
Wieso es der Krawatte an den Kragen geht
Blazer oder Hoodie? Was in einer Firma geht, ist in der anderen verpönt. Warum? Und wie macht man es richtig? Wir haben nachgefragt.
Lesedauer: 4 Minuten
Bequemlichkeit oder Ästhetik? In einer Studie der Uni Graz sprechen sich 59 Prozent der Studierenden für ersteres aus. Die Generation Z (Jahrgang 1997 - 2010) strömt immer mehr auf den Arbeitsmarkt und mit ihnen eine neue Jobmode. Statt Hemd und Krawatte entscheiden sich viele morgens für Hoodie und T-Shirt. Für so manchen Vorgesetzen gewöhnungsbedürftig. Das beobachtet auch die Grazer Stilberaterin Gundula Medwed: „Die Generation Z hat zweifellos dazu beigetragen, die Grenzen zur formellen Kleidung aufzuweichen. Dies zeigt auch die zunehmende Akzeptanz von Komfortmode im Job, zu der auch Jogginghosen gehören. Ältere Führungspersonen können das aber oft als unangemessen empfinden, da sie auf keinen Fall dem traditionellen Verständnis von jobtauglicher Kleidung entsprechen.“
Vor allem in den letzten 20 Jahren hat sich viel getan. Noch Anfang der 2000er-Jahre dominierte in Banken, Versicherungsunternehmen oder Kanzleien ein klassischer Dresscode. Anzüge, Krawatten, Kostüme und schlichte Farben galten als chic. In den 2010er-Jahren kam jedoch Bewegung in die Kleiderschränke heimischer Büroangestellter: Business Casual wurde populär, Hemden trug man plötzlich ohne Krawatten, die Anzughose wurde häufig durch die Stoffhose ersetzt und statt Lederschuhen kamen Sneakers zum Einsatz. Mit der Pandemie und der Einführung von Homeoffice wich die formelle Kleidung immer mehr bequemen Alternativen wie der Jogginghose.
Auf die Jungen färbte das ab, weiß der Soziologe Stephan Moebius: „Die junge Generation verbindet Professionalität, Leistung und Innovation meist nicht mit formeller Kleidung, sondern mit persönlichem Auftreten. Dieses spiegelt ihre Individualität, Vielfalt und Flexibilität wider.“
Die junge Generation verbindet Professionalität, Leistung und Innovation meist nicht mit formeller Kleidung, sondern mit persönlichem Auftreten. Dieses spiegelt ihre Individualität, Vielfalt und Flexibilität wider.

Stephan Moebius
Soziologe an der Uni Graz
Und dennoch: So ganz vom Tisch sind Dresscodes im Job noch nicht. Soziologisch betrachtet machen laut Moebius Kleidungsvorschriften in manchen Branchen durchaus Sinn. Entscheidend seien die angenommenen Erwartungen des Zielpublikums: „Ein Anzug in der Bankfiliale vermittelt vielleicht für einige Menschen Seriosität. Bei Kreativberufen, Silicon-Valley-Konzernen wie Apple oder bei jungen Start-ups wirkt das eher bieder und zu bodenständig. Wenn man also eine Beziehung zu den Kunden herstellen möchte, sind kontextspezifische Überlegungen über das Auftreten entscheidend.“
Gepflogenheiten und Situationen entscheiden
Wie das geht, zeigt die Steiermärkischen Bank und Sparkasse. Lange Zeit galt hier der klassische Business-Look als unternehmenskonform. Nach Überlegungen, was die Mitarbeiter nach außen hin transportieren sollten, nämlich Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit, aber auch „das modernste Banking Österreichs“ entschied man sich, den Dresscode etwas aufzulockern: „Der Business-Casual-Stil bietet unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mehr Freiheit und Individualität in ihrer Kleiderwahl, während ein professionelles Erscheinungsbild gewahrt bleibt. Farbige Akzente sind willkommen und auch Sneakers können getragen werden. Dabei können sich Beschäftigte an der 1C-Regel orientieren: Ein Teil des Outfits darf Casual sein, der Rest sollte im Business-Stil gehalten werden“, so Konzernsprecherin Brigit Pucher.
Einen anderen Weg schlägt man bei der AVL List GmbH ein. Auf einen Dresscode wird hier – auch wegen der weltweiten Standorte – gänzlich verzichtet. Stattdessen werden Beschäftigte dazu angehalten, ihre Kleidung an die jeweilige Situation und die kulturellen Gepflogenheiten verschiedener Länder anzupassen. Heißt konkret: „Bei Kundenbesuchen in Asien wird Wert auf formelle Kleidung gelegt, in Europa und den USA wird indes meist ein Business-Casual-Stil bevorzugt“, verrät PR-Managerin Andrea Rachbauer. Wiederum anders stellt sich die Lage bei Stoelzle Oberglas dar. An den Produktionsstandorten wird auf gebrandete Kleidung gesetzt – primär aus Gründen der Arbeitssicherheit und Hygiene. Bei den Büromitarbeitern verzichtet man auf Vorgaben, bietet jedoch auch ihnen gebrandete Blusen, Hemden und Poloshirts an.
Die Jogginghose repräsentiert zwar einen modischen Wandel, aber ihre Akzeptanz hängt stark von der jeweiligen Umgebung ab.

Gundula Medwed
Stilberaterin
Und wie sieht es nun mit der bei der Generation Z so beliebten Jogginghose aus? Zieht sie in den heimischen Konzernen ein? Wenn überhaupt, dann eher nur chicere Modelle: „Die Jogginghose repräsentiert zwar einen modischen Wandel, aber ihre Akzeptanz hängt stark von der jeweiligen Umgebung ab. Ein guter Kompromiss kann darin bestehen, Komfort und Stil zu vereinen, etwa durch hochwertige Stoffe und ein gepflegtes Auftreten. Ausgebeulte Jogginghosen haben im Berufsleben jedoch absolut nichts verloren“, schließt Stilberaterin Gundula Medwed (mehr Tipps siehe Interview unten).
Interview mit Stilberaterin Gundula Medwed
Gibt es noch einen Unterschied zwischen Job- und Alltagsmode?
Jobmode ist darauf ausgelegt, eine professionelle oder rollenkonforme Botschaft zu senden, während Alltagsmode eher auf Komfort und persönliche Vorlieben fokussiert ist. Zudem ist Jobmode von Anforderungen und Erwartungen der jeweiligen Branche geprägt.
Was sind absolute No-Gos in der Jobmode ?
Ganz klar ein ungepflegtes Erscheinungsbild, wie fleckige, zerknitterte oder abgenutzte Kleidung, ungepflegte Haare, Schuhe oder Nägel, aber auch unpassende Kleidung wie zu freizügige Outfits. Dazu gehören zu kurze Röcke, tiefe Dekolletés oder durchsichtige Stoffe. Vermeiden sollte man auch zu lässige Kleidung in formellen Branchen und falsches Schuhwerk wie Flip-Flops oder Sandalen.
Und wie macht man es richtig? Was können junge Menschen tragen, ohne sich „verkleidet“ zu fühlen?
Ein guter Mittelweg ist eine Kombination von Eleganz und Lässigkeit, wie zum Beispiel eine dunkle Jeans, kombiniert mit einem Blazer, gut sitzende Chino-Hosen, feine Strickjacken, Poloshirts oder Hemden in weichen, modernen Stoffen oder Mustern. Ein Mix aus klassischen Elementen und persönlichen Akzenten kann bei jungen Menschen ein selbstbewusstes und individuelles Auftreten schaffen.