
Zinswende beflügelt das Sparen
Nach sechs Zinserhöhungen allein heuer erlebt das Sparen pünktlich zum Weltspartag ein Comeback. Vor allem gebundene Einlagen boomen, Kreditnachfragen sind indes rückläufig.
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Alle Jahre wieder locken rund um den Weltspartag die heimischen Banken in die Filialen – einerseits, um fleißige Sparer mit kleinen Geschenken und attraktiven Angeboten zu „belohnen“, um Bewusstsein für das Thema Sparen zu schaffen und um Neukunden zu werben. Heuer scheint der Weltspartag allerdings ohne großes Zutun zum Selbstläufer zu werden: Nach der jahrelangen Nullzinsphase haben die Zinsen nämlich zuletzt kräftig angezogen, was Sparen wieder deutlich attraktiver macht. Das bestätigen buchstäblich durch die Bank auch die Chefs der steirischen Institute: „Das Comeback der Zinsen beflügelt das Sparen“, so der einhellige Tenor (siehe Statements unten).
Kein Wunder, hat doch die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Vorjahr immer wieder an der Zinsschraube gedreht, zuletzt sogar im Monatsrhythmus: Allein heuer wurden die Zinsen bereits sechs Mal (!) erhöht – im Februar, März, Mai, Juni, Juli und zuletzt im September. Damit ist der Leitzins im Rekordtempo auf aktuell 4,5 Prozent geklettert.
Und das ruft nun eben die Sparer auf den Plan, wie auch aus einer aktuellen IMAS-Umfrage im Auftrag von Erste Bank und Sparkassen unter 1.800 Befragten in ganz Österreich hervorgeht: Wie die Auswertung der einzelnen Bundesländer zeigt, ist der monatliche Sparbetrag in der Steiermark auf 292 Euro geklettert – das sind um 90 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Damals waren es 153 Euro, die monatlich auf die hohe Kante gelegt wurden. Drei von vier Befragten in der Steiermark greifen übrigens auf klassische Veranlagungsformen wie Sparkarte oder Sparkonto zurück, während gerade einmal 28 Prozent Wertpapiere als Sparform nutzen.
Bemerkenswert ist laut Studie auch, dass jeder Zweite sein Geld praktisch unverzinst am Girokonto liegen lässt: So schlummern auf diesen Konten allein in der Steiermark mehr als sechs Milliarden Euro. „Im aktuellen Finanzmarktumfeld mit wieder höheren Zinsniveaus ist wichtig zu wissen, dass Girokonten generell keine Veranlagungsprodukte sind, sondern dem Zahlungsverkehr dienen“, so Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).
Eine deutliche Diskrepanz gibt es auch zwischen täglich fälligen und gebundenen Einlagen. „Bei Spareinlagen können derzeit schon relativ kurze Bindungsfristen von drei bis sechs Monaten deutlich bessere Zinssätze bringen als täglich fällige Spareinlagen“, setzt er nach.
Fast 300 Milliarden Euro Sparguthaben im Land
Ein Trend, der sich auch beim Sparvolumen sichtbar niederschlägt: Während das Geschäft mit täglich fälligen Einlagen laut OeNB mit minus sieben Prozent zuletzt rückläufig war, wurde bei den gebundenen Einlagen ein Plus von 18,6 Prozent verzeichnet. So wurden heuer bis einschließlich Juli mit insgesamt 27,8 Milliarden Euro mehr als doppelt so viele Einlagen gebunden veranlagt als im gesamten Vorjahr – da waren es noch 12,5 Milliarden Euro. Und trotzdem ist das Volumen täglich verfügbarer Sparguthaben der privaten Haushalte in Österreich mit sage und schreibe 199 Milliarden Euro (!) deutlich höher als das Gesamtvolumen gebundener Einlagen (96,4 Prozent).
Eine „auffällige Zinsdiskrepanz“ zwischen gebundenen und täglich fälligen Einlagen ortet auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung und Geschäftsführer des Wirtschaftsforschungsinstitutes Economica. „Es ist viel Liquidität bei den Banken vorhanden“, analysiert er die Ursachen für die Niedrigzinsen bei ungebundenen Sparguthaben. „Zudem ist die Kreditnachfrage rückläufig. Die Neukreditvergabe im Wohnbau ist im Vergleich zum Vorjahr um zwei Drittel eingebrochen.“ Ein Bündel an Faktoren wirke hier dämpfend: „Die hohen Wohnungs-, Grundstücks- und Baukosten haben in Kombination mit der Zinslast und regulatorischen Beschränkungen die Nachfrage drastisch einbrechen lassen.“ Und bestehende Kredite sind für die Kreditnehmer angesichts der gestiegenen Raten deutlich schwerer zu bedienen.
Ob die Zinserhöhungen das erklärte Ziel erreichen und die Inflationsraten nachhaltig dämpfen werden können? „Bei den Großhandelspreisen sehen wir schon Preisrückgänge, das wird sich in den nächsten Monaten auch auf Verbraucherebene niederschlagen“, ist Helmenstein zuversichtlich, „dass sich die Lage entspannen wird“.
Das sagen die Steirischen Banken-Chefs
- Gerhard Fabisch, Steiermärkische Sparkasse: „Wir sehen durch die gestiegenen Zinsen eine Veränderung im Sparverhalten der Kunden. So sind seit einiger Zeit Umschichtungen von Girokonten auf diverse Sparformen zu beobachten. Es wird auch wieder mehr in Anleihen, Vorsorge,
Versicherungen sowie in Wertpapiere und Fonds investiert.“ - Martin Schaller, RLB Steiermark: „Die Zinsen sind zurück. Wir gehen davon aus, dass das auch längerfristig so bleiben wird. Aktuell liegen 3,2 Milliarden Euro auf den Girokonten unserer Kunden. Diese Guthaben gehen oft weit über den sogenannten Notgroschen hinaus, ein beträchtlicher Teil davon könnte höher verzinst veranlagt werden.“
- Monika Cisar-Leibetseder, Volksbank: „Für Sparer gibt es nach sieben mageren Jahren wieder Zinsen und damit attraktive Veranlagungsformen. Auf der anderen Seite leiden Kreditnehmer unter höheren Raten. Doch vieles spricht dafür, dass der Zins-Zenit bald erreicht ist und wir uns auf einem etwas niedrigeren Niveau langfristig einpendeln werden.“
- Manfred Geiger, BKS Bank: „Spareinlagen mit längeren Bindungen haben derzeit Hochkonjunktur. Dementsprechend entwickelten sich täglich fällige Einlagen auf Konten und Sparbüchern in diesem Jahr bis dato rückläufig, während bei den Termineinlagen mit zwölf- oder 24-monatiger Bindungsdauer Zuwächse erzielt wurden.“
- Claudia Roschkaritsch, BAWAG: „Sparen lohnt sich immer. Für Unvorhergesehenes sollte man einen Notgroschen von drei Netto-Monatsgehältern verfügbar haben, dafür eignet sich ein Sparbuch am besten. Wir sehen aber seit längerem eine steigende Nachfrage nach Alternativen in Form von Veranlagungen in Wertpapieren und Sparplänen.“
- Philipp Boruta, Schoellerbank: „Die Inflation in Europa sinkt, weitere Zinserhöhungen werden immer unwahrscheinlicher. Anleihen sind da eine lohnende Anlagealternative. Gleichzeitig bleiben Aktien attraktiv. Jetzt kommt es auf den richtigen Aktien- und Anleihenmix an. Entscheidend ist, auf solide Unternehmen mit angemessenen Bewertungen zu setzen.“
- Nadja Zeschko, UniCredit Bank Austria: „Nach der jüngsten Erhöhung der Leitzinsen ist nach unserer Einschätzung der Zinsplafonds erreicht. Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 erwarten wir den Beginn eines Zinssenkungszyklus. Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahresende 2024 eine Verringerung der Leitzinsen um bis zu 75 Basispunkte möglich ist.“