
Warum wir uns Geschenke machen
Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler über lautere und unlautere Motive des Schenkens, den Reiz des Packerls, Compliance-Regeln und Geiz als „Spaßbremse“.
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Warum schenken wir?
Erich Kirchler: Schenken löst angenehme Gefühle – „warm glow“ – beim Schenkenden aus. Schenken kann auch Aufmerksamkeit, Zuneigung, Anerkennung oder Dankbarkeit signalisieren. Beschenkte freuen sich über die Aufmerksamkeit und erleben recht unmittelbar den Drang, nicht nur dankbar zu sein, sondern sich auch erkenntlich zu zeigen.
Kann ein Geschenk also auch nur Kalkül sein, um das Gegenüber in eine Art Bringschuld zu drängen?
Das Gesetz der Reziprozität – also auf ein Geschenk mit einem Geschenk zu antworten – gilt universell. Schenkende können dabei übertreiben und den ursprünglichen Sinn des Schenkens pervertieren. Je nach Beziehung zwischen Schenkenden und Beschenkten können zu große Geschenke Verlegenheit oder den Druck auslösen, ebenso „großzügig“ sein zu müssen. Geschenke können aber auch Frustration auslösen, wenn klar wird, dass nicht auf die Bedürfnisse eingegangen wird oder aus Routine ein Verlegenheitsgeschenk angeboten wird.
Gibt es die ideale Anzahl an Geschenken?
Dass eine bestimmte Anzahl von Geschenken die ideale ist und größte Zufriedenheit auslöst, bezweifle ich und nehme ich nicht als generelle Regel an. Allerdings sieht man bei Kindern, dass zu viele Geschenke sie leicht überfordern und das erlebte Glück nicht mit der Anzahl der Geschenke steigt. Ähnlich ist es, wenn wir zwischen Optionen wählen können und Entscheidungen treffen: Zu viele Alternativen, zu viele verschiedene Angebote erhöhen allenfalls die Ratlosigkeit, aber nicht die Zufriedenheit.
Kritiker wenden ein, vom ritualisierten Schenken profitiere ohnehin nur der Handel, dem individuellen Seelenheil bringe es wenig.
Zweifellos beschert das weihnachtliche Geschenkszeremoniell dem Handel hohe Gewinne. Aber selbstverständlich haben auch Einzelne ihre angenehmen Gefühle und zwischenmenschlichen Freuden, wenn sie die Idee des Schenkens nicht aus den Augen verlieren und Zeit finden, sich mit den Beschenkten und deren Wünschen zu befassen, und schließlich erleben, dass sich Beschenkte aufrichtig freuen.
„Schenken macht die Seele weit“, heißt es. Wie sehr bremst die „Geiz ist geil“-Mentalität diese Öffnungsperspektive?
Gerade gegenwärtig setzt vielen der Geldbeutel ein Limit. Geschenke müssen da auch nach ihrem Preis ausgesucht werden. Wenn aber Schenkende von Geiz getrieben nach dem billigsten Schnäppchen suchen, werden sie nicht das erleben, was als „warm glow“ bezeichnet wird.
Die Umtauschwelle zeigt, wie oft Geschenkgeber danebenliegen. Ist das ein Beweis, dass man sich zu wenig Gedanken über das Geschenk macht?
Tatsächlich führen Routine, Pflichtgefühl, fehlende Zeit und oft auch geringe Motivation dazu, dass ein Geschenk ausgesucht wird, das wenig überlegt wurde und „danebengeht“. Beschenkte können zwar das nicht passende Produkt umtauschen, aber für den Handel ist ein Kauf bereits getan und der Gewinn in der Kasse.
Sind Geldgeschenke legitim? Oder nur Ausdruck der eigenen Ideenlosigkeit?
Sie sind je nach Beziehung legitim: Wenn die Oma oder der Opa Geldgeschenke geben, kommt das häufig bei den Enkeln auch sehr gut an. Schön finde ich, wenn die dann gekauften Sachen auch als Geschenk der Großeltern gesehen werden. Zwischen Freunden oder Partnern finde ich Geldgeschenke unpassend, es sei denn, der legitime Wunsch besteht, sich mit „kollektiven Geschenken“ einen größeren Wunsch erfüllen zu wollen.
Aber entzaubert man damit nicht den Akt des Packerlaufmachens?
Die Freude des Packerlaufmachens muss auch bei Geldgeschenken nicht vernachlässigt werden, wenn beispielsweise Geldscheine entsprechend verpackt oder als Dekoration auf einem Geschenkbaum „aufgerollt hängen“.
Warum verpackt man Geschenke eigentlich?
Auch die Verpackung tut ihre Wirkung, unterstreicht die Aufmerksamkeit, soll ästhetisch wirken und trägt zur Überraschung bei.
Für Zuwendungen im Geschäftsbereich gelten Compliance-Regeln: eine notwendige Reaktion auf Maßlosigkeit und Missbrauch?
Tatsächlich kann hinter der freundlichen Geste des Schenkens auch die Agenda stehen, sich Entgegenkommen zu erkaufen. Dies schränkt die Autonomie des Beschenkten ein und reicht bis zur Bestechung. In diesem Fall können Geschenke den Handlungsspielraum der Beschenkten einengen, deren Autonomie einschränken und zu korruptem Handeln drängen.