Marcel Sabitzer beim Fußballspiel
© GEPA pictures/Armin Rauthner

Wer von der EUROphorie profitiert

Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft sind gut fürs Geschäft: Wenn Österreichs Team siegt, gewinnt auch der heimische Handel. 

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 21.06.2024


Nicht erst seit dem Ankick zur Europameisterschaft liegt das Land im Fußballfieber. Die Euphorie rund um das Team von Ralf Rangnick und die Steirer Marcel Sabitzer, Michael Gregoritsch und Alexander Prass ist auch nach der Auftaktniederlage gegen Frankreich ungebrochen. Davon profitiert auch die heimische Wirtschaft. Neben der Gastronomie gehört generell der Handel zu den Gewinnern der guten Stimmung, die rund um das Großereignis herrscht. Auf 80 Millionen Euro taxiert das Marktforschungsins­titut Mindtake den Mehrumsatz durch die EM allein für die heimische Handelsbranche. Mit spürbaren Zusatzeinnahmen rechnen können demnach folgende Segmente: Lebensmittelgeschäfte & Nahversorger, andere stationäre Fachgeschäfte, Online-Shops und Online-Marktplätze, Sportgeschäfte sowie der Elektro- und Elektronikfachhandel. Zu ähnlichen Egebnissen kommt eine Untersuchung der Wiener Wirtschaftskammer. 

Was die Höhe der individuellen Ausgaben betrifft, variiert die Bandbreite aber: Der Großteil (48 Prozent) werde demnach zwischen 50 Euro und 200 Euro ausgeben. Jeder Zehnte (elf Prozent) investiert zwischen 200 und 500 Euro, sechs Prozent 500 Euro oder mehr. Etwa ein Drittel (35 Prozent) plant nicht mehr als 50 Euro an Ausgaben.  

Wir merken teilweise einen Konsumrückgang, weil die Fans während des Spiels aufs Trinken vergessen.                  

„Die EM ist jedenfalls ganz klar ein Frequenzbringer“, unterstreicht Thorsten Schmitz, Geschäftsführer von Intersport Austria: „Die Trikots und Shorts des Nationalteams sind der Renner.“ Intersport betreibt den offiziellen ÖFB-Fanshop. „Der Umsatz konnte hier beinahe vervierfacht werden. Auch Fan-Schals und Kappen sind sehr begehrt und verzeichnen gute Zuwächse“, so Schmitz.

Den ersten Run auf Trikots gab es bereits nach dem offiziellen Launch, berichten Intersport und Hervis unisono. Fan-Schals, Sonnenbrillen, Kappen und weitere Fanartikel, die typisch für Public-Viewing-Besuche sind, werden dagegen auch noch spontan gekauft. 

Wie seine Branchenkollegen hofft Schmitz demzufolge auf einen möglichst langen Verbleib des ÖFB-Teams im Turnier. Anhaltender Erfolg würde auch das Absatzfeuer am Lodern halten.

Kein „13. Monat“

Im Lebensmittelhandel bleibt man ob dieser unvorhersehbaren Länge der Siegesstraße dagegen vorsichtig. „Seriöse Prognosen über Umsatzzuwächse durch die EM können wir keine abgeben“, bremst „Spar“-Sprecherin Nicole Berkmann. Bier, Grillprodukte und Knabbergebäck seien zudem zu dieser Jahreszeit auch ohne Matchfieber traditionell sehr gut nachgefragt. Zwar gebe es aufgrund des Ereignisses aktuell verstärkt Aktionen in unterschiedlichen Warengruppen, die zu einer Absatzsteigerung führen, „wir merken aber keine allzu großen Umsatzzuwächse aufgrund der EM“. „Sportgroßereignisse führen per se nicht zu einem deutlichen Mehrumsatz im Handel“, heißt es auch seitens der Rewe-Gruppe (Billa, Penny). Von einem signifikanten EM-Umsatzbonus könne jedenfalls „keine Rede sein“.

Je länger Österreich im Bewerb dabei ist, desto stärker ist die Nachfrage nach Fan-Artikeln.

Von einem „13. Monat“ zu sprechen, wie es beispielsweise Georg Weber, Chef des Wettanbieters „Tipp 3“ zuletzt tat, hält auch Josef Rieberer, Geschäftsführer der Murauer Brauerei, für seine Branche für „übertrieben“. Zwar gebe es einen Mehrwert durch eine Vergrößerung der Gastrofläche, beispielsweise durch Public Viewing-Angebote in den Kantinen von Fußballvereinen. „Das ist wie ein zusätzliches Heimspiel“, rechnet Rieberer vor. 

Wetter als Durstlöscher

Umgekehrt hat er aber auch ein überraschendes gegenläufiges Phänomen festgestellt: „In ohnehin bierlastigen Lokalen ist der Absatz eher rückläufig, weil die Gäste nur auf den Bildschirm schauen und vor lauter Mitfiebern aufs Trinken vergessen.“ Insgesamt gebe es aber ein zartes Absatzplus. Beim Mitbewerber Stiegl sind die Erwartungen dagegen klar definiert. Man gehe von einem Plus von zwölf Prozent aus. Wobei für den Bierkonsum neben Sieg und Niederlage noch ein unsteuerbarer Faktor wesentlich sei: das Wetter, das sich – wenn zu heiß – als „Bierdurstlöscher“ erweist. Temperaturen rund um 26 Grad seien ideal, gibt es mehr als 30 Grad, wird es „bierkritisch“ (Rieberer), da Konsumenten dann vermehrt zu alkoholfreien Erfrischungen greifen.

Als hitzeresistent erweisen sich dagegen Snacks. Bei Kelly’s, die unter anderem in Feldbach pro Jahr 13.000 Tonnen Soletti produzieren, geht man im Vergleich zu einem Normalmonat von einem zweistelligen Absatzplus während der EM aus. In ähnlichen Größenordnungen gibt der Elektro- und Elektronikfachhandel seinen „EM-Bonus“ an. Großereignisse würden traditionell den Trend zu Großbildfernsehern und befeuern.

Die Serie an Sportgroßveranstaltungen in diesem Sommer reißt jedenfalls nicht ab. Neben der Tour de France, die ab 29. Juni parallel zur EM läuft, starten am 26. Juli die Olympischen Sommerspiele in Paris. Sie sind für den heimischen Handel aber von deutlich geringerer Bedeutung.