Mitglieder der neuen steirischen Landesregierung präsentieren ihr Programm
© Gimpel

Was die Regierung im Land vorhat

Die neue Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP hat ihr Arbeitsübereinkommen vorgelegt. Eine effiziente Politik wird versprochen. Mehr als eine Absichtserklärung? 

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 19.12.2024

Simone Schmiedtbauer geht Hannes Amesbauer an die Gurgel. Die VP-Landesrätin mag keine schief sitzenden Krawatten. Mit mütterlicher Fürsorge zupft sie dem neuen FP-Regierungskollegen kurz vor der Präsentation der neuen Landesregierung am Hals herum. Noch- und Wieder-Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (VP) versorgt Landesräte indes noch schnell mit grünen Steiermark-Herz-Ansteckern fürs Anzugrevers. „x minus 30 Sekunden“, gibt der ehemalige Verteidigungsminister und neue Landeshauptmann Mario Kunasek seinem Regierungsteam wenig später den Marschbefehl Richtung Bühne zur Vorstellung des Arbeitsübereinkommens der blau-schwarzen Landesregierung. 

Auf 130 Seiten werden darin die politischen Schwerpunkte der kommenden Legislaturperiode in der Steiermark aufgelistet. Von „klarer Werte­orientierung“  und „Leistungsorientierung“ sprechen Kunasek und Landeshauptmannstellvertreterin Manuela Khom. Während die neue Landesspitze 24 Stunden später bei der konstituierenden Sitzung des Landtags und dessen Wahl der Landesregierung auf ein „steirisches Miteinander“ hofft, reagiert die Opposition erwartungsgemäß mit Kritik an Maßnahmen wie der Bezahlkarte für Asylwerber und dem geplanten „Erhebungsdienst gegen Sozialbetrug“. 

Was aber heißt der Koalitionspakt konkret für den Wirtschaftsstandort? Wohin geht in der anhaltend trüben Konjunkturlage (Seiten 6/7) die Reise? Schafft es der angekündigte „klare Plan zum Bürokratieabbau“ bis in die Wirklichkeit? Was dürfen Unternehmen erwarten? „Viele Ideen, Vorschläge und Forderungen der Wirtschaft finden sich, wenn auch in noch relativ rudimentärer Form, im Programm wieder“, heißt es in einer ersten Bewertung des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS). Positiv sei hervorzustreichen, dass Zankäpfel wie die ORF-Landesabgabe beziehungsweise die Leerstandsabgabe dezidiert nicht in Umsetzung gehen werden und man sich im Mobilitätsbereich zu Technologieneutralität bekennt.  

Wirtschaft: Die neue Regierung greift unter anderem den Vorschlag der WKO auf, eine Standortpartnerschaft der relevanten Stakeholder als Koordinierungsplattform für Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit einzurichten. „Im Tandem mit dem Bekenntnis zu einer echten Deregulierungsoffensive kann das den Standort Steiermark wieder auf die Überholspur bringen“,  so die IWS-Analyse.  

Bildung: Zweischneidig fällt die IWS-Beurteilung in diesem Bereich aus: Positiv werden die internationale Schule sowie der bedarfsgerechte Ausbau der Kinder- und schulischen Nachmittagsbetreuung gesehen. Benötigt werden aber Maßnahmen gegen den Lehrermangel und eine Weiterentwicklung der Sommerschule. 

Verkehr: Die Regierung hat sich klar gegen Mauterhöhungen, eine flächendeckende Lkw-Maut und für ein Ende des „Luft-100ers“ ausgesprochen. Angekündigt wird zudem ein Verkehrskonzept für den Großraum Graz. Zu kurz kommt laut IWS  die Abstimmung des Ausbaus der Infrastruktur über die Landesgrenzen hinweg – Stichwort: Area Süd.

Tourismus: Die Regierung bekennt sich zu Großveranstaltungen (Airpower etc.). Um die Steiermark als Skisportland zu stärken, will man Fördermöglichkeiten für Schulskikurse evaluieren und sich beim Bund für die Wiedereinführung verpflichtender Schulskikurse und Wintersportwochen stark machen. Was laut IWS (noch) fehlt: ein Internationalisierungsansatz.

Arbeit: Die Zusammenführung der Ressorts  Wirtschaft und Arbeit, das Bekenntnis zu einer qualifizierten Zuwanderung und die Einführung eines betrieblichen Lehrlingsbonus hebt das IWS positiv hervor. Die Regierung kündigt zudem vermehrte Kontrollen der Finanzpolizei an, um Sozialdumping ausländischer Unternehmen zu bekämpfen.

Bürokratie: Die angekündigte Deregulierungsoffensive, um überholte und ineffiziente Gesetze und Verordnungen aufzuheben und bestehende Vorschriften praxistauglicher zu machen, sowie der Ausbau digitaler Prozesse in der Landesverwaltung werden vom IWS begrüßt. Was vermisst wird, ist ein weiterer Ausbau der Bezirkshauptmannschaften zu Kompetenzzentren.

Internationales: Die Stärkung des Alpe-Adria-Netzwerks bewertet das IWS positiv, weshalb man sich ein gemeinsames Vorgehen mit Kärnten wünscht. Erforderlich wäre zudem eine Standortagentur, die die „Internationalisierung“ mit dem Schwerpunkt Standortmarketing, Fachkräfte, internationale Investoren und Exportorientierung abdeckt.

Energie: Positiv bewertet wird das Bekenntnis zur Technologieoffenheit und zu Investitionen in den Netzausbau sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf die Wettbewerbsfähigkeit sowie Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang mit energiepolitischen Entscheidungen. Dass sich nichts zu einer verträglichen Ausgestaltung der Netztarife im Regierungsprogramm wiederfindet, sieht man beim IWS allerdings kritisch.  

Finanzen: Einen ausgeglichenen Landeshaushalt ausgabenseitig und nicht über neue Abgaben erreichen zu wollen, sei begrüßenswert, so das IWS, weshalb die Abschaffung der ORF-Landesabgabe begrüßt wird. Es brauche jedoch mehr Transparenz im Landeshaushalt sowie eine Evaluierung der Pflicht- und Ermessensausgaben auf Landesebene.

Forschung: Als positives Signal zu werten sind die Forcierung von Forschung, Technologie und Innovation (FTI) als Grundlage für ein gutes Wirtschaftswachstum im Land sowie die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Was unter anderem fehlt, sind aber die Definition von Stärkefeldern und verstärkte Kooperationen in der Area Süd.