaftsraum jedenfalls Geschichte.

Auch für Österreich bedeutet das nichts Gutes. Die Vereinigten Staaten sind nach (dem derzeit „kriselnden“) Deutschland zweitwichtigster Exportmarkt der heimischen Wirtschaft. 2024 exportierte Österreich Waren im Wert von 16,2 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten – ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit machten die USA rund 8,5 Prozent der gesamten heimischen Warenexporte aus. Ein Großteil dieser Ausfuhren stammt aus der Industrie, insbesondere aus dem Maschinen- und Fahrzeugbau sowie der Pharmaindustrie. Diese Sektoren trugen maßgeblich zum Handelsüberschuss mit den USA bei, der 2024 bei rund 8,5 Milliarden Euro lag.

Asien als Alternative

Derartige Handelsbilanzen sind Trump ein Dorn im Auge – und sorgen für Verunsicherung in heimischen Unternehmen bezüglich der Auswirkungen des zollpolitischen Unwetters, auch weil es einen wilden Mix unterschiedlicher Zollprozentsätze und zusätzlich unzählige Ausnahmen gibt.

 Umso wichtiger und dringlicher ist eine Diversifizierung. So hat nicht zuletzt die steirische Wirtschaft über das Internationalisierungscenter (ICS) seine Fühler längst in aufstrebende Volkswirtschaften Asiens (Indien, Vietnam) ausgestreckt. Auch der europäische Binnenmarkt rückt als Ziel wieder stärker in den Fokus heimischer Exporteure. 

Trump goss zunächst weiter Öl ins Feuer: „Dies ist ein großartiger Zeitpunkt, um Ihr Unternehmen in die Vereinigten Staaten von Amerika zu verlegen“, verbreitete er zuletzt via Social Media Lockrufe. Hoffnung bereiten gleichzeitig die erwähnten, zunächst gesenkten Zölle für die EU. Für die aktuellsten News hat die Wirtschaftskammer einen eigenen Infopoint eingerichtet. 


Kein Ende der Talfahrt in Sicht

Donald Trumps Zollpolitik trifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Portfolios vieler Anleger. Experten raten in Zeiten des Sturms zu Besonnenheit.

Die Börsenindizes weltweit kennen derzeit nur eine Richtung: nach unten. Die Verschärfung des Handelskriegs zwischen China und den USA drückte auch die europäischen Börsen noch tiefer ins Minus. Ein Ende der Talfahrt ist nicht absehbar. Investoren und Anleger weltweit fürchten aufgrund der aggressiven US-Zollpolitik und der Gegenmaßnahmen der Handelspartner einen lang anhaltenden „Bärenmarkt“ – also fallende Kurse. Schon jetzt davon betroffen ist unter anderem just Apple. Der US-Vorzeigekonzern verlor „dank“ Donald Trumps Zollpolitik den Titel als wertvollstes Unternehmen an der Börse. Die Apple-Aktie büßte binnen kürzester Zeit mehr als ein Fünftel ihres Werts ein, da Anleger die Folgen der verhängten Chinazölle für den iPhone-Konzern fürchten. Würde Apple seine Produktion von China  in die USA verlagern, würde der Preis eines Geräts auf 3.500 Dollar in die Höhe schnellen.

Wie hypersensibel und nervös die Börsen derzeit sind, zeigt der Umstand, dass die – sich später als falsch erwiesene – Behauptung, Trump erwäge eine 90-tägige Pause seiner Strafzölle, dafür sorgte, dass die US-Aktien kurzzeitig in die Höhe schnellten und dabei um rund 2,4 Billionen Dollar an Wert gewannen. Nur um kurz darauf genauso schnell wieder zu sinken. Trotz der dramatischen Kurs-Achterbahnfahrten und -verluste raten Experten aber zur Besonnenheit. Zwar scheint die Lage für viele alarmierend, doch führen nicht wirtschaftliche Fundamentaldaten, sondern die Angst der Anleger den Abwärtstrend an, so das Argument.

Es gibt aber schon jetzt Gewinner der US-Zollpolitik: Der Goldpreis kletterte auf ein Rekordhoch.