IV-Präsident im Porträt
© Kanizaj

„Wir preisen uns aus dem Weltmarkt raus“

„Wir müssen alle die Brille mit dem rein regionalen Blick ablegen“, mahnt Kurt Maier. Der neu gewählte Präsident der steirischen Industriellenvereinigung fordert von der Politik wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen ein.

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Aktualisiert am 04.07.2024

Es ist eine Premiere. Zum ersten Mal steht der steirischen Industriellenvereinigung (IV) kein Unternehmenseigentümer vor. Kurt Maier, der Anfang Juli das Amt von Stefan Stolitzka übernommen hat, verfügt aber über jahrzehntelange Erfahrung als Manager in der Zellstoff- und Papierindustrie. In seiner ersten Rede als neuer IV-Chef steckte er auch die inhaltlichen Eckpunkte ab – so über…  

das Superwahljahr: Es ist ein Jahr der Veränderungen, nicht nur, aber auch aufgrund der zahlreichen Wahlen. Das darf uns nicht verunsichern. Veränderungen, die wir erleben, sind historisch betrachtet die Normalität. Viele Menschen sehnen sich nach Stabilität und Zuversicht. Die Industrie kann Kontinuität und Zuversicht geben. Kontinuität, weil der Umgang mit Veränderungen für die Industrie Alltag ist. Das haben wir mit der Bewältigung der Krisen in den letzten Jahren und dem Managen von völlig veränderten und unvorhersehbaren Marktentwicklungen bewiesen.

die Europäische Union: Die Europäische Union ist eines der größten Erfolgsprojekte des 20. Jahrhunderts. Trotzdem müssen wir feststellen, dass es in der EU einen Kurswechsel braucht. Europa ist wirtschaftlich in den letzten Jahren stark abgefallen. Vor einem Jahrzehnt war die EU noch der größte Wirtschaftsraum der Erde. Heute sind wir kaufkraftbereinigt nach China und den USA mit knapp 15-prozentigem Anteil am Welt-BIP nur noch auf Platz drei. Die Antwort der EU auf diese Entwicklung lautet CSRD, NIS2, RED II und RED III, EUDR, PPWR und CSDDD – um nur einige Beispiele zu nennen. Der Mehrwert dieser Regularien ist überschaubar, führt jedenfalls zu erheblichem administrativen Mehraufwand.

das Lieferkettengesetz: Als Industrie nehmen wir unsere Sorgfaltspflichten und Verantwortung entlang der Lieferketten selbstverständlich ernst und wahr. Es kann aber nicht sein, dass europäische Unternehmen die Aufgaben übernehmen müssen, an denen Politik und internationale Organisationen seit Jahren scheitern und die woanders erledigt gehören. Die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette geht weit über den direkten Einflussbereich von Unternehmen hinaus und lässt sich auch nicht durch ausufernde Dokumentationspflichten sicherstellen. Gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht.

hohe Lohnkosten: Die explodierenden Kosten am Standort  sind mittlerweile ein österreichisches Alleinstellungsmerkmal. Die Lohnstückkosten sind in Österreich bereits in den letzten Jahren um 30 Prozent gestiegen. Da sind die letzten KV-Abschlüsse noch gar nicht enthalten. Diese Erhöhungen der letzten Abschlüsse mögen für manche „kurzfristig“ ein Erfolg gewesen sein, aber mittel- und langfristig müssen wir aufpassen: Mit dieser Entwicklung preisen wir uns aus dem Weltmarkt heraus. Daran kann niemand in Österreich ein Interesse haben. Es müssen alle die Brille mit dem rein lokalen Blick ablegen, um der Realität als exportorientiertes Land ins Auge zu sehen. Daher werden wir diese schwierige Situation nur gemeinsam und mit neuen Denkansätzen lösen können. Wir müssen die traditionellen Verhandlungsmuster aufbrechen und neue Wege gehen.

hohe Energiekosten: Auch wenn sich die Energiekosten nach der Krise 2022 wieder weitgehend normalisiert haben, sind sie in Österreich im europäischen und vor allem im globalen Vergleich noch immer höher und weit weg von Planbarkeit. Eine sichere und leistbare Versorgung ist – insbesondere bei einem Stopp des Transits von russischem Gas durch die Ukraine – weiterhin noch nicht garantiert. Wir werden Gas noch länger als effiziente Brückentechnologie einsetzen müssen, bis wir das mit neuen Energieformen kompensieren können.

den Standort Steiermark: Wir sind ein Bundesland mit einer traditionell energieintensiven und exportorientierten Industrie. Ziel  muss es sein, dass die Steiermark durch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen als Standort Weltspitze ist, damit sie weiterhin eine der lebenswertesten Regionen bleibt.

Zur Person

Kurt Maier folgt Stefan Stolitzka als Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark nach. Der 63-jährige gebürtige Grazer hat an der TU Wirtschaftsingenieurwesen für Maschinenbau studiert und war unter anderem von 2006 bis 2016 CEO der Zellstoff Pöls und im Anschluss CEO der Heinzel Group, deren COO er seit 2022 ist.